Atlas

Land
Jahr
2024
Laufzeit
118 min
Regie
Release Date
Streaming
Bewertung
5
5/10
von Matthias Kastl / 24. Mai 2024

Dank Chat-GPT ist das Thema Künstliche Intelligenz ja nun auch in der breiten Öffentlichkeit in aller Munde. Für Filmschaffende wiederum bieten die damit verbundenen und genauso faszinierenden wie beängstigenden Zukunftsszenarien natürlich jede Menge Stoff für packende Geschichten. Mit “Atlas“ widmet sich nun Netflix diesem Thema und erschafft dabei eine unglaublich gut recherchierte und faszinierend aufgebaute KI-Zukunftsversion. Diese nutzt man für eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Chancen und Gefahren Künstlicher Intelligenz und verbindet diese dann auch noch mit der spannenden philosophischen Frage, was unser Menschsein eigentlich ausmacht und ob in dieser Zukunft überhaupt noch Platz für unsere Spezies ist.

Kleiner Scherz – man darf ja mal träumen. Netflix lässt natürlich viel lieber Jennifer Lopez mit einem Kampfroboter eine Armee durchgeknallter KI-Roboter im Weltall niedermähen. Das ist in “Atlas“ oft genauso dumm wie befürchtet, insgesamt aber dann doch auch etwas unterhaltsamer als gedacht geraten – unter der Voraussetzung, dass man seine Ansprüche ein paar Stockwerke tiefer lagert. Denn schon die gleich zu Beginn sehr reißerisch präsentierte Backstory rund um durchdrehende und sinnlose Massaker veranstaltende KI-Roboter macht einem schnell klar, dass hier rein intellektuell wohl nix zu holen ist.


Angeführt vom nicht wirklich charismatischen Superroboter Harlan (Simu Liu, “Shang-Chi and the Legend of the Five Rings“) setzen sich die rebellierenden Maschinen nach diesem Vorfall per Rakete ins Weltall ab, um dort in bester Bösewicht-Manier am Masterplan für die Eroberung der Erde zu werkeln. Das der nicht so komplex ausfallen kann sollte eigentlich auch General Boothe (Mark Strong, “Sherlock Holmes“, “Cruella“) merken, als dieser mit einem Elitekommando einen Schläfer-KI-Roboter auf der Erde einfängt. Dessen künstliche Intelligenz scheint nämlich vor allem auf dem Anschauen von Action-Filmen der 1980er Jahre zu basieren, denn das mit dem sinnlos in der Gegend rumballern und dabei möglichst cool und grimmig gucken bekommt er in absoluter Perfektion hin (so wie auch seine Kollegen im Rest des Filmes). Aber sicher ist sicher und so schickt Boothe unter der Führung von Colonel Banks (Sterling K. Brown, “American Fiction“, “Predator - Upgrade“) ein Eliteteam mit KI gesteuerten Kampfrobotern zu Harlans Planeten. Mit dabei ist die genauso geniale wie sozial unverträgliche Atlas (Jennifer Lopez, “Hustlers“, “The Cell“), die mit bewährten Teilen aus dem Baukasten für generische Action-Heldinnen ausgestattet wurde. Darunter dem Trauma, dass einst ihre Mutter mit der Weiterentwicklung von Harlan betraut war – was natürlich später noch eine wichtige Rolle spielen wird.

Das mit dem generischen Baukasten lässt sich im Film auch auf die Aufbereitung der Welt übertragen, denn vom sinnlos wild blinkenden Städtedesign bis zu planlos durch den Hintergrund fahrenden Hilfsrobotern wirkt vieles in dieser Zukunftsversion eher schlecht kopiert als wirklich kreativ durchdacht. Und so sieht dann auch ein fremder Planet hier eben so aus, als ob man der Effektecrew mit einem aufmunternden “angucken und einfach mal machen“ eine DVD von “Avatar“ und ein paar Computerspiele in die Hand gedrückte hätte. Das Ergebnis ist ein Planet auf dem sich alle 50 Meter aus unerfindlichen Gründen die Vegetation ändert und auf dem natürlich auch bunte Riesenpilze wachsen, weil das halt irgendwie cool aussieht.


Angereichert wird das mit wild aber nicht sonderlich spannend inszenierten Actionsequenzen, deren meist simples Geballere und Gekloppe kaum den Verdacht nahelegt, dass die Beteiligten auf beiden Seiten hier stets von irgendeiner Art Künstlichen Intelligenz unterstützt werden. Irgendwie ist es aber auch beruhigend-nostalgisch, dass auch ein High-Tech-KI-Roboter seine Gegner in der Zukunft am liebsten zu persönlichen Duellen herausfordert und dafür auch gerne auf überdimensionale Wummen zurückgreift.

Das klingt nun alles irgendwie ganz schlimm, ist in der Praxis aber dann mit der richtigen Grundeinstellung hier und da doch auch unterhaltsam. Ist am Anfang die vom Charakter als sehr verbittert angelegte Atlas noch etwas nervig, wird einem die toughe Dame mit der Zeit doch zumindest ein klein wenig sympathisch. Nicht das Jennifer Lopez hier schauspielerische Höhenflüge hinlegt, doch mangelnden Einsatz und Herzblut für diese Rolle kann man ihr definitiv nicht vorwerfen – im Gegensatz zu den sehr blassen Auftritten ihrer männlichen Kollegen Brown, Strong und vor allem Liu. Bei all dem Unsinn um sie herum einen durchaus funktionierenden emotionalen Anker abzugeben ist tatsächlich eine durchaus respektable Leistung von Lopez.
 


Das größte Plus des Filmes ist aber die Beziehung zwischen Atlas und ihrem KI-gesteuerten Kampfroboter. Die müssen sich im Laufe der Handlung nämlich erst einmal miteinander synchronisieren und dieses gegenseitige “Kennenlernen“ ist vielleicht nicht sonderlich intellektuell aber doch hier und da ganz amüsant geraten. Was dazu führt, dass man dieses ungleiche Duo doch zumindest ein wenig ins Herz schließt und es am Ende einem eben nicht völlig egal ist, was mit dem KI-Blechkameraden geschieht. Das soll jetzt bitte nicht wirklich als eine Empfehlung für diesen Film gesehen werden, aber es zeigt doch zumindest, dass so ein Spritzer Sympathie für die Protagonisten selbst den größten Unsinn doch noch halbwegs erträglich gestalten kann. Da haben wir von Streaming-Anbietern schon deutlich schlimmere Sci-Fi-Machwerke gesehen. Wobei es aber definitiv nicht schadet, wenn man sich bei “Atlas“ noch mal entspannt ein oder zwei Bier vor dem wirklich komplett hanebüchenen großen Endkampf gönnt. Soll sie ruhig kommen, die große KI-Revolution...

Bilder: Copyright

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