Drei süße Mädels

MOH (68): 9. Oscars 1937 – "Drei süße Mädels"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 13. August 2024

In der letzten Folge hatten wir uns beim Oscar-nominierten “Flucht aus Paris“ ja über die unpassende deutsche Übersetzung des Originalfilmtitels (“A Tale of Two Cities“) beschwert. Da könnte man im heutigen Fall direkt anknüpfen, schließlich nimmt der englisch Originaltitel “Three smart girls“ seine Protagonisten deutlich ernster. So sexistisch die deutsche “Übersetzung“ aber auch ist, wirklich smart kommen unsere Hauptfiguren und ihr Film am Ende jetzt nicht wirklich daher.

Drei süße Mädels

Originaltitel
Three Smart Girls
Land
Jahr
1936
Laufzeit
84 min
Regie
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
6
6/10

Normalerweise wäre ein so belangloses Filmchen wie “Drei süße Mädels“ nur eine kleine Fussnote in der langen Geschichte des Kinos. Die zwar schon irgendwie niedliche aber jetzt nicht wirklich einfallsreiche Komödie darf sich aber rühmen, mitverantwortlich für die Rettung eines kompletten Filmstudios zu sein. Grund dafür ist der Stern der jungen Deanna Durbin, der mit dem Film aufging und Universal Pictures in den Folgejahren vor der drohenden Pleite bewahrte. Für das moderne Publikum ist der immense Erfolg von “Drei süße Mädels“ an der damaligen Kinokasse allerdings schwerer nachvollziehbar, weil das schon damals etwas überstrapazierte Untergenre der Verwechslungskomödie heute noch eine Spur ausgelutschter wirkt.

Bei unseren drei “süßen“ Mädels handelt es sich um Joan (Nan Grey), Kay (Barbara Read) und Penny (Deanna Durbin), die gemeinsam mit ihrer Mutter Dorothy (Nella Walker) romantisch gelegen in einem Häuschen in den Schweizer Bergen leben. Mit der Leichtigkeit ist es aber vorbei, als die Kinder von der anstehenden Wiederheirat ihres Vaters Judson (Charles Winninger) erfahren. Der lebt fast seit zehn Jahren von der Familie getrennt in den USA und hat dort nun in Form der attraktiven Donna (Binnie Barnes, “Das Privatleben Heinrichs des VIII.“) eine neue Liebe für sich entdeckt. Die Nachricht der anstehenden Hochzeit bricht Dorothy so das Herz, dass ihre drei Kinder sich zum Handeln gezwungen sehen. Und so entscheiden sich die drei Mädels für einen spontanen Trip nach New York, um dort ihrem Vater klarzumachen, dass dieser seine einzig wahre Liebe doch schon vor vielen Jahren gefunden hat.
 


Zugegeben, die Idee rund um die “Rückeroberung“ des eigenen Vaters hat schon seinen Charme. Auch der Beginn des Filmes ist durchaus nett geraten, wobei die drei namensgebenden Damen dem Film schon eine gewisse Hektik verleihen, die hier und da auch ein wenig zu viel des Guten ist. Glücklicherweise werden aber immer wieder genug charmante und durchaus humorvolle Momente eingestreut, die unsere manchmal sehr aufgedreht wirkenden Protagonisten etwas zur Ruhe bringen.  Nicht jeder Gag sitzt zwar und manchmal wirkt der Humor, auch in Sachen schauspielerischer Darbietung, etwas zu erzwungen. Aber insgesamt ist das Setup durchaus kurzweilig geraten und auch die Ankunft der Mädels in New York ganz sympathisch umgesetzt.

Für den Kern der Handlung verlässt man sich dann aber wieder auf den guten alten Trick der humorvollen Verwechslung, deren Irren und Wirrungen natürlich jede Menge (einfaches) Potential für Humor bieten. Das haben wir in dieser Form in unserer Oscar-Reihe schon öfters gesehen – gerade die Filme von Fred Astaire (“Scheidung auf amerikanisch“, “Ich tanz' mich in dein Herz hinein“) zogen ihren Witz eigentlich ausschließlich aus solchen Szenarien. Im Fall von “Drei süße Mädels“ wird es diese Storymechanik ebenfalls dazu genutzt ein paar männliche Nebendarsteller einzuführen – schließlich sollen ja auch die jungen Damen auf ihrer Mission nebenbei ihre große Liebe finden.   
 


So richtig clever geschrieben ist das alles jetzt nicht, dafür aber ziemlich vorhersehbar. Man hat hier schon das Gefühl, dass es sich die Macher doch sehr einfach machen und jetzt nicht gerade die kreative Extrameile für das Publikum gehen möchten. Ähnlich verhält es sich auch mit den nicht gerade elegant eingestreuten Gesangseinlagen von Deanna Durbin. Die galt damals mit ihren 14 Jahren als aufstrebender Kinderstar und hatte gemeinsam mit Judy Garland (dem anderen kurz vor dem Durchbruch stehenden Kinderstar) gerade in einem Kurzfilm vor allem mit ihrem Sopran-Gesang auf sich aufmerksam gemacht. Da Garland vom Studio MGM nicht für den Film freigegeben wurde viel die Wahl der Produzenten auf Durbin, deren Sangeskünste natürlich irgendwie in den Film integriert werden mussten. Und genauso konstruiert wie das klingt wirkt es im Film auch – mal ganz abgesehen davon, dass heutige Generationen mit dem Operngesang vermutlich eher weniger anfangen können.

Glücklicherweise nimmt der Gesang von Durbin dann aber auch nicht zu viel Raum ein. Und auch wenn diese Einlagen immer wieder die Geschichte ausbremsen, kommt dann doch meist bald ein ordentlicher Gag daher, um einen wieder etwas versöhnlicher zu stimmen. Obendrauf packt der Film auch noch eine kleine Dosis sympathischem Frank-Capra-Flair (“Lady für einen Tag“, “Es geschah in einer Nacht“). Dessen Vorliebe für unerschütterlichen Optimismus hält auch hier Einzug, wenn selbst in einer Metropole wie New York die Polizei anscheinend nichts besseres zu tun hat, als Penny bei ihren Familienproblemen zu unterstützen. All das ist jetzt nicht meisterhaft umgesetzt aber immer noch genug um diese relativ formelhafte Angelegenheit zwar nicht begeisternd aber zumindest halbwegs kurzweilig wirken zu lassen.
 


Ähnlich verhält es sich mit der Inszenierung und den Schauspielleistungen, die ordentlich sind aber auch nicht wirklich aufhorchen lassen. Der kommende Superstar Durbin sticht dabei eigentlich nur durch ihr junges Alter und die Gesangseinlagen hervor. Regisseur Henry Koster wiederum, einst in Berlin geboren und als Jude (wie so viele) in den 1930ern in die USA emigriert, ist heute eher für seine zahlreichen Kollaborationen mit James Stewart (zum Beispiel beim Klassiker “Mein Freund Harvey“) bekannt. “Drei süße Mädels“ ist dagegen deutlich vom Klassikerstatus entfernt und ein Film, der schon irgendwie ok ist, über den es sich aber einfach nicht lohnt jetzt noch viel mehr Worte zu verlieren.

Man muss die Nominierung für den besten Film bei den Academy Awards 1937 dann wohl auch eher als Würdigung für dessen Erfolg beim Publikum betrachten. Die Kinokasse klingelte hier so ordentlich, dass Universal noch zwei weitere Fortsetzungen und weitere Filme mit Durbin auf den Markt brachte. Für das angeschlagene Studio bedeutete deren Erfolg die finanzielle Rettung und so mag der Film zwar künstlerisch vernachlässigbar aber in der Filmgeschichte eben doch nicht ganz so unbedeutend sein. Das Bedürfnis nun direkt die beiden Fortsetzungen anzuschauen hat “Drei süße Mädels“ trotz manch charmanter Momente bei mir jetzt auf jeden Fall nicht ausgelöst – aber so ein bisschen Standardkost zum Durchschnaufen ist ja auch mal in Ordnung.

"Drei süße Mädels" ist aktuell als DVD-Import auf Amazon in Deutschland verfügbar.

 


Judy Garland und Deanna Durbin in einem Ausschnitt aus dem Kurzfilm "Every Sunday" (Durbin kommt am Ende hinzu).

 


Trailer zu "Drei süße Mädels"


Ausblick
In der nächsten Folge erwartet uns wohl die berühmteste und tragischste Liebe der Literaturgeschichte - inklusive ein paar alten Bekannten aus Hollywood.

Bilder: Copyright

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