Mit den “Wallace & Gromit“-Filmen und der “Shaun das Schaf“-Reihe hat das britische Animationshaus Aardman Animation Knetfiguren salonfähig gemacht und uns einige sehr unterhaltsame Stunden bereitet. Ganz so luftige Höhen konnte ihr Hühnerabenteuer
“Chicken Run – Hennen Rennen“ im Jahr 2000 zwar qualitativ nicht erklimmen, entpuppte sich aber auch für Erwachsene immer noch als ganz launige Angelegenheit. Die Aussicht auf einen Nachfolger im so angenehm hemdsärmelig wirkenden Claymation-Stil sollte also eigentlich Grund zur Freude sein. Ein klein wenig skeptisch konnte man im Vorfeld aber schon sein, da das kreative Herz der Studios (Peter Lord, Nick Park) sich dazu entschloss den kreativen Staffelstab für den Film abzugeben. Und genau das ist leider in “Chicken Run: Operation Nugget“ deutlich spürbar, denn die Fortsetzung lässt die nötigen Ecken, Kanten und cleveren Einfälle vermissen, um auch gegenüber einem erwachsenen Publikum seine Existenz zu rechtfertigen.
Ein jüngeres Publikum dürfte dagegen wohl ordentlich unterhalten werden und muss sich auch keine Gedanken darum machen, den Vorgänger nie gesehen zu haben. Zu Beginn des Filmes werden die früheren Ereignisse nämlich noch einmal kurz zusammengefasst und wir auf den aktuellen Stand bezüglich unserer damaligen Helden gebracht. So genießen der ehemalige Zirkushahn Rocky (Zachary Levi, "Shazam!") und die freiheitsliebende Ginger (Thandie Newton, "All the old Knives", "Solo: A Star Wars Story") nach ihrem turbulenten Ausbruch aus einer Hühnerfarm inzwischen entspannt mit der alten Hühner-Gang das Leben auf einer malerischen kleinen Insel. Die Geburt der eigenen Tochter Molly (Bella Ramsey, "Game of Thrones") hat die einst rebellische Ginger aber deutlich vorsichtiger werden lassen, während Molly den Freiheits- und Abenteuerdrang ihrer Mutter weiter am Leben hält. Als eines Tages in der Nähe ein sogenanntes “Fun Land“ für Hühner eröffnet, büxt Molly in Hoffnung auf ein großes Abenteuer aus und sorgt damit bei Ginger für Panik. Denn die ahnt genau, dass hinter der glitzernden Fassade noch immer das selbe alte blutige Schicksal auf seine Bewohner wartet. Und so wird die alte Truppe wieder zusammengetrommelt, um diesmal allerdings in eine Farm ein- statt auszubrechen.
Während der Vorgängerfilm sich ja vor allem an den klassischen Genre-Konventionen eines Ausbruchsdramas orientierte, steht für die Fortsetzung nun die “Mission Impossible“-Reihe Pate – garniert mit einer kleinen Prise “James Bond“. So werden von unseren Hühnern einfallsreich Pläne für das Infiltrieren des “Fun Lands“, dessen Design stark an die guten alten Hauptquartiere der 1960er Jahre Bond-Bösewichte erinnert, geschmiedet und umgesetzt. Optisch ist das, wie immer bei Aardman Animation, sehr liebevoll und detailreich umgesetzt, so dass man sich manchmal dabei erwischt doch kurz die Pausetaste drücken zu wollen, um das ein oder andere Hintergrunddetail besser genießen zu können. Das liegt natürlich auch einfach an dem wundervollen Charme der Knetfiguren-Optik, deren Animation hier wieder toll umgesetzt ist.
Visuell gibt es also nichts zu meckern, inhaltlich dagegen fühlt sich der Film in Sachen Kreativität doch vernachlässigt an. Es ist schon fast von Vorteil, wenn man den Vorgänger nicht gesehen hat, denn so richtig haben sich die Figuren seitdem nicht weiterentwickelt – weswegen diese hier auch wieder für sehr ähnlich gelagerte Gags herhalten dürfen. Das ist vor allem bei den Nebenfiguren der Fall, wo die häkelnde Babs wiedermal das Dummerchen gibt und der alte Fowler wieder ständig von seiner Zeit bei der Royal Air Force schwadroniert. Rocky gibt wiederum nochmal den Testosteron getriebenen Hahn, während Ginger nach kurzer Neuorientierung ebenfalls wieder in vertraute Muster verfällt.
Ein bisschen mehr Neuerungen hätte man sich für die zweite Runde dann doch gewünscht, auch weil die Fortsetzung an anderer Stelle ebenfalls Federn lässt. Im Vorgänger war immer wieder der eine oder andere clevere Gag für Erwachsene eingebaut, so dass ältere Semester genauso viel Spaß wie jüngere Zuschauer hatten. Das Blatt hat sich in “Chicken Run: Operation Nugget“ nun aber gewendet, denn cleverer Dialogwitz tritt im Vergleich zu den Slapstick-Gags hier nun doch deutlich in den Hintergrund. Dabei hätten sich bei dieser Handlung ja sogar ein paar nachdenkliche Töne angeboten, schließlich könnte man das "Fun Land“ durchaus mit unserer heutigen Bio-Industrie vergleichen, an deren Ende (glückliches Leben hin oder her) ja immer noch der Tod eines Lebewesen steht.
Gut, vielleicht will ich hier zuviel von einem Film, in dem ein Haufen Knethühner sich mit selbstgebastelten Raketen aufs Dach eines durchgeknallten Chicken Nuggets-Produzenten schießen. Aber zumindest etwas mehr Anarcho-Witz und weniger berechenbare und simple Gags hätten es schon sein dürfen. Da wünscht man sich dann sogar (zumindest für die englische Version) Mel Gibson als die Stimme von Rocky zurück. Dass dieser für die Fortsetzung nicht mehr gebucht wurde ist angesichts seines heutigen Images zwar verständlich, aber er brachte zumindest einen etwas durchtriebenen und anarchischen Unterton mit, der in diesem einfach zu nett und harmlos wirkenden Produkt schmerzlich vermisst wird. Immerhin dürfen Freunde der deutschen Synchronisation aufatmen, die diesmal von der damals überhaupt nicht passenden und penetrant-nervigen Stimme Ingolf Lücks als Rocky aus dem Erstling verschont bleiben.
So kommt “Chicken Run: Dawn of the Nugget“ am Ende einfach zu glatt daher, um mehr als nur passables Entertainment zu sein. Dazu passt dann auch irgendwie die moralische Botschaft des Filmes rund um Freiheit und Familienzusammenhalt, die eher routiniert als wirklich enthusiastisch vermittelt wird. Da die ganze Zeit Action herrscht und die Animation liebevoll umgesetzt wird reicht es natürlich immer noch für einen ordentlichen Filmnachmittag, aber der Aufenthalt des Films auf der eigenen Erinnerungsfestplatte dürfte gerade bei Erwachsenen doch sehr kurz ausfallen. Und da hätte man sich von der Aardman-Crew doch ein klein wenig mehr erhofft.
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