Black Widow

Originaltitel
Black Widow
Land
Jahr
2020
Laufzeit
133 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Volker Robrahn / 7. Juli 2021

Der Kino-Neustart des Marvel Cinematic Universe macht gleich noch einmal deutlich, wie sehr sich die Situation geändert hat. Denn nachdem der Solofilm mit Scarlett Johanssons „Black Widow“ aufgrund der Corona-Pandemie nun mit gut anderthalb Jahren Verspätung erfolgt, wird es ihn parallel auch sofort als kostenpflichtigen Stream bei Disney+ geben – eine Vorgehensweise, wie sie früher gerade bei den großen Marvel-Blockbustern undenkbar gewesen wäre. So ist denn auch nicht jede Kette davon begeistert, obwohl die Branche vielleicht eher aufatmen sollte, schwebte doch lange das Damoklesschwert einer kompletten Streichung des Kinoeinsatzes über ihr.

Um langsam wieder in die Marvel-Welt zurückzufinden ist „Black Widow“ aber eine recht gute Option, erfordert der Film doch nicht, die kompletten Geschehnisse der letzten großen Crossover-Filme samt Heldenschar mental parat zu haben. Vor allem nicht die aus dem „Blip“-Zeitsprung resultierenden Verwicklungen, denn dies ist die Geschichte der Natasha Romanoff vor diesem Ereignis.                                                                                           

Und da gehen wir erst einmal ganz weit zurück, als eben diese Natasha inmitten ihrer Kindheit erfahren muss, dass ihr gesamtes Leben inklusive der vermeintlich heilen Familie in der amerikanischen Kleinstadt ein vom russischen Geheimdienst inszenierter Fake ist. Für die Mission ihrer vermeintlichen Eltern waren sie und ihre Schwester lediglich Mittel zu dem Zweck eine unverdächtige Fassade aufrecht zu erhalten. Nach ihrer Flucht bleibt die „Familie“ in der Welt der Agenten und Natasha wird mit ihrer Schwester Yelena (Florence Pugh) zu unfreiwilligen Teilnehmerinnen des „Black Widow“-Programms, einer Gruppe von praktisch willenlosen Profikillerinnen, die ganz nach den Wünschen des Programmleiters Dreykov (Ray Winstone) agieren müssen. Um auch die anderen Frauen aus dessen Fängen zu befreien, müssen sie sich dabei schließlich eher widerwillig mit ihren ehemaligen Pseudo-Eltern zusammentun.

Zeitlich bewegen wir uns hier in der „Civil War“-Phase, als Natasha Romanoff sich auf die regierungskritische Seite von Captain America stellte und daher als gesuchte Verbrecherin galt. Eine Situation, die das Agieren nochmal schwieriger macht, zumal sie dadurch irgendwann auf der schwarzen Liste gleich beider Supermächte steht. Letztlich ist es nur mit Hilfe der extrem dysfunktionalen und zudem ja auch unechten Familie möglich, überhaupt voranzukommen.

Da diese neben den beiden toughen Schwestern noch aus der reichlich abgebrühten Melina und dem genauso superstarken wie unberechenbaren Alexei - seines Zeichens als „Red Guardian“ einst eine Art sowjetischer Gegenpol zu Captain America - besteht, ist für reichlich Zoff gesorgt. Und diese etwas andere, schnell ausartende „Wiedersehensfeier“ liefert dann einige der Highlights eines Films, der sich in Ton und Aufbau doch sehr stark von den sonstigen Marvel-Beiträgen unterscheidet, zumindest von den Ensemblefilmen. Nicht zuletzt dank einer charismatischen Performance von „Stranger Things“-Sheriff David Harbour als wildem Raufbold finden sich hier aber auch die mit Abstand witzigsten Momente des Films.

Aber es war ja schon immer eine Stärke des MCU sich bei den einzelnen Helden dann auch recht konsequent ins jeweils passende Genre zu begeben, und deshalb sieht ein Film über den Magier Dr. Strange eben völlig anders aus als die Teenager-Eskapaden eines Spider-Man oder die Götterwelt der Asen um Thor. Wenn wir es nun also mit einem echten Agentenfilm zu tun haben, in dem der Kalte Krieg nie so wirklich geendet hat, dann ist es absolut passend die Atmosphäre derart kühl bis frostig aufzubauen wie es hier der Fall ist.

Dementsprechend natürlich auch mehr Bodenständigkeit in Sachen Action, sprich Kämpfe von Frau zu Frau (denn das weibliche Geschlecht dominiert hier klar) sowie eher handelsübliche Waffen und Ausrüstung. Ein paar S.H.I.E.L.D.-ähnliche Luftschiffe gibt es zwar auch zu bestaunen, aber vom Gigantismus der epischen Beiträge des Marvel-Universums bleibt man durchgehend weit entfernt.

Das Tempo wird nach dem fulminanten Auftakt in der Schläfer-Familie zunächst deutlich rausgenommen, zieht dann aber spätestens mit dem ersten Aufeinandertreffen der erwachsenen Schwestern wieder an. Mit der ohnehin praktisch immer für Begeisterung sorgenden Florence Pugh („Midsommar“, „Lady Macbeth“„Little Women“) hat man der auch nicht gerade uncharismatischen Scarlett Johansson dabei eine mehr als ebenbürtige Partnerin an die Seite gestellt, die ihr mit ihrem rotzigen aber stets absolut glaubwürdigen Auftreten durchaus ein wenig die Show stiehlt und sich unbedingt für weitere Einsätze im MCU empfiehlt.

Die Story selbst und auch der Hauptbösewicht samt Gehilfen hinterlassen dagegen deutlich weniger Eindruck und auch an den Realismus und die Tiefgründigkeit des thematisch recht ähnlich gelagerten „Red Sparrow“ mit Jennifer Lawrence reicht man nicht heran. Aber das ist auch kaum erwart- und machbar bei einem Werk, das sich halt immer noch in den Bahnen des Marvel-Universums mit all seinen Superhelden und übernatürlichen Elementen bewegt.

„Black Widow“ lebt stattdessen von seiner exzellenten Darstellerriege, der gewohnt überdurchschnittlichen Inszenierung und einer gelungenen Atmosphäre. So überflüssig, wie der eine oder andere den nachgeschobenen Film zu einer vermeintlich bereits auserzählten Figur empfunden hat, fällt der Schwanengesang der Schwarzen Witwe daher keineswegs aus.

Bilder: Copyright

Dass die Kinobranche bei einem zeitgleichen Kino- und Disney+ Start eher aufatmet ist eine sehr eigenwillig Interpretation, insbesondere wenn man bedenkt, dass zwei Kinoketten und viele weitere unabhängige Kinobetreiber*innen den Film komplett boykottieren. Dabei ist mit der Cineplex Gruppe, die (je nach Betrachtungsweise) größte bzw. zweitgrößte Kinokette Deutschlands und auch Kinopolis inklusive ihrem Flaggschiff Mathäser in München.
Auch wenn ihr euch in den letzten immer stärker dem Streaming gewidmet habt, hätte ich mir doch gewünscht, dass auch dies zu mindestens thematisiert worden wäre und anstatt nur "Hurra Disney" zu rufen.

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7
7/10

@Cinechamp:
Der Einwand mit dem teilweisen Boykott ist berechtigt, daher habe ich den entsprechenden Satz dahingehend abgeändert, wie die Branche angesichts der zuvor drohenden Komplettabsage des Starts meiner Meinung nach eher reagieren SOLLTE. Was nicht mit "Hurra Disney" gleichzusetzen ist.

Denn ich denke schon, dass der doch recht stolze Extrapreis für den Stream den Kinos eine gute Position als reizvollere Alternative verschafft.

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Antwort auf von Volker Robrahn
7
7/10

Der "recht stolze Extrapreis" relativiert sich recht schnell, wenn man den Film mit mindestens einer weiteren Person anschauen wird.
Mein Junior schaut ebenfalls die Marvel-Filme und wenn ich nun überlege, was mich 2 Kinokarten kosten, dann ist der Extrapreis für Disney+ plötzlich nicht mehr so stolz.

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