"Die junge Frau und das Meer" erzählt die Geschichte von Trudy Ederle, in New York geborene Tochter deutscher Einwanderer, die im Jahr 1926 als erste Frau den Ärmelkanal durchschwamm und dadurch zu einer Ikone des Frauensports wurde. In typischer Biopic-Manier wird hier "basierend auf wahren Begebenheiten" natürlich so einiges verdichtet, variiert und dramatisiert. Trotzdem ist man in Sachen Faktentreue hier noch ziemlich nahe an der Wirklichkeit, vor allem im Vergleich mit Neflix' kürzlicher Fabulierstunde in der "Steffi & Andre Story". Kombiniert mit einer routinierten und sicheren Umsetzung in klassischer "Historisches Drama"-Art alter Schule ist der Film weit davon entfernt, seinem Genre irgendetwas Neues abzugewinnen, ist aber dennoch ein einnehmender Vertreter seiner Gattung, der vor allem von einem charismatischen Cast lebt.
Dieser wird angeführt von Daisy Ridley, weltbekannt als die Heldin der jüngsten "Star Wars"-Trilogie, die nun jenseits der weit, weit entfernten Galaxis ihr Filmkarriere in deutlich irdischeren Gefilden fortsetzen will - und hier als Trudy Ederle eine sehr überzeugende Vorstellung abgibt. Das größte Hindernis, das Ridley alias Trudy für ihren großen Traum einer Schwimmkarriere dabei überwinden muss, ist das dominante Patriarchat. Dieses "Mutige junge Frau muss sich gegen Vorurteile und Widerstände einer Männerwelt durchsetzen"-Schema ist zwar wahrlich nichts Neues mehr, wird hier aber dennoch - auch angesichts der Handlungszeit in den 1920er Jahren - glaubwürdig vorgetragen und wechselt oft genug seine Erzählfarbe zwischen komisch-absurd (beim ersten offiziellen Wettkampf von Trudys Schwimmverein stellen die männlichen Veranstalter vorsichtshalber ein paar Rettungsschwimmer bereit, falls die jungen Damen untergehen sollten) und tragisch-erzürnend, um sich nicht in Eintönigkeit zu verlieren. Dieser erste Teil des Films, in dem Trudy mit ihrem Kampfgeist und gemeinsam mit ihrer älteren Schwester die Begeisterung fürs Schwimmen entdeckt und die beiden sich dann viel und oft vergeblich gegen die Misogynie und ignorante Überheblichkeit der alles bestimmenden Männer aufzulehnen versuchen, ist dann tatsächlich auch der stärkste und emotional packendste des Films.
Wenn es dann über den Atlantik geht und der Film Trudys historische Ärmelkanal-Durchquerung dokumentiert, stößt "Die junge Frau und das Meer" fast zwangsläufig auf dramaturgische Schwierigkeiten. Ein 15 Stunden langer Schwimm-Marathon bietet naturgemäß wenig Potenzial für dramatische Zuspitzungen, und hier fehlt einfach die Chance auf einen alles entscheidenden, singulären Höhepunkt, wie ihn viele andere Sportfilme nutzen und melken können. Trotzdem bemüht sich der Film, aus seinem Finish die größtmögliche Menge an Spannung und Emotion rauszuholen. Aber seine Möglichkeiten sind halt begrenzt.
Am Ende steht eine effektiv erzählte Geschichte, die ihrer Protagonistin ein Denkmal setzen möchte, und darum auch gar nicht nach nennenswerten Tiefen in ihrem Charakter sucht. Angesichts von Trudy Ederles Lebensleistung ist das auch durchaus angebracht. Über ein Porträt ihres unermüdlichen und nicht klein zu kriegenden Kampfgeistes geht es aber halt auch nicht hinaus. "Die junge Frau und das Meer" ist ein inspirierender Wohlfühl-Film und will auch genau das sein. Ein bisschen glatt, aber auch wirklich hübsch anzusehen. Typisch Disney eben.
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