Vor einigen Jahren hat Jim Carrey ja ein Geschäftsprinzip bei der Auswahl seiner Filme installiert, von dem alle profitierten. Ähnlich einem Steven Soderbergh wechselte Carrey eine große Mainstreamproduktion mit kleineren, ernsteren Filmen ab und blieb damit sowohl ein Kassenmagnet als auch der Empfänger von mehr und mehr Kritikerlob für grandiose Vorstellungen etwa in "Der Mondmann" und "Vergiss Mein Nicht!". In den letzten Jahren ist aber sowohl dieses System als auch Carreys Karriere insgesamt etwas ins Stocken geraten. Sein letzter ernster Film "Number 23" war eher unfreiwillig lustig und nicht sonderlich gut, die letzte Komödie "Der Ja-Sager" ein ziemlich unverfrorenes Eigenplagiat ohne großes Interesse.
"I Love You, Phillip Morris" wird aufgrund seines Themas natürlich nichts für Carrey den Kassenstar tun können, weswegen der Film auch hauptsächlich von Luc Besson produziert wurde, aber für Carrey den Künstler ist es nach den doch eher schwachen Filmen der jüngeren Vergangenheit wieder ein Schritt in die richtige Richtung. Und auch Freunde des lustigen Grimassenschneiders kommen hier durchaus auf ihre Kosten, denn Carrey versucht sich hier an einem Film, der seine beiden unterschiedlichen Facetten vereint, und macht dies gar nicht mal schlecht. Für den Mainstream - und besonders den amerikanischen, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist der Film nach Problemen mit dem Verleiher immer noch nicht angelaufen und auf unbestimmte Zeit verschoben - ist die Geschichte von "I Love You, Phillip Morris" natürlich trotzdem nichts, geht es bei der titelgebenden Liebeserklärung doch um die eines Mannes an einen anderen Mann, noch dazu um die eines Knackis an einen anderen Knastbewohner.
Phillip Morris (Ewan McGregor) ist ein endlos naiver und ganz zarter Homosexueller, der im Männerknast eigentlich völlig fehl am Platze ist. Dort fällt er jedoch Steven Russell (Jim Carrey) ins Auge, dessen Weg ins Gefängnis wiederum ausgesprochen denkwürdig anmutet, war er doch vor gar nicht so langer Zeit noch liebender Familienvater und Kleinstadtpolizist. Wie er also in den Knast gekommen ist und wie es dort dann nach dem Zusammentreffen von Steven und Phillip weitergeht, soll hier dabei gar nicht weiter ausgeführt werden, das wollen wir dann doch dem Film selbst überlassen. Interessant ist dabei aber, dass der Film zu nicht unbeträchtlichen Teilen auf Tatsachen beruht.
Verraten sei aber: Trotz der humoristischen Einlagen Carreys - inklusive, jawoll, der typischen Gummigesichtgrimassen - ist der Film im Endeffekt ein durchaus ernsthafter Liebesfilm und entzieht sich damit des Verdachts der reinen Gimmickrolle für Carrey ("Oh, guck mal, Jim Carrey küsst nen Kerl!"). Zudem manövriert er sehr geschickt zwischen ernsthaften Momenten und den zunehmend absurderen und trotzdem erfolgreichen Eskapaden von Carreys Steven Russell. Unterhalten wird man hier sehr gut, trotz eines etwas langsamen Starts. Denn da der Film sich erstmal Zeit nimmt, um Stevens schwierige Familienverhältnisse darzustellen und somit die ständig akute Frage nach der eigenen Identität als These gleich mitliefert (womit Carreys Figur hier durchaus Ähnlichkeiten mit der des Andy Kaufmann aus dem "Mondmann" aufweist), dauert es einen Moment, bis der Film in die Gänge kommt. Wenn es aber erstmal los geht, kommt man aus dem Schmunzeln und Kopfschütteln kaum noch heraus, auch weil sich "I Love You, Phillip Morris" dann zunehmend als Film im Stil eines "Catch Me If You Can" präsentiert, nur eben mit einem schwulen Helden.
Denn auch wenn McGregor als Liebesobjekt Phillip Morris im Titel vertreten ist, gehören Film und Show hier eindeutig Carrey. McGregors Figur wäre dafür auch viel zu passiv, allerdings spielt er den zarten Phillip ausgesprochen glaubwürdig, mit seligem Dauerlächeln und Flüsterstimmchen. So hat man McGregor in der Tat noch nie gesehen. Und Jim Carrey gibt eine sehr solide Vorstellung ab, seine Grimassen gehen in Ordnung, weil er damit nicht nur das Schwulsein seiner Figur herüberbringt, sondern auch in raren Momenten dessen Verzweiflung und Abgründe.
Die Regisseure und Drehbuchschreiber Glenn Ficarra und John Requa kennen sich mit schwarzem Humor und dem ein oder anderen Tiefschlag unter die Gürtellinie aus, schließlich stammt das unmoralische und bitterböse Drehbuch zu "Bad Santa" von ihnen. Umso erstaunlicher und bemerkenswerter, dass sie sich mit Derbheiten hier weitestgehend zurückhalten, stattdessen neben Carrey-Slapstick dem Film eine konsequent romantische, oftmals gar zärtliche Note verleihen. Daher gehen auch die Sexszenen in Ordnung, vor denen so manch homophober Filmseiten-User hysterisch warnt, die sind nämlich viel weniger lang oder explizit als einen Leute, die von Grund auf keinen Jim Carrey als Schwulen sehen wollen, glauben lassen. "I Love You, Phillip Morris" ist nur halb so kontrovers wie manche Leute behaupten, aber doppelt so gut, mindestens.
Demnach ist dies kein Nischenfilm, sondern sehr wohl für ein breites Publikum geeignet. Deshalb sollte sich auch bitte keiner von einer so unpassenden Schublade wie "Schwulenkomödie" abhalten lassen, denn mit Filmen wie "In & Out" hat "I Love You, Phillip Morris" gar nichts am Hut. Und da man intelligente und dabei auch witzige Komödienunterhaltung, die wirklich mal anders ist, selten zu sehen bekommt: Man sieht sich bei Steven und Phillip im Knast... äh... Kino.
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