Warum gibt es in amerikanischen Horrorfilmen für und mit Teenagern eigentlich immer die klare Aufteilung in Stereotypen? Warum besteht die Gruppe immer aus mindestens einer großmäuligen Sportskanone, einer sexgeilen Schlampe, einem schüchternen Schlaukopf, einem durch Drogen oder andere Sachen geschädigten Verrückten und einer Jungfrau, dem üblichen „final girl“? Wer schon immer mal diese Fragen beantwortet haben wollte, und zwar mit einer Antwort, die tausendmal lustiger, kreativer und abgefahrener ist als ein simples wie zutreffendes „weil sowohl Hersteller als auch Konsumenten dieser Filme denkfaule Säcke sind, die sich mit zu Tode wiederholten Klischees zufrieden geben“, der ist bei „The Cabin In The Woods“ genau richtig. Hier erfahren Sie, was Sie schon immer über amerikanische Teenagehorrorfilme wissen wollten, aber aus gutem Grund nie zu genau erfragt haben. Und daher brechen also die großmäulige Sportskanone Curt (Chris Hemsworth), seine Freundin, die sexgeile Schlampe Jules (Anna Hutchinson), sein Kumpel, der schüchterne Schlaukopf Holden (Jesse Williams), der durch Drogen und/oder andere Sachen komplett paranoide (und eventuell Verrückte) Marty (Fran Kranz) und Jules' Freundin Dana (Kristen Connolly), die beste Kandidatin für den Posten des „final girl“, in die titelgebende Hütte im Wald auf, in der selbstverständlich unvorstellbares Grauen auf sie wartet...
Heißa, es sind Festwochen für Fans von Joss Whedon. Da musste man nach dem gänzlich unverdienten Flop von „Serenity“ jahrelang auf neue Kinoabenteuer von Whedon warten und dann legt er erst mit den „Avengers“ sowohl inhaltlich als auch vom Einspielergebnis den Blockbuster des Jahres hin und beschert uns dann noch dieses Horrorleckerli. Wobei „The Cabin In The Woods“ kein hundertprozentiger Whedon ist, denn Regie führt hier Joss' alter Weggefährte aus „Buffy“-Tagen Drew Goddard, der sich dann auch in „Lost“ und im Kino in „Cloverfield“ an Mysteriösem und Gefährlichem versuchte. Whedons Handschrift ist hier jedoch unverkennbar, und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn neben der Produktion schrieb er mit Goddard das Drehbuch und der Whedon-Touch ist hier überdeutlich vorhanden. Soll heißen: Cleveres Konzept, genau so clevere Dialoge und ein verspieltes Verdrehen von Genrekonventionen.
Denn natürlich ist die kurze Inhaltsangabe oben bei Weitem nicht alles, denn noch bevor wir die fünf Teenies auf ihren Weg in den Hinterwald/Hinterhalt sehen, sehen wir befremdlicherweise erstmal die beiden Angestellten Sitterson (Richard Jenkins) und Hadley (Bradley Whitford) beim Small Talk bevor ihre Schicht anfängt, die offenbar in einer unterirdischen Anlage stattfindet. Was genau es mit dieser Arbeit auf sich hat und wie diese mit dem Schicksal unserer fünf Freunde auf großem Abenteuer zusammenhängt, das zu begreifen ist die lohnende Arbeit des Zuschauers während der ersten Filmhälfte. „The Cabin In The Woods“ macht es jedem Rezensenten wahnsinnig schwierig, denn so ziemlich alles, was es zum Film detailliert zu sagen gibt, kommt quasi einem Spoiler gleich. Wie üblich bemühen wir uns diese so gering wie möglich zu halten und wer wirklich gar nichts wissen möchte, der springe bitte zum nächsten Absatz.
Es ist allerdings tatsächlich nur ein milder Spoiler, wenn hier verraten wird, dass „The Cabin In The Woods“ eine Art „Tanz der Teufel“-meets-“The Truman Show“ ist, denn sowohl der Trailer als auch die erste Viertelstunde des Films verraten uns dies bereits. Und es macht großen Spaß, der Manipulation der Teenies durch das zynische Büropersonal zuzuschauen (Stichwort: Pheromone), da diese erste Filmhälfte ihre grotesken Details als Minirätsel verpackt (worauf wetten die verschiedenen Abteilungen?) und zudem großartig witzige Szenen zu bieten hat wie etwa das Telefonat eines Charakters namens Mordecai mit dem Büropersonal („Am I on speaker phone?“). Der eigentliche Clou des Ganzen ist aber das Warum hinter diesen fiesen Manipulation und hier legt der Film kurz nach Halbzeit dann erst so richtig los. Worauf es hinausläuft, können kombinierende Zuschauer zwar ziemlich schnell durchschauen, aber das tut dem Spaß keinen Abbruch. Denn wie weit Whedon und Goddard hier mit einer eigentlich simplen aber genialen Idee gehen, die sie dann mit allem auschmücken, was das Genre hergibt, das muss man gesehen haben.
Wo andere Filme sich mit dieser einen genialen Idee zufrieden geben, nehmen Whedon und Goddard diese und laufen dann damit so weit sie können in Sachen Genreanspielungen, Gore und grandiosen Einfallsreichtum (plus ein Cameo am Ende, das es in sich hat). Was die Beiden hier abliefern, das sucht im Horrorgenre wahrlich seinesgleichen. Dies ist nicht postmoderner Horror im „Scream“-Stil, sondern quasi post-postmoderner Horror, eine Dekonstruktion des Genres und all seiner Mythen und gleichzeitig eine Meta-Abhandlung über Autoren und die Geschichten, die sie schreiben (und liegt damit näher an "Freddy's New Nightmare", wenn wir schon bei Wes Cravens postmodernem Horror sind). Das klingt hier jetzt vielleicht anstrengender als es tatsächlich ist, denn in erster Linie ist „The Cabin In The Woods“ ein verteufelt cleverer, riesengroßer Spaß für intelligente Freunde des Horrorgenres.
Dass Whedon und Goddard zumindest in den USA tatsächlich zu clever für einen Großteil ihres Publikums waren, ist dann die bittere Pointe aus dem realen Leben für diese doppelte Realität. Denn obwohl Poster und Trailer deutlich darauf hinweisen, dass es sich bei „The Cabin In The Woods“ mitnichten um einen normalen Teenie-Slasher handelt, missachtete das amerikanische Teeniepublikum diese Warnungen nachhaltig und gab dem Film dann in Umfragen für Cinemascore eine desaströse C-Wertung, die nur eine Handvoll Streifen bekommen haben, und zwar zumeist missverstandene Filme wie „Solaris“, „The American“ oder „Drive“. Doch während bei diesen Filmen eine zumindest teilweise trügerische Werbekampagne das falsche (sprich: Action-)Publikum anzog, spielte die Werbung für „Cabin“ so fair es ging.
Aber mit ihrem postmodernen Spiel setzen sich Whedon und Goddard natürlich und lustvoll zwischen alle Stühle, denn für ein herkömmliches Horrorpublikum im Multiplex ist der Film schlicht zu verspielt und anders und ein Kunstkinopublikum, das sich an den intelligenten Metaspielereien erfreuen könnte, wird sich keinen vermeintlichen Teeniehorrorstreifen angucken, der zudem tatsächlich mit Eimern von Kunstblut zu spritzen anfängt. „The Cabin In The Woods“ ist, wie man im Englischen sagen würde, das Beste beider Welten, auch wenn vielleicht beide Welten erst mal verdutzt mit den Schultern zucken.
Vom Whedon-Ensemble hat es Fran Krantz aus „Dollhouse“ in eine der Hauptrollen geschafft und sein verspulter, aber genialer Kiffer hat hier die besten Dialog-Zeilen der Jungspunde. Auch Amy Acker (aus „Angel“) hat es geschafft, eine kleine Rolle als Chemielaborantin zu ergattern. Die besten Szenen und besten Sprüche gehören aber eindeutig den Charakterköpfen Richard Jenkins und Bradley Whitford (besonders dessen finales „Oh, come on!“ in Anbetracht seines Schicksals) als des Teufels Bürokraten. Wer sich übrigens wundert, warum Chris Hemsworth hier nach seinen zwei Auftritten als Göttersohn Thor quasi einen Schritt zurück geht und sich mit einer kleinen Rolle als tumbe Sportskanone zufriedengibt: Nein, Hemsworth und Whedon haben sich nicht bei den „Avengers“ so gut verstanden, dass ersterer jetzt alles für letzteren tut. „The Cabin In The Woods“ ist bereits gut drei Jahre alt und Hemsworth war hier noch in seinen Lehrjahren, die dem Kinopublikum jetzt quasi nachgereicht werden.
Goddards Film fiel nämlich dem Bankrott des produzierenden Studios MGM zum Opfer, da nach Drehschluss kein Geld für Werbung und Vertrieb mehr da war und dieser Film wie Hemsworths anderer Film für MGM, das Remake von „Die Rote Flut“, erst einmal für unbestimmte Zeit im Regal verschwand. Und während „Red Dawn“ da wohl noch ein Weilchen bleiben wird (falls diese ohnehin nicht sonderlich gute Idee denn überhaupt veröffentlicht wird), hat es „The Cabin In The Woods“ nach weiteren Scharmützeln des neuen Verleihers Liongate - wie eine von den Machern letztlich erfolgreich bekämpfte nachträgliche 3D-Konvertierung - endlich auf die Leinwand geschafft. Und das ist nur gut so.
Wenn man dem Film überhaupt einen Vorwurf machen kann, dann dass er das nicht ist, was ein Horrorfilm laut Definition sein soll: furchteinflößend. Das Metakonzept und das clevere Drumherum verhindern, dass die Schocks und Angstmomente wirklich als solche funktionieren (wobei man wiederum argumentieren könnte, dass dies zum kritischen Meta-Kommentar dazu gehört). Auch nur eine Kleinigkeit, aber eine ganz frühe Enthüllung (Stichwort: Adler) hätte man sich besser verkniffen, dann hätte eine spätere Szene (Stichwort: Motorrad) wirkliches Erstaunen ausgelöst statt einem wissenden „war doch klar“.
Solch kleine dramaturgische Schnitzer verhindern den Weg zum wirklichen Meisterstück, aber „The Cabin In The Woods“ ist schon ziemlich nah dran. Dies ist einer der raren Filme, beim dem PR-Geseiere wie „dieser Film wird das Genre verändern“ tatsächlich und ausnahmsweise mal stimmt. Denn Whedon und Goddard sind so gnadenlos in ihrer Dekonstruktion des Horrorgenres und seiner Klischees, dass man nach diesem Film eigentlich keinen Horrorfilm mehr gucken kann, ohne nicht an „The Cabin In The Woods“ und seine grandiose Grundidee zu denken. Ein größeres Kompliment kann man einem Film wie diesem eigentlich kaum machen. Ab in den virtuellen Wald, Kinder, zum Gruseln, Lachen und Sich-die-Gehirnwendungen-verbiegen-lassen!
Neuen Kommentar hinzufügen