Feindliche Übernahme - althan.com

Originaltitel
Feindliche Übernahme
Jahr
2000
Laufzeit
100 min
Genre
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Frank-Michael Helmke / 3. Januar 2011

Die deutsche Produktionsabteilung der Columbia-Tristar gehört zu den erfolgreichsten Start-ups des letzten Jahres. Ihr erstes Projekt „Anatomie“ avancierte vom Fleck weg zur erfolgreichsten inländischen Produktion des Jahres, mit immerhin zwei Millionen Zuschauern. Solch Erfolg macht mutig, und so kommt fast auf den Tag genau ein Jahr später der zweite Streich daher, wieder dem Rezept „Amerikanische Filme auf deutschem Boden“ folgend. Nachdem letztes Jahr der Teenie-Slasher dran war, versucht man es dieses Mal mit einem Hightech-Thriller. Und wieder stellt sich das maue Gefühl ein, daß längst Durchgekautes eher mittelmäßig abgekupfert wird.
Daß die Produzenten des Films Deutschland eigentlich furchtbar uncool finden, merkt man schon am Setting: Weil keine teutonische Großstadt so richtig schön amerikanisch aussieht, erfindet man einfach eine neue. So fliegen Hubschrauberpatrouillen um das Wolkenkratzer-Hauptquartier der Althan AG, eingebettet in eine richtig coole Skyline-Metropole, in der alle Autos Kennzeichen mit dem Buchstaben „O“ tragen (was es nicht gibt). Da stolpern die Charaktere durch Sets, die genau so artifiziell sind, wie sie aussehen, und somit dem Film direkt das nehmen, was er gerne hätte: Realitätsnähe. Protagonist des Ganzen ist der Sicherheitschef der Althan AG, Robert Fernau. Der wird am Vorabend einer bahnbrechenden Präsentation des Energieriesen, welcher mit umweltfreundlichen Kraftwerken rund um die Welt Strom für eine Million Menschen erzeugen will, fristlos entlassen, weil eine Gruppe dilettantischer rechtsradikaler Terroristen (so etwas gibt es auch nur im Film) in das angeblich einbruchssichere Gebäude eingedrungen sind und im Computerraum etwas Sprühfarbe verteilten. Wie sich heraus stellt, war das aber nur ein geschicktes Ablenkungsmanöver, um den cleveren Fernau aus dem Weg zu kriegen und ihn leichter erpressbar zu machen. Tatsächlich wird Fernau am Abend zusammen mit der neuen Publicitychefin Laura Schumann von den Terroristen entführt, die sein Know-how benötigen, um ins Gebäude zu gelangen und den Hauptcomputer zu sabotieren, auf das die Kraftwerke am nächsten Tag in die Luft fliegen. Während Fernau nun mit zwei der üblen Gesellen die Fassade des Althan-Gebäudes erklimmt, um den einzigen nicht alarmgesicherten Einstieg im 42. Stockwerk zu erreichen, setzt sein väterlicher Freund Willi Konrad alles daran, die Geiseln zu befreien. Denn ihn verbinden alte Bande mit den wahren Hintermännern des Überfalls, die ganz andere Interessen verfolgen, als ihre springerbestiefelten Handlanger.

Wenn „Anatomie“ sich schon heftig bei den Vorbildern aus der neuen Welt bedient hat, so ist „Feindliche Übernahme“ der endgültige Abgesang auf eigenständige Wurzeln. Der nicht-reale Handlungsort ist da nur das offensichtlichste Indiz. Ohne jegliches Kreativpotential spielt der Film mit grausam abgestandenen Versatzstücken des Genres. Von der oberflächlich eiskalten Business-Frau, die sich in der Gefahrensituation als dankbare „Rette mich“-Puppe mit gefühlvollen Blicken erweist, über eine ganze Wagenladung Klischee-Oneliner hin zu aus Filmen wie „Broken Arrow“ längst verdauten Pseudo-Weisheiten über Kampfgeist und Durchsetzungsvermögen. Dies alles langweilt streckenweise kolossal und unterstreicht mit dickem Stift den Auftragsarbeits-Charakter des Drehbuchs, in dem nicht ein Tropfen Herzblut steckt. Geschweige denn, daß überhaupt mal drüber nachgedacht wurde. Die Vorstellung rechtsradikaler Terroristen ist ohnehin schon reichlich abwegig (verfolgen diese Gruppen ihre Ziele doch für gewöhnlich mit anderen Methoden), diese dem Klischee entsprechend dann auch noch als strohdumm darzustellen ist der Geschichte in keinster Weise behilflich. Der gesamte „ausgefeilte“ Plan der Hintermänner erweist sich im Laufe des Films als löchrig wie ein Schweizer Käse, bei dem völlig amateurhaften Verhalten aller Beteiligten ist es nur den nicht weniger dämlichen „Guten“ zu verdanken, daß es die Handlung überhaupt bis zu einem dünnen Showdown schafft.
Als wäre er sich dem wenig packenden Gehalt seines Plots bewußt, setzt Regisseur Schenkel alles daran, mit viel visuellem Aufwand dem Ganzen wenigstens optisch Schwung zu verleihen. Das Resultat ist eine überzogene Inszenierung, die den Eindruck vermittelt, der Regisseur hätte sich zur Inspiration zwanzig Mal „M:I-2“ angesehen. Ohne wirklich dahinter zu kommen, was John Woo so viel besser macht, um seinen Film noch so gerade vor der Mittelmäßigkeit zu bewahren. Andererseits fügt sich Schenkel perfekt ins Prinzip „Tun wir mal so, als wären wir amerikanisch“ ein: 1984 zu plötzlichem Ruhm aufgestiegen durch seinen grandiosen Fahrstuhl-Thriller „Abwärts“, verdingt er sich seitdem als Initiator halbwegs passabler B-Filme in den Staaten.
Was „Feindliche Übernahme“ aber tatsächlich an der Kinokasse, auch trotz aufwendiger Werbekampagne, scheitern lassen könnte, ist die Besetzungsliste, die sich liest wie ein „Return to the 80s“-Revival. Da spielt Thomas Kretschmann, bekannt geworden Ende 80er/Anfang 90er und seitdem wenig auffälliger Haupt- und Nebendarsteller zahlreicher TV-Produktionen (und letztes Jahr der Klischee-Deutsche im U-Boot-Abenteuer „U-571“), neben Désirée Nosbusch. Die war in den 80ern mal das, was Jasmin Gerat heute ist: Wirklich nett anzusehen und ... ähh ... ja, das war’s eigentlich schon. Eine relativ talentfreie Zone, an der man sich schnell satt gesehen hat. Wer auch immer auf die Idee gekommen ist, sie nach zehn Jahren wieder aus der Versenkung der Moderation von Industrie-Events zu holen, hat ihr zwar einen großen Gefallen getan, den „Brandheiße Namen“-Faktor des Projekts aber fast auf Null reduziert. Nosbusch sieht vielleicht besser aus als Franka Potente. Aber die ist wesentlich mehr Leuten bekannt als den Stammzuschauern von RTL anno 1987.

„Feindliche Übernahme“ ist mit hohem Aufwand produziert und trotz seines löchrigen Skripts und der hyperventilierenden Inszenierung immer noch problemlos konsumierbar. Dennoch wünsche ich dem Film von ganzen Herzen eine Bauchlandung an der Kinokasse. Denn es kann einfach nicht sein, daß alle größeren deutschen Produktionen auf Teufel komm raus so aussehen wollen, als kämen sie aus Hollywood. Ganz abgesehen von dem Innovationsstop, den das zwangsläufig mit sich bringt, wird das auch dazu führen, daß sich bald keiner mehr über die mangelnde Qualität des deutschen Films beschweren wird. Den wird es dann nämlich nicht mehr geben.


10
10/10

Hallo!

Ja, das ist mal einer der besseren Filme aus deutscher Produktion, trotz anders lautender Kritiken!
Deshalb ist es noch bedauernswerter, daß er nicht auf einem Träger abspielbar verkauft werden soll!

Ich habe den Film sowohl im Kino, als auch im Fernsehen gesehen! Aber im TV lief eine gekürzte Version, wenn ich mich recht erinnere.

Schade, aber von meiner Warte aus leider nicht zu ändern.

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