In knapp 9.000 Metern Höhe wartet der Tod. Das ist kein überraschender Befund und man verrät sicher nicht zu viel, wenn man vorwegnimmt, dass nicht allen Protagonisten des Bergsteiger-Dramas „Everest“ die Rückkehr vom höchsten Berg der Erde gelingen wird. Zumal der Film auf einer wahren Geschichte beruht.
Die Tragödien am Mount Everest sind zahlreich. Seit 1922 haben mehr als 250 Menschen in eisigen Höhen ihr Leben verloren. Doch das „Unglück am Mount Everest“ im Jahr 1996 nimmt einen besonderen Stellenwert in der Geschichte ein. Mehr als 30 Personen gerieten damals bei ihrer Rückkehr vom Gipfel in einen Schneesturm, darunter die beiden erfahrenen Bergführer Rob Hall (Jason Clarke) und Scott Fischer (Jake Gyllenhaal) sowie der Journalist Jon Krakauer (Michael Kelly), der auch durch die Reportage „Into the Wild“ bekannt wurde. Acht Menschen starben beim Versuch, ins Basislager zurückzukehren – so viele wie niemals zuvor an einem einzigen Tag.
Im Laufe der ersten Filmstunde mehren sich bereits die Anzeichen dafür, dass es zu Komplikationen kommen könnte. Mehrere Kletterer schleppen offenbar nicht nur schweres Gepäck, sondern auch verschiedene Krankheiten mit sich herum, oder sind aufgrund mangelnder Erfahrung nicht dafür geeignet, eine solche Expedition in Angriff zu nehmen. Das Basislager ist prall gefüllt mit Menschen – es herrscht ein regelrechter Konkurrenzkampf unter den kommerziellen Anbietern solcher „Ausflüge“. Später wird es deswegen immer wieder zu verhängnisvollen Staus kommen.
Die Drehbuchautoren William Nicholson („Gladiator“) und Simon Beaufoy („127 Hours“) sowie Regisseur Baltasar Kormákur bauen diese Hinweise immer mal wieder in ihre Beschreibung von Charakteren, Gruppendynamiken und Abläufen ein. Trotz der immensen Menge an Figuren gelingt es ihnen, allen ein Gesicht zu geben und darzustellen, wie sie sich für dieses Abenteuer motivieren. Hilfreich ist dabei, dass jene Gesichter vielen bekannten Darstellern gehören. Neben Clarke und Gyllenhaal sind das etwa noch Josh Brolin, Sam Worthington, Emily Watson und John Hawkes. Die Dialoge sind nicht sonderlich tiefgründig, reichen aber aus, um Sympathie mit den Handelnden zu erzeugen. Eine Leistung, aus der die Filmemacher später leider zu wenig Profit ziehen.
Etwas überflüssig erscheinen zunächst die Auftritte von Keira Knightley und Robin Wright als Frauen der Charaktere von Clarke und Brolin. Die eine bleibt daheim mit zwei Kindern zurück, die andere erwartet gerade eines. Auf den ersten Blick wirkt es so, als sollten diese Charaktere den späteren Ereignissen einen noch tragischeren Hintergrund verschaffen – als wäre der nackte Kampf ums Überleben am Mount Everest nicht schon dramatisch genug. Tatsächlich werden die beiden Frauen in zwei Schlüsselszenen noch eine wichtige Rolle spielen. Es sind glücklicherweise nur diese beiden Figuren, denen „Everest“ abseits des Geschehens am Berg Zeit widmet.
So interessant es ist, bei den Vorbereitungen und Absprachen für den Aufstieg zum Gipfel zuzuschauen – am Besten ist der Film dann dennoch, wenn es fernab jeglicher Aussicht auf Rettung zur Sache geht. Wenn der eisige Wind stürmt; wenn liebgewonnene Charaktere einfach brutal von der Bildfläche gefegt werden; wenn die Kamera unterstützt von sinnvollem 3D in den tiefen Abgrund schaut.
Leider beschränkt sich das Chaos nicht nur auf das Geschehen am Ort, sondern überträgt sich auch auf das Handwerk der Filmemacher. Diese bekommen ihre umfangreiche Ansammlung an Figuren nicht mehr zu fassen und springen zunehmend beliebig von einem Schauplatz zum anderen. Teilweise fällt es schwer, noch nachzuvollziehen, wer sich eigentlich gerade in welcher konkreten Gefahr befindet und welche Möglichkeiten es gibt, daraus befreit zu werden. Diese Unordnung mag sicherlich auch ein wenig die Gefühlslage der Charaktere einfangen wollen – doch scheinen diese eben viel besser über ihre eigene Situation im Bilde als dies bei den Zuschauern der Fall ist. Auf Dauer wird deshalb selbst der eindrucksvoll bebilderte Schneesturm ein bisschen langweilig.
Am Ende fehlt dem Film eine klare Dramaturgie. Viel mehr als „Leute klettern auf den Mount Everest, einige sterben“ scheint er nicht abbilden zu wollen. Den Inhalt dermaßen zu reduzieren, mag bei einem solch existenziellen Szenario grundsätzlich Sinn machen – in diesem Fall passt es aber nicht zu der ausführlichen Exposition über mehr als die Hälfte der Spieldauer. Es könnte auch der Notwendigkeit beziehungsweise dem Wunsch geschuldet sein, sich an die historischen Fakten zu halten. Falls es sich so, wie es in „Everest“ dargestellt wird, tatsächlich abgespielt haben sollte, dann setzt dies einer filmischen Dramaturgie eben gewisse Grenzen.
Insofern ist dieses Drama trotz eines etwas enttäuschenden letzten Akts durchaus sehenswert. Zumal es eben nicht nur als Film, sondern auch als Denkmal, wenn nicht gar als Mahnmal funktioniert. Schließlich haben einige der Umstände, die zu der Tragödie im Jahre 1996 geführt haben, anschließend Diskussionen über die kommerzielle Besteigung des Mount Everest ausgelöst.
Originaltitel
Everest
Land
Jahr
2014
Laufzeit
122 min
Regie
Release Date
Bewertung
Bilder: Copyright
Universal Pictures
Neuen Kommentar hinzufügen