Frau Müller muss weg!

Jahr
2015
Laufzeit
85 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 12. Januar 2015

An einem Samstagmorgen versammeln sich fünf Eltern an der Grundschule ihrer Kinder mit einem klaren Ziel: Sie wollen der Klassenlehrerin ihrer Sprösslinge unmissverständlich klar machen, dass die gesamte Elternschaft ihren Rücktritt wünscht. Denn dass die schulischen Leistungen einer ganzen Reihe der Kinder nachgelassen haben und somit ihr baldiger Wechsel aufs Gymnasium akut gefährdet ist, kann in den Augen der Eltern natürlich nur an der inkompetenten Pädagogin liegen, die nicht mehr in der Lage ist, mit dem intelligenten, aufgeweckten und wissbegierigen Nachwuchs angemessen umzugehen. Frau Müller muss weg!Und so sieht sich die ahnungslose Frau Müller (Gabriela Maria Schmeide) einer unerwarteten Frontalattacke gegenüber, die sie allerdings rigoros abwehrt. Denn anders als diese es gerne hätten, können Elternvertreter einer Lehrerin natürlich nicht kündigen, und an den ihr nahegelegten Rücktritt will Frau Müller schon gar nicht denken. Aufgebracht lässt sie die Eltern wieder allein, vergisst jedoch ihre Tasche, so dass die fünf Eltern beschließen, auf die Rückkehr der Lehrerin zu warten, um ihr doch noch Vernunft beizubringen. Was ihnen nun indes genug Zeit gibt, sich miteinander auseinanderzusetzen, und da prallen auf einmal Ressentiments und Egoismen aufeinander, die manch unschöne Eigenheiten und Ansichten zutage fördern. 

Jeder, der schon mal an einem Elternabend teilgenommen hat, selbst als Lehrer arbeitet und/oder jemandem nahesteht, der/die als professioneller Pädagoge permanent mit der sehr subjektiven Sicht betroffener Eltern zu kämpfen hat, wird sich vermutlich denken: Wurde auch höchste Zeit, dass endlich mal so ein Film gemacht wird! Und sie haben Recht. Die Thematik überprotektiver Eltern ist so allgegenwärtig und in den absurden Blüten, die sie tagtäglich treibt, eine solch unerschöpfliche Realsatire an Engstirnigkeit und Ignoranz, dass das Komödien-Gold hier mehr als offensichtlich auf der Straße liegt und es fast schon wundert, dass es erst jetzt endlich jemand aufsammelt. Wobei das "erst jetzt" genau genommen nicht stimmt, denn es ist angesichts des in Ort und Zeit sehr begrenzten Handlungsraums unverkennbar, dass die Wurzeln dieses Films im Theater liegen. Frau Müller muss weg!2010 wurde das gleichnamige Stück von Lutz Hübner uraufgeführt, und schon damals zeichnete für die Inszenierung am Berliner Grips-Theater niemand anders als Sönke Wortmann verantwortlich, der sich denn auch gleich an die Planung einer Filmadaption machte. Die liegt nun vor und erweist sich auch dank einer grandios aufspielenden Besetzung als ein absoluter Volltreffer.

Die Stärke von "Frau Müller muss weg!" liegt vor allem in der Balance, die für die Figurenführung gefunden wird. Die fünf versammelten Eltern sind perfekt austariert zwischen satirischer Überzeichnung typischer Elternklischees und gleichzeitiger realistischer Wahrhaftigkeit, die sie trotz komödienhafter Überhöhung immer noch glaubwürdig erscheinen lassen. Das fabelhafte Ensemble trägt natürlich einen Löwenanteil dazu bei, diesen nicht ganz einfachen Balanceakt zu meistern. Da ist Anke Engelke als herrische Karrierefrau, die grundsätzlich immer genau weiß, wie man etwas angehen muss und sich von vornherein zur Wortführerin der Elternschaft erklärt, denn wenn sie es nicht selber macht, kann es ja nur schief gehen. Ken Duken und Mina Tander geben ein Ehepaar, dass wegen seines neuen Jobs an den Handlungsort (Dresden) gezogen ist, und während er sich fast nur um seine Arbeit kümmert, ist sie als unfreiwillige Hausfrau sehr einsam und mit zuviel freier Zeit versehen, in der sie sich Sorgen um ihren Sohn machen kann. Dasselbe gilt für Justus von Dohnányi, der den Frust seiner Arbeitslosigkeit dadurch zu kompensieren versucht, dass er sich ausgiebig seiner Tochter widmet - und im Zweifelsfall auch ihre Hausaufgaben macht. Die einzige, die halbwegs normal und ausgeglichen erscheint, ist Alwara Höfels, die die alleinerziehende Mutter des Klassenbesten spielt und nur aus Solidarität mit den anderen Eltern hier ist - damit aber auch diejenige ist, die die vermeintlich geschlossene Front als erstes zum bröckeln bringt. Weil sie die ganze Situation mit Frau Müller längst nicht so schlimm findet wie die anderen Erziehungsberechtigten, die am problematischen Verhalten ihres Nachwuchses ganz offensichtlich selbst viel mehr Schuld tragen, als sie in der Lage sind sich einzugestehen. 

Frau Müller muss weg!Genau so, wie es in der Wirklichkeit eben auch ist. Die von außen betrachtet oft unfassbar absurde Ignoranz vieler Eltern, wenn es um die Einsicht ihrer eigenen Schwächen und Mängel als auch die ihrer Kinder geht, wird hier vortrefflich vorgeführt und bloß gestellt und ist so authentisch auf den Punkt gebracht, dass gerade echte Lehrer, die sich mit so etwas alltäglich herumschlagen müssen, sehr viel Gelegenheit zu befreiendem Lachen und Kopfschütteln haben werden: Es ist alles so wahr, wie es lächerlich ist. Sämtliche "Greatest Hits" uneinsichtiger Elternreaktionen sind vertreten, angeführt vom fast schon klassischen Reflex, den Vorwurf einer ADHS-Diagnose fürs eigene Kind mit der Attestierung einer vom Lehrer unentdeckten Hochbegabung zu kontern. Das eigene Kind ist immer das unschuldige Opfer von Fehleinschätzung und mangelnder pädagogischer Sensibilität seitens des Lehrkörpers und/oder den Gemeinheiten der anderen Kinder. Solch ein Urteil ist halt auch viel angenehmer als die Wahrheit, dass die Unzulänglichkeiten der Kinder meist ein Produkt der Fehler und Schwächen der Eltern selbst sind. Denn die Schwächen des eigenen Kindes einzugestehen würde dann halt auch bedeuten, die eigenen Fehler zu akzeptieren, und da wählt man doch lieber den einfachen Weg, die Wurzel des Problems bei jemand anderem zu sehen. Nämlich der unfähigen Lehrerin. 

Frau Müller muss weg!Diesen so offensichtlichen wie immer und immer wieder verdrängten psychologischen Mechanismus von Eltern entlarvt "Frau Müller muss weg!" ein ums andere Mal mit grandioser Präzision und entwickelt dabei aus der Dynamik der Situation und mit nahezu perfektem Timing reihenweise großartige Lacherfolge. Gewisse Vergleiche mit Roman Polanskis "Der Gott des Gemetzels" darf man hier durchaus ziehen angesichts der Gewissenhaftigkeit, mit der die Situation nach und nach eskaliert und so eine mühsam aufrechterhaltene, korrekt-bürgerliche Fassade zum Einsturz gebracht wird. Dann kommen die wahren Identitäten der Figuren zum Vorschein, die allesamt viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind, um die nötige Empathie für eine sachliche und halbwegs objektive Betrachtung der Sachlage aufbringen zu können. Die einzigen Zuschauer, die das alles womöglich überhaupt nicht lustig finden, können eigentlich nur zur Selbstironie unfähige Helikopter-Eltern eben der Sorte sein, wie sie hier vorgeführt wird. Allen anderen ist garantiert, dass sie sich hier köstlich amüsieren werden.

Sönke Wortmann gelingt mit "Frau Müller muss weg!" ein hervorragend auf den Punkt inszeniertes Komödien-Kammerspiel, das nicht ein Gramm überflüssiges filmisches Fett an sich hat. Das einzige echte Manko kommt ausgerechnet zum Schluss, wenn der Film mit einem kurzen Epilog aufwartet, in dem man die Kinder, über die die ganze Zeit nur geredet wurde, dann doch noch kurz zu Gesicht bekommt, inklusive eines kurzen Ausblicks, was später aus ihnen wurde. Dieser Abschluss ist nicht nur unnötig, sondern auch ein kleines bisschen ärgerlich, weil er in gewisser Weise mit dem Stil und der geschlossenen Form des ganzen Films bricht, um zum Ende noch ein paar allzu einfache Gags mitzunehmen, die noch nicht mal sonderlich einfallsreich sind, um wirklich zu zünden. Die letzten zwei Minuten hätte man sich also wirklich sparen können. Aber abgesehen davon ist "Frau Müller muss weg!" definitiv der erste mehr als erfreuliche deutsche Beitrag zum Kinojahr 2015.

Bilder: Copyright

3
3/10

Kann man sich antun. Muss man aber nicht.
Wir haben den Film zu zweit geguckt und beschlossen das er nur 3 Sterne bekommt.
Zu langeweilig und nicht lustig.

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