Zwei Jahre sind seit den Ereignissen aus der "Bourne Identität" vergangen. Kurze Rückblende: Der ehemalige CIA-Killer Jason Bourne (Matt Damon), der sich nach einem missglückten Attentatsversuch seiner Auftraggeber weder an sein gewalttätiges Vorleben noch seine Fähigkeiten - seien es im Kampfsport oder beim Sprechen von einem halben Dutzend Sprachen - erinnern konnte, entledigte sich am Ende des Filmes seiner Häscher und entschied sich für eine Zukunft mit der auf der Flucht kennen gelernten Marie (Franka Potente). Und von da geht's rasant weiter zum Anfang der "Bourne Verschwörung". Bourne und Marie leben immer noch im Untergrund, und zwar auf der anderen Seite der Welt, in Indien. Doch mit der Idylle ist es vorbei, als ein Fremder (Karl Urban) auftaucht, der wie Bourne und Marie nicht so recht hierher passt. Die alten Instinkte nach wie vor geschärft, wähnt der Ex-CIA-Killer korrekt, dass man ihm wieder auf den Fersen ist. Zeitgleich beginnt sich nach einer fehlgeschlagenen Mission in Berlin, die zwei ihrer Mitarbeiter das Leben kostete, die CIA-Abteilungsleiterin Pamela Landy (Joan Allen) für die Personalie Jason Bourne zu interessieren, denn Bournes Fingerabdrücke befinden sich am Tatort. Am anderen Ende der Welt macht sich Bourne derweil bereit zum Gegenschlag: Warnte er am Ende des ersten Streifens, man solle ihn nicht zwingen, zurückzukommen, so ist dies nun effektiv geschehen. Vielleicht hätten sie ihn besser in Ruhe gelassen....
Vor drei Jahren brachte Doug Limans rasanter Agententhriller "Die Bourne Identität" neuen Wind ins schon reichlich angestaubte Genre und sorgte mit Matt Damon als Titelheld Jason Bourne für einen recht ungewöhnlichen Helden. Dem guten Einspielergebnis im Kino folgte ein Siegeszug auf DVD und Video, so dass der Dauerbrenner am Ende des Jahres der meistausgeliehene Titel überhaupt war. Mehr als genug Gründe also, um sich an eine Fortsetzung zu machen. Die ist mit der "Bourne Verschwörung" nun da und wir bringen gleich frohe Kunde: Dies ist wie sein Vorgänger ausnahmsweise mal das, als was die Macher ihn bewerben: A thinking man's action film, bei dem neben den obligaten Verfolgungsjagden und Faustkämpfen auch das Gehirn gefordert wird. Noch viel schöner: es ist eine Fortsetzung, die dem Original mindestens ebenbürtig ist.
Ein warnendes Wort sei trotzdem gesagt: Dieser Film versteht sich in der Tat als Fortsetzung und nicht als neues Kapitel einer Franchise. Daher sollte man vor Besuch dieses Filmes "Die Bourne Identität" schon gesehen haben, ansonsten wird man sich hier vielleicht etwas verloren vorkommen. Große Erklärungen oder Rückblenden auf Ereignisse aus dem ersten Teil gibt es nämlich nicht. Und wer den verpasst hat, wird so auch die Relevanz von im ersten Teil eingeführten Figuren wie Ward Abott (der wie immer großartige Brian Cox) und Büro-Assistentin Nicky (Julia Stiles, immer noch auf der Suche nach mehr Leinwandzeit) nicht kennen. Daher im Ernstfall vorher noch schnell bei der Videothek des Vertrauens vorbeigucken. Die gute Nachricht: Wem damals ein wenig sauer aufstieß, dass nur ein Teil der Bösewichter seine Strafe bekam, der kann sich freuen, dass Bourne noch nicht am Ende ist mit den ‚Aufräumarbeiten'.
Was diesen Film noch besser macht als seinen Vorgänger, ist die Tatsache, dass er noch mehr überraschen kann als der ohnehin erfrischende Erstling, da er deutlich weniger bekannten Storykonventionen folgt (es sei da nur kurz das Thema love interest genannt), in denen sich der Erstling gerade im Verlauf doch mehr und mehr verfing. Allerdings wird dies nicht jedem gefallen. Dadurch, dass der Film auf ein klassisches Drei-Akt-Schema und einen Oberbösewicht verzichtet, kommt einem dieser Film sehr "klein" vor, eben eher wie ein Teil einer fortlaufenden (Spielfilm-)Serie als wie ein für sich stehendes Filmereignis. Je nach dem, ob einem dies gefällt, wird man auch "Die Bourne Verschwörung" mögen oder sich eben doch die etwas bekannteren und damit auch bequemeren Strukturen des ersten Films zurückwünschen.
Erfreuliche Dinge, die dagegen aus der "Bourne Identität" übernommen wurden: Die Tatsache, dass wiederum fast sämtliche Action in Europa (und noch dazu in Deutschland, es ist also fast ein "Heimatfilm") spielt, was immer noch eine schöne Abwechslung ist. Denn mal ehrlich, wie viele Verfolgungsjagden durch L.A. oder New York will man noch sehen? Und - wie auch im Erstling - wird alles wieder in einem sehr zurückgenommenen, monochrom fotografierten Stil präsentiert. Exzesse gibt's hier nicht (einzige Ausnahme: die bisweilen etwas übertriebene Vorliebe für die Handkamera und schnelle Schnitte) und das ist angesichts zu vieler mit hirnloser CGI aufgeblasener Möchtegern-Blockbuster eine richtige Wohltat. Dies ist immer noch Popcornunterhaltung, aber intelligente, stil- und gehaltvolle.
Was die Bourne-Reihe so besonders macht, ist der Realitätsanspruch der Serie und ihres Helden. Während der fast lachhaft anachronistische James Bond in immer alberneren Filmen antritt, zeigt Jason Bourne, wie das Agentenleben wohl eher aussieht. Enorm trickreich, wenn notwendig brutal, aber immer wenig glamourös schlägt sich Bourne seinen Weg durch die Intrigen um ihn herum. Bestes Beispiel dabei auch: Die Kampfszenen oder die finale Auto-Verfolgungsjagd. Nichts davon hat etwas graziöses, etwas flamboyantes. Beides wird schnell, dreckig und so die Sinne attackierend dargestellt, wie es vermutlich auch im wirklichen Leben ablaufen würde. Allerdings: Bei der Verfolgungsjagd ist dies aufgrund von schnellen Schnitten und extrem wackliger Kamera gar ein wenig (zu) anstrengend und Regisseur Paul Greengrass' Vorliebe für beides etwas fehlgeleitet. Was also der Actionhöhepunkt des Filmes sein sollte, wird durch die hier überzogene Präsentationsform unnötig abgeschwächt. Dennoch, über große Strecken funktioniert die "Nah dran am Chaos"-Taktik des Regisseurs. Überzeugend hier vor allem der Kampf zwischen Bourne und einem ehemaligen Kollegen in München. Dieser Kampf hat nichts Überzogenes an sich, es geht hier nur darum, wie zwei darauf trainierte Männer versuchen, dem Gegenüber möglichst schnell und effizient zu töten. Da wird gewürgt, gekratzt, geröchelt, gemeuchelt. Nicht schön, aber wahrhaftig.
Wahrhaftig kann man auch Matt Damons Spiel in der Hauptrolle nennen. War der grundsätzliche Schachzug, ihn völlig gegen den Strich zu besetzen schon genial, so scheint Damon mit dem zweiten Teil so richtig Schritt zu fassen. Noch glaubwürdiger ist sein Porträt des Killers, der nur überleben will und nicht vergessen kann, was er nur bruchstückhaft ahnt. Das Milchgesichtige in Damons Zügen wird zur befremdlichen, aber perfekten Tarnung für die Kampmaschine, die in jedem Moment anspringen könnte. Man bedenke die Szene in der italienischen Polizeiwache. In einem Moment wirkt Bourne wie ein Autist, Sekunden später hat er mit bloßen Händen zwei bewaffnete Polizisten außer Gefecht gesetzt.
Und so findet Robert Ludlums Romanreihe eine würdige Entsprechung auf der Leinwand, die sich in der Tat als aufeinanderaufbauende Serie versteht und nicht als reine Geldmacherei mit einem Markennamen. Auch wenn es immer schwieriger werden dürfte, immer neue und dabei noch glaubwürdige brenzlige Situationen zu entwickeln, in die der Herr Bourne gerät: Auf ein drittes Wiedersehen freuen wir uns bei der bisher gezeigten Qualität der Serie schon jetzt. Mach's noch einmal, Jason!
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