Zu Beginn des 19. Jahrhunderts befindet sich das britische Empire im Krieg mit Frankreich unter Napoleon. Eine besondere Bedeutung kommt in dieser Auseinandersetzung den Gefechten auf den Meeren der Welt zu. Die berühmtesten Schlachten schlug dabei der legendäre Admiral Nelson, aber auch Kapitän Jack Aubrey (Russell Crowe) hat sich schon oft bewährt, so dass er und seine Crew vor der brasilianischen Küste segelnd den Auftrag erhalten, mit allen Mitteln das französische Kriegsschiff "Acheron" vor dem Einzug in den Pazifischen Ozean abzuhalten.
Eine Aufgabe, die sich als nahezu unlösbar erweist, repräsentiert dieses Wunder der Meere doch den modernsten Stand der Technik und des Machbaren. An Größe, Bewaffnung und Geschwindigkeit der "H.M.S. Surprise" des Engländers deutlich überlegen, fügt sie diesem ein ums andere Mal eine Niederlage zu. Als Aubrey trotz der aussichtslosen Lage verbissen weiter Jagd auf sein "Phantom" macht, stellt dies seine langjährige Freundschaft zum Schiffsarzt Stephen Naturin (Paul Bettany) auf eine schwere Belastungsprobe. Dieser mahnt zur Vernunft und warnt vor einer verhängnisvollen Fehlentscheidung. Doch ausgerechnet Stephen liefert seinem Kapitän und Freund schließlich auch eine Idee, wie der "Acheron" vielleicht doch noch beizukommen ist.
Es ist keine besonders komplexe Geschichte, die "Master & Commander" seinem Publikum vorsetzt, sie besteht hauptsächlich aus zwei großen Teilen: Dem Katz- und Maus-Spiel zwischen den beiden Schiffen und der Darstellung des Lebens an Bord der "Surprise" zwischen den Begegnungen mit ihrer Nemesis. Sehr schnell wird dann auch deutlich, dass die Schilderung von Letzterem das tatsächliche Hauptanliegen von Regisseur Peter Weir bildet. Mit einem bemerkenswerten Budget deutlich über der 100 Millionen Dollar-Grenze ausgestattet nutzt Weir dieses nicht etwa nur für bombastische Schlachtszenen und vordergründige Schauwerte, sondern geht einen anderen Weg. Einen Weg, der den zur Zeit gängigen Formeln des Hollywoodkinos nahezu konträr gegenübersteht: "Realismus" ist hier die oberste Direktive und alles ordnet sich dem Anspruch unter, einen Eindruck davon zu vermitteln, wie es denn damals tatsächlich gewesen sein könnte, das Leben auf so einem Kriegsschiff. Teure Spezialeffekte sind zwar vonnöten, versetzen den Betrachter aber nicht ins Staunen sondern bleiben bewusst unsichtbar und möglichst unbemerkt. Dieses Vorhaben gelingt, und so liefert "Master & Commander" neben einer historisch korrekten Gestaltung und Ausstattung von Schiff und Mannschaft auch einen der überzeugendsten Stürme, in den je ein Segler auf der Leinwand geriet.
Der Regisseur benutzt dabei einen Kunstgriff, der das Gefühl wirklich "mittendrin, statt nur dabei" zu sein noch enorm verstärkt: Über die volle Laufzeit des Films verlassen wir nie die Mannschaft der "Surprise". Es wird nicht umgeblendet zum Feind, der daher auch für die Zuschauer ein gesichtsloses "Phantom" bleibt, es wird nicht in irgendwelchen Häusern von Politikern beraten, es gibt kein buntes Treiben in belebten Städten. Nur das Publikum und die Crew und ein einziger kurzer Landgang. Ein Konzept das absolut Sinn macht, das funktioniert und das Eines endgültig beweist: Wenn Peter Weir eine besondere Gabe hat dann die, überzeugend in sich geschlossene Welten zu schaffen in denen sich seine Figuren bewegen. Dies gelingt ihm nach den Amish-Leuten in der "Der einzige Zeuge" und der Kunstwelt seiner "Truman Show" nun schon mindestens zum dritten Male in ganz großem Stil.
Es ist eine faszinierend interessante Welt, die sich dem interessierten Zuschauer/Begleiter hier auftut, und wir bekommen zumindest eine Ahnung davon wie es gewesen sein muss, wochenlang tatenlos auf Wind zu warten oder im Nebel ständig in Angst vor einem plötzlich aus dem Nichts auftauchenden Feind zu leben; wie der Aberglaube der einfachen Seeleute auch die Entscheidungen des Kapitäns beeinflussen kann und wie die, sich noch im Kindesalter befindlichen, Offiziersanwärter aus den Adelsfamilien ihren Mann stehen müssen oder am Druck zerbrechen.
Mit der Figur des Kapitäns Jack Aubrey verkörpert Russell Crowe nach dem "Gladiator" erneut eine zunächst überlebensgroß scheinende Figur, ein Eindruck der sich aber im Laufe des Films revidiert. Aubrey ist sich seiner Entscheidungen durchaus nicht immer sicher, darf aber gegenüber der Mannschaft keinerlei Unsicherheit erkennen lassen. Der Schiffsarzt und Wissenschaftler Stephen bildet dabei eine Art Gegenpol zum naturgemäß auf die Erfüllung seines Auftrages fixierten Kapitän und wirkt immer wieder als mahnende Stimme des Gewissens und der Vernunft. Nach "A Beautiful Mind" arbeiten Russell Crowe und Paul Bettany hier erneut miteinander und überzeugen mit der Darstellung einer glaubwürdigen Freundschaft, die sich entwickelt und auch Krisen überstehen kann. Längst nicht allen Zuschauern wird dabei bekannt sein, dass die Abenteuer der beiden Freunde bereits in rund 20 Romanen des Autors Patrick O'Brian geschildert wurden, so dass es aus dieser ahnungslosen Perspektive durchaus möglich erscheint, dass Aubreys Jagd auf die "Acheron" zur Besessenheit mutiert und die Freundschaft daran zerbricht. Aber auch hier heißt die Devise wieder "Realismus": Man braust auf, beruhigt sich wieder und macht doch irgendwie weiter.
All dieser Enthusiasmus soll nun bitte nicht den Eindruck erwecken, dass wir es hier mit einem verkappten Dokumentarfilm zu tun hätten. Keineswegs, denn auch ein anständiger Spannungsaufbau ist vorhanden und die Dramaturgie steuert dann auch auf den unvermeidlichen Showdown hin. Ein durchgehendes Action-Spektakel ist "Master & Commander" allerdings nicht und auf die nicht besonders originelle Schlusspointe hätte man auch gern verzichten können - allerdings nimmt diese auch wieder nicht so viel Raum ein um sich darüber groß zu ärgern. Es bleibt abzuwarten, wie das amerikanische Publikum auf einen Historienfilm aus rein britischer Sicht reagiert, der zudem auch noch gegen den gängigen Strich inszeniert wurde. Aber vielleicht hat man ja in diesem Filmjahr noch Lust auf einen zweiten Seefahrer-Film. Der gibt sich zwar ganz anders als die immens erfolgreichen Piraten aus dem "Fluch der Karibik", ist dabei aber ganz bestimmt nicht einen Deut schlechter.
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