Der lange Weg nach Cardiff

MOH (105): 13. Oscars 1941 - "Der lange Weg nach Cardiff"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 29. April 2025

Die 13. Academy Awards wurden am 27. Februar 1941 im Los Angeles Biltmore Hotel verliehen. Nachdem die L.A. Times im Vorjahr die Sieger im Vorfeld ausgeplaudert hatte, wollte man in diesem Jahr auf Nummer sicher gehen – die Umschläge waren ab sofort versiegelt und bis zur Vergabe in Obhut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers. Einen Job, den diese bis zur großen Panne im Jahr 2017 (ein falsch ausgehändigter Umschlag sorgte ausgerechnet in der Kategorie "Bester Film" für ein hollywoodwürdiges Drama) gewissenhaft ausführte.

Eine weitere wichtige Neuheit war die Einführung der Kategorie "Bestes Originaldrehbuch". Das wirkt heute etwas verwirrend, da es damals weiterhin nicht nur die Kategorie "Bestes Drehbuch", sondern auch noch die Auszeichnung für die "Beste Originalgeschichte" gab. Hierzu muss man verstehen, dass im klassischen Studiosystem erst Autoren eine Originalgeschichte produzierten (mit dem Fokus auf Plot- und Charakterbeschreibungen), danach andere Autoren aber das finale Drehbuch schrieben – und dabei vor allem für die Dialoge verantwortlich waren. Mit dem Untergang des klassischen Studiosystems und dem Aufkommen unabhängiger Autoren entfiel aber diese Praxis und so wurde die Kategorie "Beste Originalgeschichte" dann 1957 eingestampft.


Trailer zum dreifachen Oscar-Gewinner "Der Dieb von Bagdad"


In Sachen Quantität war der Fantasyfilm "Der Dieb von Bagdad" mit insgesamt drei Auszeichnungen der erfolgreichste Film des Abends – in der Kategorie "Bester Film" allerdings gar nicht nominiert. Sieger wurde stattdessen Alfred Hitchcocks "Rebecca", der einzige Hitchcock-Film, der je den Oscar für den besten Film gewinnen sollte. Hitchcock war mit "Der Auslandskorrespondent" sogar gleich zweimal in dieser Kategorie vertreten, genauso wie seine beiden Regie-Kollegen Sam Wood ("Fräulein Kitty", "Unsere kleine Stadt") und John Ford ("Früchte des Zorns", "Der lange Weg nach Cardiff"). Bevor wir aber mit Letzterem als ersten Beitrag in das 13. Oscar-Jahr starten, werfen wir noch kurz einen Blick auf ein anderes Thema, das einen immer größeren Schatten auf die Academy Awards warf.

Für die Veranstaltung hatte sich nämlich auch noch der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt per Radiobotschaft dazugeschaltet – und darin klar Stellung gegen die Nazi-Diktatur in Deutschland und das Kriegsgeschehen in Europa genommen. Der Kriegseintritt der USA sollte zwar, ausgelöst durch den Angriff auf Pearl Harbor, erst am Ende des Jahres erfolgen. Doch bereits jetzt wurde die Nation (und auch die Kulturschaffenden) für ein solch mögliches Szenario eingeschworen – und mit Charlie Chaplins "Der große Diktator" war in der Kategorie "Bester Film" ja auch schon eine deutliche Abrechnung mit Hitler-Deutschland vertreten. Was dabei aber oft untergeht, ist die Tatsache, dass Hollywood es sich lange Zeit mit den Nazis nicht verscherzen wollte. Und auf der anderen Seite wiederum die Nationalsozialisten aktiv versuchten, die Traumfabrik möglichst lange neutral zu halten – auch dank eines Mannes, dessen faszinierendes Leben ich hier zumindest kurz anreißen möchte.
 


Franklin D. Roosevelt und seine Radio-Ansprache bei den 13. Academy Awards


Hintergrund: Georg Gyssling - Von Olympia zum Nazi-Filmbotschafter

In den 1930er Jahren stand Hollywood in einem Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichem Kalkül und politischer Verantwortung. Der deutsche Filmmarkt war einer der wichtigsten Auslandsmärkte und viele amerikanischen Studios darum natürlich bemüht, diesen nicht durch politisch zu brisante Inhalte zu verlieren. Vor diesem Hintergrund gab es zahlreiche Fälle von Selbstzensur: Drehbücher wurden angepasst, jüdische Namen vereinzelt aus den Credits entfernt, kritische Anspielungen auf Hitler oder den Nationalsozialismus herausgestrichen. Dadurch griffen die Studios der Arbeit des in unserer Oscar-Reihe schon mehrmals beleuchteten Hays Office vor, das damals nicht nur als sogenannter "Moralwächter" innerhalb der USA agierte, sondern auch zunehmend die internationale Verträglichkeit von Filmstoffen im Blick hatte.

Das klingt nach einem ziemlichen Eiertanz – vor allem, wenn man die Tatsache bedenkt, dass viele großen Studiobosse eine jüdische Herkunft aufwiesen. Nicht allerdings der irischstämmige Hal Roach – vor allem bekannt für seine Laurel-&-Hardy-Komödien. Roach ging einen ganz anderen Weg und unterhielt offene Kontakte zum faschistischen Regime von Benito Mussolini, der ein begeisterter Fan von Laurel-&-Hardy-Komödien war. Roach gründete gemeinsam mit dessen Sohn Vittorio in Italien sogar die Filmfirma R.A.M. Pictures (Roach and Mussolini), zog sich nach wachsendem Druck aus Hollywood aber sehr schnell wieder aus dem Deal zurück. Was Roach aber nicht davon abhielt, als einer der wenigen Studio-Vertreter 1938 die schon damals umstrittene Leni Riefenstahl bei deren Hollywood-Besuch zu empfangen (ebenfalls wie übrigens Walt Disney).


Vittorio Mussolini besucht 1937 Hal Roach und eine Studioproduktion.

Während die meisten Studios aber vor allem eine ökonomisch motivierte Vorsicht gegenüber Deutschland pflegten, bildete sich in Hollywood auch aktiver Widerstand. 1936 gründete sich die Hollywood Anti-Nazi League, die aktiv die Werbetrommel gegen Deutschland rührte – unterstützt von prominenten Filmschaffenden wie Fritz Lang. Und unter der Oberfläche operierte nach aktuellem Wissensstand sogar ein geheimes Netzwerk gegen nationalsozialistische Umtriebe in den USA, das wohl unter anderem von Studiogrößen wie Louis B. Mayer und Irving Thalberg finanziert wurde. So bewegte sich Hollywood in einem genauso komplexen wie faszinierenden Spannungsfeld zwischen moralischer Verpflichtung und ökonomischen Interessen.

Eindeutiger waren dagegen die Absichten von Deutschland. Joseph Goebbels, Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, war sich nicht nur der Macht der Medien im eigenen Land bewusst. Um mögliche diplomatische und wirtschaftliche Folgen anti-deutscher Propaganda aus Hollywood zu verhindern, versuchte die NS-Führung auch, Einfluss auf die Darstellung Deutschlands in US-Produktionen zu nehmen. Goebbels' Taktik: Wenn man es schaffte, Hollywood-Stars und Studiobosse einzuschüchtern oder wirtschaftlich zu ködern, würde man kritische Filme gar nicht erst entstehen lassen. Ein Plan, der dank eines Mannes zumindest teilweise von Erfolg gekrönt war.


Einblicke in eine nationalsozialistische Massenkundgebung des Amerikadeutschen Bundes im Madison Square Garden 1939.

Es ist nur passend, dass diese Person eine fast filmreife Geschichte mit einem schillernden Lebenslauf mitbringt. Georg Gyssling, 1893 in Schlesien geboren, war nach dem Studium der Rechtswissenschaften im Auswärtigen Dienst und schließlich 1927 in den USA gelandet – wo er in verschiedenen Städten in deutschen Generalkonsulaten arbeitete. Gyssling trat 1931 wohl vor allem aus Karrieremotiven in die NSDAP ein – in amerikanischen Kreisen galt er damals als kultiviert und polyglott. Und auch ein wenig als bunter Vogel, denn die Olympischen Spiele in Lake Placid nutzte Gyssling 1932 mal eben, um für Deutschland im Vierbob-Wettbewerb anzutreten – auch wenn nur ein letzter Platz raussprang.

Schon bald erhielt Gyssling aus Deutschland aber einen ganz besonderen Auftrag: Hollywoods Drehbücher auf deutschlandkritische Passagen zu überprüfen. Hierfür nahm Gyssling direkten Kontakt zu den Studios auf, drohte mit Exportverboten, Lizenzentzug oder gar Repressionen gegen in Deutschland lebende Angehörige von Filmschaffenden. Besonders aktiv wurde Gyssling bei dem Film "The Road Back" (1937), in dem die Traumatisierung deutscher Soldaten nach dem Ersten Weltkrieg gezeigt wurde (basierend auf dem Buch von Erich Maria Remarque, das als eine Art Fortsetzung zu "Im Westen nichts Neues" gilt). Unter Gysslings Druck wurde das Skript aber stark entschärft – Universal Pictures war von Deutschland mit einem kompletten Boykott aller ihrer Filme bedroht worden. Das Drehbuch "The Mad Dog of Europe" von Herman Mankiewicz ("Citizen Kane"), mit dem dieser Hitlers Judenverfolgung direkt anprangern wollte, wurde letztlich sogar gar nicht verfilmt – aus Angst vor wirtschaftlichen Konsequenzen. Oder, wie es Joseph Breen, der Verantwortliche für die Umsetzung des Hays Code, formulierte: "Wegen der großen Zahl von Juden, die in der amerikanischen Filmindustrie tätig sind, wird mit Sicherheit der Vorwurf erhoben werden, dass die Juden als Gruppe hinter einem Anti-Hitler-Film stehen und die Kinoleinwand für ihre persönlichen propagandistischen Zwecke nutzen. Dadurch läuft die gesamte Branche Gefahr, für das Handeln einiger weniger zur Rechenschaft gezogen zu werden."

Wie stark Gysslings Einfluss nun wirklich hinter den Kulissen war und inwieweit alleine schon die wirtschaftlichen Sorgen für eine Selbstzensur Hollywoods ausreichten, ist noch heute umstritten. Genauso wie der Mensch Gyssling selbst, bei dem es ein paar Hinweise darauf gibt, dass dieser kein fanatischer Nazi war und sich von deren Ideologie und Politik (zumindest innerlich) immer mehr distanzierte. Mit dem Übergang in die 1940er Jahre begann der Wind sich in den USA sowieso sehr deutlich zu drehen und Hollywood sich nun offen gegen das NS-Regime zu positionieren. Warner Brothers hatte 1939 mit "Confessions of a Nazi Spy" erstmals offen das Thema deutscher Spionage in den USA aufgegriffen und schon bald zogen andere Filme nach. Und mit dem Kriegseintritt der USA Ende 1941 sollte sich sowieso alles verändern – aber dazu ein anderes Mal mehr. Gyssling wiederum kehrte nach der Kriegserklärung Deutschlands an die USA in die Heimat zurück – und würde nach dem Ende des Krieges als Rechtsanwalt in Bad Reichenhall arbeiten und schließlich sein Leben in Spanien ausklingen lassen. Was von ihm bleibt, ist eine kleine, aber faszinierende Fußnote in der Geschichte Hollywoods.


Trailer zu "Confessions of a Nazi Spy"
 

Auf geht’s aber nun endlich in die 13. Academy Awards mit den zehn nominierten Beiträgen aus der Kategorie "Bester Film" des Jahres 1940. Darunter ein Werk, das Gyssling trotz seines Einsatzes nicht verhindern konnte: Charlie Chaplins "Der große Diktator". Ebenfalls treffen wir noch auf "Fräulein Kitty", besuchen "Unsere kleine Stadt", erleben "Die Nacht vor der Hochzeit", lüften "Das Geheimnis von Malampur", fragen uns "Hölle, wo ist dein Sieg?", ernten die "Früchte des Zorns" und genießen Hitchcocks "Der Auslandskorrespondent" – bevor dieser uns mit "Rebecca" auch noch den Gewinner serviert. Los geht es aber mit John Fords "Der lange Weg nach Cardiff", bei dem – nicht zum einzigen Mal – der Zweite Weltkrieg thematisch aufgegriffen wird.

 

Der lange Weg nach Cardiff

Originaltitel
The Long Voyage Home
Land
Jahr
1940
Laufzeit
105 min
Genre
Regie
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
6
6/10

Die Kombination John Ford ("Der Verräter", "Arrowsmith") und John Wayne hatte uns im letzten Oscar-Jahr (1940) mit "Ringo“ ja ein ziemlich feines Geschenk gemacht. Dort hatten wir es mit einem Ensemble-Film zu tun, bei dem Wayne nur einen von mehreren interessanten Parts beisteuerte. In "Der lange Weg nach Cardiff" erhält Wayne nun das begehrte First Billing, doch das entpuppt sich beim Ansehen des Filmes eher als eine Marketing-Entscheidung. Lange Zeit greift dessen Figur hier nämlich gar nicht so richtig in das Geschehen ein – und kommt dazu leider deutlich oberflächlicher und uninteressanter daher. Wie überhaupt das Leiden einer von Pessimismus und Alkohol durchtränkten Crew eines Frachtschiffes im Zweiten Weltkrieg hier nur bedingt spannend erzählt wird – auch wenn John Fords Drama zumindest visuell interessant bleibt und schon fast als kleiner Testlauf für ein Meisterwerk der Filmgeschichte gesehen werden kann.

John Wayne spielt in "Der lange Weg nach Cardiff" den gutmütigen Schweden Ole Olsen, der sich eigentlich nichts sehnlicher wünscht, als endlich nach Hause zu kommen. Dauert aber noch, denn er schippert erst einmal mit dem Frachter SS Glencairn von den Westindischen Inseln über Baltimore Richtung England – und das mitten im Zweiten Weltkrieg. An Bord: eine bunt zusammengewürfelte, vor allem aber sehr trinkfreudige Truppe. Darunter der erfahrene Driscoll (Thomas Mitchell, "Vom Winde verweht", "In den Fesseln von Shangri-La"), der bullige Yank (Ward Bond, "Sackgasse", "Es geschah in einer Nacht") und der verschlossene Smitty (Ian Hunter, "Ein Sommernachtstraum", "Robin Hood – König der Vagabunden"). Auf einem Zwischenstopp erfährt die Crew, dass sie mit hochexplosiver Munition zurück nach England fahren soll – was nur noch mehr Anlass zum Trinken gibt. Denn angesichts der berüchtigten deutschen Luftwaffe klingt das doch schon nach einem ziemlichen Himmelfahrtskommando. Aber vielleicht schlummern die größten Konflikte ja doch in Wahrheit an Bord?
 


Als "Der lange Weg nach Cardiff" 1940 produziert wurde, waren die USA noch nicht in den Zweiten Weltkrieg eingetreten. Dennoch spürt man in den Werken der Traumfabrik bereits zunehmend die düstere Stimmung, die damals über Amerika lag – und "Der lange Weg nach Cardiff" ist ein gutes Beispiel dafür. Er strahlt eine enorme Portion Pessimismus und Fatalismus aus, obwohl der Krieg selbst lange Zeit nur eine ferne Kulisse bleibt. Die Story konzentriert sich nämlich vor allem auf den Alltag einfacher Seeleute und deren Trübsinn angesichts des knallharten Jobs fernab der "normalen" Gesellschaft. Man schlägt sich finanziell irgendwie durch und unterdrückt, ausgelaugt durch strapaziöse Reisen, die Sehnsucht nach einem besseren Leben mit Alkohol. Wenn man diese Hoffnung nicht sowieso schon komplett aufgegeben hat.

Der Film nutzt nun seine Figuren, um verschiedene Stadien der Resignation aufzugreifen. Ole ist der Jungspund und ganz optimistisch, nach dieser Fahrt für immer den Meeren entsagen zu können – was von den Kollegen an Bord als naiv empfunden wird. Smitty wiederum ist in kompletter Melancholie versunken, hält aber noch verzweifelt an dem letzten Restfunken Hoffnung fest, seine Frau doch noch wiedersehen zu können. Der Rest an Bord hat dagegen diesen Kampf eigentlich hinter sich, im Wesentlichen resigniert und die Hoffnung auf ein "normales Leben" aufgegeben. Klingt nicht gerade nach einem Gute-Laune-Film, oder? Weswegen es kaum überrascht, dass der Film damals an der Kinokasse ein ziemlicher Flop war.
 


Ist uns heute aber ja eigentlich egal, Hauptsache es ist gut erzählt und entpuppt sich vielleicht als eine starke Charakterstudie. Dass man den Fokus hier auf einfache Seemänner legt – der Kapitän wird nahezu ignoriert –, ist ja schon mal erfrischend. Doch leider hakt es schon in der ersten halben Stunde deutlich, die es nicht schafft ein wirklich überzeugendes Setting aufzubauen. Das Set wirkt stark nach Studio und unsere Seemänner nicht wirklich authentisch. Was an so banalen Dingen wie der Kleidung liegt, die irgendwie nicht nach harter Arbeit aussieht, und an der Tatsache, dass die Figuren klischeehaft bleiben. Außer ein paar groben Charakterzügen und der Lust auf Alkohol bleibt nicht viel hängen – dass manche der Darsteller etwas zu theatralisch aufspielen, hilft auch nicht gerade.

Zum Glück bessert sich das ein wenig im weiteren Verlauf. Vielleicht liegt es schlicht daran, dass man sich an das Set und die Figuren gewöhnt. Doch gefühlt gelingt es Regisseur John Ford zunehmend besser, die bedrückende Stimmung an Bord einzufangen – sowohl optisch als auch bei den zwischenmenschlichen Konflikten. John Waynes Charakter bleibt dabei allerdings außen vor – der liegt meist einfach verträumt herum, und das Drehbuch scheint lange Zeit nicht recht zu wissen, was es mit ihm nun anfangen soll. Besser gelingt die Charakterzeichnung von Driscoll, der sich als eine Art unausgesprochener Anführer der Crew hervortut. Thomas Mitchell bringt diese Rolle sehr überzeugend auf die Leinwand und liefert auch schauspielerisch eine Leistung, die deutlich über dem Rest des Ensembles liegt – allerdings bekommt er auch mit Abstand am meisten zu tun.
 


Trotzdem bleibt vieles eher oberflächlich und viele Konflikte nur mäßig interessant. Eine Ausnahme bildet eine Geschichte um Smitty: Hier entsteht durch eine Mischung aus Alkohol, Vorurteilen und der angeschlagenen Psyche der Kollegen echtes, bewegendes Drama. Schade, dass der Film davon nicht mehr bietet. Stattdessen serviert man uns zum Schluss ein etwas konstruiert wirkendes Finale, das sich auch noch etwas unnötig in die Länge zieht. Dessen Botschaft, dass es für viele kein Entrinnen aus dem Teufelskreis gibt, ist zwar an sich passend, wird dann aber schon arg mit dem Holzhammer präsentiert. Und wenn dafür auch noch das Thema Zwangsrekrutierung bei Seemännern aufgegriffen wird, das für diese Zeit historisch gar nicht belegt ist, dann wirkt das doch eher unnötig reißerisch.

Immerhin bekommt John Wayne am Ende etwas mehr zu tun, dessen Handlungsbogen ist jetzt aber auch nur bedingt fesselnd. Was bleibt, sind gerade in der zweiten Hälfte ein paar atmosphärisch überzeugende Bilder, für die Kameramann Gregg Toland eine Oscar-Nominierung ergatterte. Ein Sieg sprang allerdings nicht heraus, genauso wie bei den anderen insgesamt fünf Nominierungen – neben "Bester Film" auch noch "Bestes adaptiertes Drehbuch", "Bester Schnitt", "Beste Filmmusik" und "Beste visuelle Effekte". Filmhistorisch interessant ist der Film dennoch und zwar genau wegen jenem Gregg Toland. Der sollte wenig später nämlich auch die Bilder für "Citizen Kane" liefern und experimentierte in "Der lange Weg nach Cardiff" bereits mit einigen der später dort verwendeten Stilmittel.
 


Besonders bemerkenswert ist dabei der in der Filmgeschichte erstmalige Einsatz des sogenannten "Split-Diopter", der es ermöglicht, zwei unterschiedlich weit entfernte Ebenen gleichzeitig scharf darzustellen. Für das menschliche Auge ungewohnt und darum ein netter Weg, um spannungsgeladene Bilder zu generieren – was viele Hollywoodfilme noch heute gerne aufgreifen. Bereits zu seiner Zeit wurde Gregg Tolands Kameraarbeit aber schon besonders gewürdigt: Sowohl in "Der lange Weg nach Cardiff" von John Ford als auch "Citizen Kane" von Orson Welles erscheint seine Nennung in den Credits gleichzeitig mit der des jeweiligen Regisseurs. Seine Arbeit macht "Der lange Weg nach Cardiff" natürlich interessanter, einen wirklich fesselnden Film ergibt es aber am Ende leider nicht – dafür fehlt es letztlich an überzeugenderen Figuren und einer packenderen Geschichte. Doch John Ford und John Wayne sollten in ihrer Karriere ja noch ein paar Gelegenheiten bekommen, ihr Können unter Beweis zu stellen.

"Der lange Weg nach Cardiff" ist als Import-Bluray aktuell auf Amazon in Deutschland verfügbar.
 


Moderner, kurzer Trailer zum Film
 


Ausschnitt: Spion an Bord?


Kameramann Gregg Toland schreibt Filmgeschichte.


Für alle, die tiefer in das Thema "Split Diopter" und dessen Einsatz in der Filmgeschichte eintauchen wollen.

 


Ausblick
In unserer nächsten Folge emanzipiert sich eine Schauspielerin von ihrem berühmten Schauspielpartner – und zeigt, dass sie auch abseits vertrauter Pfade glänzen kann.


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