Im Herzen der See

Originaltitel
In the Heart of the Sea
Land
Jahr
2015
Laufzeit
122 min
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Volker Robrahn / 2. Dezember 2015

herzen der see 1Sein Name ist nicht Ismael, sondern Thomas Nickerson. Im Jahr 1850 erzählt der verbitterte Mann (Brendan Gleeson) einem jungen Schriftsteller (Ben Whishaw) eher widerwillig die dramatischste Geschichte seines Lebens: Als junger Mann war Nickerson (jetzt: Tom Holland) Mitglied der Besatzung der „Essex“, eines Walfängers, der nach schwierig verlaufender Reise, die von dem Duell des unerfahrenen Kapitäns Pollard (Benjamin Walker) mit seinem selbstbewussten ersten Offizier Owen Chase (Chris Hemsworth) geprägt wird, schließlich einem ganz besonderen Exemplar der gejagten Spezies begegnen sollte. Denn der riesige weiße Wal scheint von einer Art persönlichem Rachedrang getrieben und verfolgt die Überlebenden des Schoners selbst noch nach dessen Untergang in ihren Rettungsbooten. Es kommt zu genauso dramatischen wie verzweifelten Aktionen der um ihr Leben kämpfenden Männer, die den Autor Herman Melville dreißig Jahre später zu seinem weltberühmten Roman inspirieren werden.
 

herzen see 2Bei der Bezeichnung „großer weißer Wal“ denkt man natürlich gleich an einen ganz speziellen, und in der Tat handelt es sich hier um den berühmten „Moby Dick“, jedenfalls in gewissem Sinne. Erzählt wird jedoch nicht eine weitere Version des Literaturklassikers, der in den USA zum absoluten Kanon der Bücher gehört, die praktisch jedes Kind in der Schule zu lesen bekommt. Stattdessen präsentiert Altmeister Ron Howard („A beautiful Mind“, „Rush“) in seinem neuen Film die auf wahren Ereignissen beruhende Geschichte der „Essex“, deren Schicksal „Moby Dick“-Autor Melville für sein Werk als Vorlage diente. Dementsprechend wird diese Haupthandlung dann auch in eine Rahmengeschichte eingebaut, die das Geschehen im Rückblick schildert und bei der man es nicht so ganz genau nehmen sollte, wenn der alte Nickerson ankündigt „nur das absolut Nötigste“ zu berichten. Denn die folgenden Geschehnisse ufern dann doch deutlich weiter aus und zeigen dem Zuschauer vor allem auch Szenen und Befindlichkeiten anderer Personen, von denen das Greenhorn an Bord eigentlich gar nichts wissen konnte.

herzen see 3Wer über diesen erzählerischen Kunstgriff hinwegsieht, vor dem entfaltet sich ein Panorama aus der Welt der Schifffahrt des frühen 19. Jahrhunderts, mit einer Pracht aus Meer, Stürmen und Segelschiff wie man es seit Peter Weirs „Master & Commander“ im Kino nicht mehr gesehen hat. Diesmal jedoch in 3D und dieses Extra lohnt dann auch mal den Aufpreis, da es sich hier um eines der eher raren Beispiele handelt, wo der Effekt nicht für Animations- oder SF-/Superhelden-Abenteuer eingesetzt wird, sondern in einem historischen Umfeld. Das sorgt dann zu Beginn für prächtige Bilder einer Hafenstadt, des Segelschiffs selbst und später natürlich vor allem vom weißen Ungetüm, das zwar natürlich eindeutig computeranimiert daherkommt, dabei aber nichtsdestotrotz zu beeindrucken weiß. Denn wenn sich die Schwanzflosse des Pseudo-Moby aus dem Wasser erhebt, dann ist das für die Besatzung der Essex genauso furchterregend wie für den Betrachter beeindruckend.

herzen see 4Der Verlauf an sich ist zwar prinzipiell vorhersehbar (und aufgrund der Rahmenhandlung auch im Hinblick auf das Schicksal der Figuren nicht durch die Bank spannend), doch geschieht der größte Handlungs- und Ortswechsel dabei unverhofft früh und lässt somit Zeit für ein paar weitere Episoden bis zum eher unspektakulären Finale. Während die Effekte und Kulissen zu überzeugen wissen, ist das Ergebnis bei den Darstellern gemischt. Neben den üblichen Typen mit schiefen Visagen, die man in der zweiten Besetzungsreihe erwartet, geht das Duell der beiden Hauptcharaktere zumindest was die Darstellungskunst betrifft sehr eindeutig aus.

Denn da hinterlässt der bisher am ehesten aus dem mäßig interessanten „Abraham Lincoln: Vampirjäger“ bekannte Benjamin Walker als nur aufgrund seiner vornehmen Herkunft amtierender und damit im Grunde vollkommen überforderter Kapitän einen weitaus stärkeren Eindruck als sein Gegenüber. Denn der von Chris „Thor“ Hemsworth ziemlich hemdsärmlig gespielte erste Offizier Chase, der sich ganz klar für den besseren Anführer hält (und dies fraglos auch ist) wirkt mit seinem gestählten und perfekten Körper einfach ein wenig zu sehr wie ein makelloses Model aus dem Katalog und weniger wie ein Seemann aus dem nicht ganz so keimfreien vorvergangenem Jahrhundert. Hemsworth bleibt hier reichlich blass, hat aber zugegeben auch die undankbarere, weil ziemlich eindimensionale Rolle abbekommen. Auch bei den wenigen Damen, die im Film auftauchen, hat man stets das Gefühl, sie seien einfach ein wenig zu perfekt geschminkt und ihr Gesicht etwas zu glatt, als das man sie in diesem historischen Umfeld verorten würde, in dem man Wale vor allem deshalb gejagt hat, weil eine bessere Gewinnung des wertvollen Öls bzw. Trans noch nicht möglich war – die große Revolution in dieser Hinsicht deutet der Film dann aber am Ende an.

Es sind eher Marginalien, die etwas stören beim großen Seeabenteuer des Ron Howard, insgesamt hat man den perfekten Kinostoff aber ansprechend und kurzweilig umgesetzt. Denn schon vom Thema her sticht „Im Herzen der See“ einfach heraus aus dem Angebot der üblichen 3D-Spektakel, und den hübschen (wenn auch nicht immer ganz akkuraten) Blick in die Historie gibt es hier dann noch dazu.

Bilder: Copyright

Der Autor schreibt es selber: Marginalien. Wenn für die Kritikpunkte eines Films schon das Aussehen der Darsteller herhalten muss, ist das meistens ein Zeichen dafür, dass eigentlich nichts wirklich Kritikwürdiges gefunden wurde. Warum dann nach der insgesamt doch eher positiven Rezi nur sechs Augen???

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Ja Mensch, mehr Punkte für den Film, dann steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Fortsetzung zu Master & Commander endlich mal ins Rollen kommt! Bis dahin werde ich dann hiermit Vorlieb nehmen müssen. Gibt ja leider so wenige ernstzunehmende moderne Filme über die Seefahrt (Fluch der Karibik zähle ich mal nicht dazu).

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