Die erste Hälfte der 80er war die Blütezeit des Slasherfilms, der Mitte der 90er dank "Scream" in postmoderner, selbstironischer Aufmachung ein Comeback feierte. Und um das willige Teeniepublikum reichlich mit Blutigem zu versorgen, gingen diverse dieser ewig denselben Schemata folgenden Filme in Serie.
Drei dieser Serien brachten regelrechte Kultfiguren hervor: Michael Myers aus "Halloween", Freddy Krueger aus "A Nightmare on Elm Street" und Jason Vorhees aus "Freitag der 13." Der von John Carpenter gedrehte erste "Halloween" (1977) ist dabei nicht nur einer der ersten Slasher, sondern auch der beste Film, der aus diesem Horrorsubgenre jemals kam. Vor allem deshalb, weil er sämtliche negativen Charakteristika späterer Slasher vermied: Unblutig, unspekulativ und handwerklich auf höchstem Niveau wurde "Halloween" der für über zwanzig Jahre erfolgreichste Independentfilm (bis die Blair Witch aus dem Unterholz kroch...).
Und auch wenn man "Halloween" nicht für die inhaltlichen Untiefen der zahllosen Nachahmer verantwortlich machen kann, so begründete er zwei für das Slashergenre immens wichtige Schemata: Zum einen wurde ein Unterschied zwischen der braven Jamie Lee Curtis und den anderen Opfern von Michael Myers aufgestellt, was die Logik späterer Filme, in der der Killer als Erziehungsinstrument für sex- und drogengeile Teenager fungiert, zumindest in Ansätzen vorwegnimmt. Zum anderen wurde die gesichtslose Figur Michael Myers zum Prototyp des killer-as-cypher Musters, in dem der Mörder selbst gesichts-, emotions- und im Grunde auch motivationslos ist. Zwar hat Myers das Ziel, seine Familie auszulöschen, ein konkretes Motiv wird allerdings durch die ganze Serie hindurch nicht gegeben. Ähnlich verhält es sich mit Freddy und Jason: Es wird zwar anfänglich eine Grundmotivation durch ihre Herkunftsgeschichte gegeben, letztlich bleiben ihre Taten aber ohne ersichtlichen Beweggrund. Sie sind eben da und tun, was sie tun. Dabei hilft es, dass sie zudem grundsätzlich - wiederum wie Meyers - unzerstörbar und unaufhaltsam wie eine Naturmacht sind.
Natürlich rief dieser enorme Erfolg auch Nachahmer auf den Plan, allen voran Sean S. Cunningham und sein krudes Slasherwerk "Freitag der 13." (1980), der zwar die Hintergrundgeschichte um den im Ferienlager Chrystal Lake ertrunkenen Jason Voorhees präsentierte, nicht jedoch Jason selbst. Wer "Scream" gesehen hat (und wer hat das nicht?), weiß natürlich, dass nicht Jason der Killer war, sondern seine Mutter, die sich für den Tod ihres Sohnes rächen wollte. Im Format sollte sich daher der erste Film der "Freitag der 13."-Reihe von sämtlichen Nachfolgern unterscheiden, denn er verwendete ein Whodunnit-Muster, bei dem man den Mörder den Film über nicht zu Gesicht bekommt und er (bzw. sie) erst am Ende entlarvt wird. Mit Teil 2 der Serie veränderte man das Format, um damit auch Jason Voorhees präsentieren zu können: Das Whodunnit-Muster wich dem killer-as-cypher Muster, was für eine Konzeption als Fortsetzungsreihe unerlässlich war. War das Morden im ersten Teil noch rachemotiviert, so präsentierte man Jason hier als übermenschliche Tötungsmaschine (wie seine Kollegen Myers und, zu einem gewissen Grad, auch Freddy Krueger), die allerdings noch nicht ihren endgültigen Stil gefunden hat. So muss Jason hier den Großteil des Films noch mit Sack über dem Kopf rumlaufen, bevor man mit der weißen Eishockeymaske das perfekte Outfit für ihn fand.
Fortan metzelte sich Jason durch acht weitere Fortsetzungen. Wie in den anderen beiden Reihen seiner Kollegen Myers und Krueger wurde er gegen Ende jedes Films vermeintlich getötet (die Todesarten reichen in allen drei Serien von Erschießen über Verbrennen und Enthaupten bis zu Ertränken), nur um dann im nächsten Teil wiederzukehren und weiterzumorden.
Waren die Geschichten der "Freitag der 13."-Serie von jeher nicht mehr als episodische Aneinanderreihungen von blutigen Mordszenen, so wurden die Grundplots mit jedem Film abstruser, bis sie mit der Herkunftsgeschichte Jasons am Chrystal Lake so gut wie nichts mehr zu tun hatten. Da trat der verhinderte Hockeytorwart dann gegen ein telekinetisch begabtes Mädchen an oder wechselte den Stand- bzw. Schlachtort ("Jason takes Manhattan"). In einem Film mordete er sich durch ein Kreuzfahrtschiff und in einem anderen war gar nicht er der Killer, sondern ein verrückter Nachahmer. Immerhin fand man in dem bulligen Stuntman Kane Hodder in den letzten Teilen der Serie einen festen und verlässlichen Jason-Darsteller.
Und mit "Jason X" machte New Line Cinema (durch deren Kauf des Jason-Franchise Anfang der Neunziger der letztendliche Crossover von Freddy und Jason erst möglich wurde) vor zwei Jahren dann zwei entscheidende Schritte für die Serie: Zum einen war dies der erste Film, der nicht mehr "Freitag der 13." im Titel führte, was nicht nur angesichts der Tatsache Sinn macht, dass das Verkaufsargument Nr. 1 eben Jason ist, sondern auch weil der namensgebende Tag für die Serie weder thematisch noch inhaltlich eine besondere Rolle spielt. Viel wichtiger war aber die Signalwirkung, dass "Jason X" groß in die Kinos gebracht wurde (zumindest in den USA). Denn nachdem die letzten Streifen nur dem kleinen Stammpublikum per Videopremiere gereicht wurden, wollte man aufzeigen: Das Franchise ist noch nicht tot. Trotzdem zeigt auch "Jason X" entgegen einiger kleiner Modernismen und Anflügen von selbstironischem Humor (was bei einem Film, in dem Jason im Weltall metzelt, eigentlich das Mindeste ist, was man erwarten darf) wieder alle Schwächen der Serie und ist einer der schlechtesten Streifen, die es in den letzten Jahren auf die Leinwand geschafft haben.
Letztendlich sind aber die Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Teilen der "Freitag der 13."-Serie irrelevant, denn die gesamte Reihe stellt inhaltlich und thematisch den Bodensatz des Slasherfilms dar und ist in vielerlei Hinsicht für dessen Negativimage verantwortlich. So ist die Anfang der 80er Jahre geführte Gewaltdebatte direkt auf den ersten "Freitag der 13." zurückzuführen. Ohne jegliche filmisch-künstlerische Ambition waren diese Filme ein zynisches Zurschaustellen von Gewalt, mit jedem neuen Film versuchte man sich im Finden von besonders brutalen Tötungsmethoden und zeigte dabei gleichzeitig, wie ein Erfolgsschema ohne geringste Variation wiederholt werden kann. Krasser als in den anderen Serien wurde auch der Sexploitation-Aspekt hervorgestellt: So sind Jasons Opfer zumeist halb- oder ganz nackt (natürlich vor allem die weiblichen), und werden kurz vor, nach oder gar während dem Sex getötet. Die absurd-abartige und belehrende Psychologie der Filme suggeriert das Fehlverhalten der Teenager als akzeptablen Grund für ihre "Bestrafung". Verschlimmert wurde diese Tendenz noch durch die Tatsache, dass sämtliche Teenagercharaktere in den "Freitag der 13."-Filmen Figuren ohne jegliche Charaktertiefe sind (und ihre Darsteller oftmals auf Laien- und Schultheaterniveau), sondern so leere Symbole wie Jason selbst. Sie werden als dümmliches Schlachtvieh dargestellt, das es auszumerzen gilt. Die "Freitag der 13."-Serie mit ihrem konstanten Mix aus Sex und Blut und dem latenten Appell an die niedersten Instinkte ist die mit weitem Abstand belangloseste, zynischste und schlechteste Slasherreihe. Selbst die einfallslosesten Filme der anderen beiden Serien überboten noch locker das Niveau von Jasons Metzeleien.
Während auch die "Halloween"-Serie in den Fortsetzungen, die sich mit Michael Myers beschäftigten, immer belangloser wurde und kaum etwas mehr an das grandiose Original erinnerte, erschuf Wes Craven 1984 mit "A Nightmare on Elm Street" einen modernen Genreklassiker und den kreativ einfallsreichsten Schlitzer in dessen Hauptfigur Freddy Krueger. Freddy selbst ist einer der besten Horrorbösewichter überhaupt, ein untoter Kindermörder, der sich an seinen eigenen Mördern (er wurde von einem wütenden Elternmob verbrannt) rächt, indem er ihre Kinder in deren Träumen tötet. Der erste "Nightmare on Elm Street" ist ein spannender, visuell einfallsreicher Film, der die Möglichkeit, Menschen in ihren Träumen zu verfolgen und zu töten, für einige sehr gelungene expressionistische Setpieces nutzt. Und (noch) jenseits jeglicher Ironie ist Krueger ein äußerst furchterregender Gegner. Zudem wird hier die Teenagerheldin Nancy deutlich besser ausgearbeitet, als es in jedem "Freitag der 13."-Film je der Fall war.
Überhaupt: Die besten Filme der "Nightmare"-Serie weichen im positiven Sinne deutlich von der Slasherformel ab, die zwar kommerziell erfolgreich, aber künstlerisch desaströs ist. So werden die Teenager in diesen Filmen weitestgehend als richtige Figuren dargestellt. Zwar gibt es auch hier Stereotypen und Typisierungen (der/die Kreative, der/die Toughe, der/die Rationelle, der Witzbold etc.), aber die "Nightmare"-Serie zeigt wirkliches Interesse an ihren Teenager-Protagonisten. Am deutlichsten zu sehen ist dies in Teil 3, in dem die titelgebenden "Dream Warriors", also Teenager, die Freddy in ihren Träumen gegenübertreten, mindestens so sehr im Mittelpunkt stehen wie Freddy selbst.
Teil drei, der zudem die Hauptdarstellerin des ersten Teils, Heather Langenkamp, zurückholte, ist sowieso einer der besten Teile der Serie, was nach dem völlig missglückten zweiten Teil dringend notwendig war. "A Nightmare on Elm Street 2 - Freddy's Rache" ist der mit Abstand schlechteste Teil der Serie, ein obskurer Film, dessen einzig interessanter Aspekt sein gar nicht so sehr subtiler homoerotischer Subtext ist. So gibt ausgerechnet Marshal Bell, einer von Hollywoods harten Hunden, den schwulen, zackigen Sportlehrer, der von Freddy in Sadomasomanier nackt ausgepeitscht wird, bevor dieser ihn massakriert. Krueger als Manifestation des latent homosexuellen Ichs der Hauptfigur Jesse? Vielleicht, vor allem aber grober Unfug. Der zudem die Stärken des ersten Films, nämlich die Faszination von Alptraumwelten, nahezu komplett ignorierte. Dass es eigentlich immer einen Qualitätsabfall zwischen Original und Sequel gibt ist die eine Sache, aber selten war er so groß wie hier.
Also besann man sich für Teil drei der Stärken der Story, holte zudem Wes Craven als Berater und Produzenten mit ins Boot und schon lief es besser, wie auch in Teil Vier. Keinen geringen Anteil an der relativ hohen Qualität dieser Filme hat auch die Tatsache, dass man durchaus namhafte Schauspieler gewinnen konnte, wie etwa Yaphet Kotto oder eine blutjunge Rosanna Arquette. Und Teil Vier wurde immerhin von einem noch vor seinem Durchbruch stehenden Renny Harlin ("Stirb Langsam 2") gedreht, der schon hier zwar nicht tiefgründige, aber ausgesprochen unterhaltsame Popcornware ablieferte.
Allerdings zeugten auch diese beiden relativ gelungenen Streifen von einer veränderten Konzeption im Rahmen der Serie, der der "Nightmare on Elm Street"-Reihe letztlich kreativ (und auch kommerziell) das Genick brach: Nach den ernsten ersten beiden Teilen wurde Freddy Krueger mit Teil Drei beginnend mehr und mehr zu einer selbstironischen, nie um einen Spruch verlegenen Popkulturikone aufgebaut; einer Art gemeiner Kasperlefigur, die ihre Opfer per bösem Streich um die Ecke bringt, meist mit flottem Oneliner der extrem schwarzhumorigen Art. Wie auch im "Freitag der 13." suchte man nach kreativen Tötungsarten für Freddys Opfer, wurde aber im Gegensatz zum stumpfen Metzelspiel des Maskenmannes wenigstens fündig. So nutzt Freddy die Schwächen seiner Opfer und münzt sie in kreative Tode um. Dennoch trieb man es damit deutlich zu weit, und spätestens wenn Freddy im sechsten Teil einen Jungen per Joystick wie in einem Videospiel bewegt, stößt dieses Konzept an seine Grenzen und wird nur noch albern. Überhaupt wurde die Reihe mit Teil Fünf ("The Dream Child") rapide schlechter und Teil sechs, angeblich der letzte "Nightmare"-Film mit Kruegers "wirklichem" Tod (daher der Titel "Freddys Finale") war nur noch ein äußerst schwacher Abklatsch einstmaliger Kreativität.
Auch Freddy-Vater Wes Craven sah mit Kummer den Niedergang seiner Schöpfung, kaufte sich nach dem sechsten Teil die Rechte an der Serie zurück und drehte 1994 mit "Wes Craven's New Nightmare" (Dt.: "Freddys New Nightmare", aber nur der Originaltitel macht in der Vermischung von Realitäts- und Fiktionsebene Sinn) den gelungensten Film neben dem Original, für sich genommen den vielleicht sogar besten Film der Reihe überhaupt. Im Grunde genommen muss man das Original und dann diesen Film im Doppelpack gucken, um die Film-im-Film-Geschichte mit unzähligen Anspielungen erst so richtig würdigen zu können. War Cravens "Scream" der überbewertete postmoderne Horrorfilm schlechthin, so ist "Wes Craven's New Nightmare" dessen unterbewertetes Pendant. Es ist faszinierend, mit anzusehen, wie Craven die selben Ideen, für die man ihm zwei Jahre später gratulierend die Hände schüttelte, hier entwickelt und ausarbeitet: Wie funktionieren die Prinzipien des Horrorfilms? Wie die der Rezeption? Was passiert, wenn wir Realität und Fiktion vermischen? Cravens fast als Metafiktion zu bezeichnende Geschichte wird nur in den Momenten schwach, in denen man auf theatralischen Horror setzt (so etwa auch das ein bisschen einfallslose Finale), ist aber ansonsten nicht nur ein gelungenes Epitaph der "Nightmare"-Serie, sondern auch einer der besten Horrorfilme überhaupt.
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