
Im Jahr 2009 erhält die amerikanische Regierung durch eine Gruppe von Wissenschaftlern rund um Adrian Helmsley (Chiwetel EJiofor) die vertrauliche und erschütternde Information, dass unsere Zivilisation schon in wenigen Jahren dem Untergang geweiht ist. Nicht weil das in alten Maya-Kalendern genau so voraus gesagt wird, sondern weil eine Sonneneruption die Erdkruste und den Erdkern instabil machen wird und sich als Folge die Pole verschieben. Nur ein kleiner Kreis von Menschen wird eingeweiht und Vorkehrungen für eine Evakuierung getroffen. Dies ist aber nur für einen Bruchteil der Weltbevölkerung möglich, der entweder als wichtig genug erachtet wird oder sich mit entsprechenden Geldbeiträgen einkauft. Doch die Berechnungen der Fachleute erweisen sich als fehlerhaft, das Ende kommt früher als geplant. Im Jahr 2012 stößt der erfolglose Buchautor Jackson Curtis (John Cusack) bei einem Ausflug mit seinen Kindern auf merkwürdige Vorkommnisse und erfährt so von der bevorstehenden Katastrophe, die sich schon bald in Form von ersten Erdbeben und aufbrechenden Straßen bemerkbar macht. Gegen alle realistischen Chancen und die knapper werdende Zeit versucht Jackson, seine Familie zu retten.
Eine kurze Inhaltsangabe, die wirklich nicht viel mehr als den Auftakt der Geschichte beschreibt, denn danach kommt noch so Einiges und des Kinos leidenschaftlichster Städtevernichter fährt jetzt aber mal ganz große Geschütze auf. Sollte sich irgendwer gefragt haben, ob wir sowas nicht schon mal in Form eines "Deep Impact" oder "Armageddon" hatten und Roland Emmerich nun anfängt nur noch seine eigenen Zerstörungsorgien der Kategorie "Independence Day", "Godzilla" oder "The Day after Tomorrow" zu zitieren, dann lautet die Antwort "Nein, sowas hatten wir noch nicht".

Und das ist auch gleich die überraschendste Erkenntnis nach Betrachten von "2012". Denn in Sachen Katastrophentourismus geht dieser Film weit über die eben Genannten hinaus und im Vergleich zum thematisch noch am ähnlichsten gelagerten Klimawandel-Ökothriller hat man diesmal einfach alle wissenschaftliche Seriosität und ökologische Botschaft weggelassen und setzt dafür einzig und allein auf Action im Großformat. Erdbeben und Vulkanausbrüche, Feuerbälle, Wassermassen und eine Sintflut biblischen Ausmaßes - mit einer einzigen simplen Naturkatastrophe gibt sich Emmerich jetzt nicht mehr zufrieden, sondern bringt hier alles in einem Film unter, was nur denkbar ist.
Etwas mehr als zweieinhalb Stunden nimmt er sich dafür Zeit, und den Vorwurf es dabei auch nur sporadisch langweilig werden zu lassen, kann man ihm zumindest nicht machen. Emmerichs Aussage, "das Publikum wird nicht unterscheiden können, welche Effekte dabei aus dem Computer kommen und welche nicht" ist aber zumindest mal diskussionswürdig, denn das mag man für die beeindruckenden Sets des großen "Arche Noah"-Finales noch durchgehen lassen, die Flucht des Häufleins Verzweifelter per Auto oder Flugzeug kann ihre digitale Herkunft dagegen kaum verleugnen. Insbesondere die erste längere Actionsequenz inmitten des von Erdrissen geplagten Los Angeles wirkt doch arg künstlich und weist mit ihrer hemmungslos übertriebenen Art der Inszenierung bereits den Weg für alles noch Folgende. Denn von diesem Moment an kann man sich bereits beruhigt darauf verlassen, dass unsere Helden immer genau um einen Wimpernschlag der Umarmung des Todes in Form von sich auftuenden Schluchten entkommen und exakt eine Handbreit vor jedem einschlagenden Feuerball herlaufen werden.

Einen weiteren Satz vorgeblicher Selbstreflexion muss man den dafür Verantwortlichen sogar komplett um die Ohren hauen, denn die Behauptung "Am wichtigsten war dabei die Entwicklung von Charakteren, die die Katastrophe auf eine menschliche Ebene herunter brechen" konnte wohl nur in gedruckter Form im Presseheft veröffentlicht werden, da jeder der Beteiligten, der ihn laut aussprechen würde, sonst nämlich unvermeidlich rot anlaufen müsste. Nein, meine sehr verehrten Freunde der Apokalypse, das war mit Sicherheit nicht das Wichtigste hier, sondern nicht mehr als ein notwendiges Plot-Element. Welches wohl einzig und allein dem Wissen geschuldet ist, dass man sein Publikum nicht 150 Minuten Dauerfeuer aussetzen kann ohne das es irgendwann ermüdet oder schlichtweg das Interesse verliert, weil bei ihm die kindliche Freude am Kaputtmachen vielleicht doch nicht ganz so stark ausgeprägt ist wie beim dabei offensichtlich immer noch porös werdenden Regisseur.
Und deshalb haben wir es also mit dem ewigen Sympathieträger John Cusack als Hauptfigur, Chiwetel Eijofor ("Amistad", "Children of Men") als Wissenschaftler und moralische Instanz sowie in Gastrollen "Lethal Weapon"-Veteran Danny Glover als charismatischer Präsident (tja, vor der Obama-Zeitenwende wäre diese Besetzung noch eine Schlagzeile wert gewesen…) und Charakterkopf Woody Harrelson als nur halb spinnerter Verschwörungsfanatiker zu tun. Die Familienkonstellation rund um den erfolglosen Buchautor Jackson Curtis wirkt dabei wie direkt aus dem artverwandten "Krieg der Welten" übernommen, in dem sich Tom Cruise ja ebenfalls mit einer meckernden Exfrau und zwei störrischen Kindern herumzuschlagen hatte. Dass Hollywoods Drehbuchautoren also offensichtlich einen drohenden Weltuntergang als die beste Voraussetzung für das Flicken einer dysfunktionalen Familie betrachten, dürfte den Allermeisten aber in der täglichen Praxis eher wenig weiterhelfen.

Der US-Präsident des Jahres 2012 ist also ein Afro-Amerikaner, und das ist der mit Abstand realistischste Einfall, mit dem wir es hier zu tun haben. Ansonsten ist es vermutlich das allererste Mal in der Geschichte dieses Online-Magazins, dass es heißt: Um all die Logikfehler und Fragen aufzulisten, die sich während der Betrachtung dieses Films zwangsläufig auftun, reicht auch im virtuellen Raum der Platz einfach nicht aus. Behaupten wir mal so, ohne den Lesern die Lust nehmen zu wollen doch bitte in den Kommentaren entsprechende Auflistungen zu verfassen - es dürfte eine genauso spaßige wie aufwändige Beschäftigung werden.
An dieser Stelle daher nur eine kleine Auswahl aus der Kategorie "Stirnrunzeln mit Fragezeichen": Unser hellsichtiger Romanautor Jackson Curtis hat mit seinem Schinken über die Raumfähre "Atlantis" genau zu dem Thema etwas verzapft mit dem er es nun in der Realität zu tun bekommt. Er hat von der Schwarte zwar angeblich nur etwas mehr als 400 Exemplare verkauft, trifft aber in der Sicherheitszone des Yellowstone-Nationalparks natürlich genau auf einen der wenigen Leser in Person unseres aufrechten Wissenschaftlers Helmsley. Und obwohl die Offiziellen genau dort im Park die ersten Zeichen der nahenden Katastrophe erwarten und daher dort alles absichern und beobachten, kehrt Jackson später ins noch nahezu unversehrte Gebiet zurück und zwar nachdem sich halb L.A. bereits in Richtung Ozean verabschiedet hat. Praktisch auch, dass sich ganze Kontinente exakt um so viele Breitengrade verschieben, dass der treibstoffarme Flieger mit unseren Lieblingen an Bord doch noch genau dort zum Landen kommt wo er eh hinwollte. Und wenn ein Pilot soeben noch erwähnt hat, dass er doch erst ein paar Flugstunden hinter sich hat und sich die Bezeichnung Pilot daher eigentlich verbietet, so hindert es ihn keinesfalls daran sich virtuos und elegant wie ein alter Hase durch einen Wall von Hindernissen durchzumanövrieren.

Nein, vom hohen Trashfaktor seines "10.000 B.C." hat sich Emmerich noch nicht wieder befreien können oder mögen, sondern lässt es auf der nach oben wohl immer noch nicht geschlossenen Unfug-Skala diesmal bis zum Level "vollkommen absurd" ausschlagen. Aber wenigstens ist sein neues Werk mit einer Jahreszahl als Titel auch längst nicht so öde wie die völlig verunglückte Urzeit-Mär. Im Gegenteil: Das Ganze ist sogar ausgesprochen unterhaltsam, und an Schauwerten bekommt man für sein Geld nicht oft so dermaßen viel geboten. Dieser Film sieht immens teuer aus, aber natürlich hat der sparsame Schwabe in Wahrheit wieder sehr effektiv gearbeitet und ein geringeres Budget verbraucht als man vermuten würde.
Hinwegsehen muss man dafür aber auch mal wieder über eine Überdosis an eigentlich immer unfreiwillig komischem Pathos und darüber, dass der (sich wieder selbst viel zu ernst nehmende) Filmemacher meint, dem Publikum nun erstmalig grundlegende Gesellschaftsfragen der Marke "Was macht uns erst zu Menschen und wie würden wir uns denn in dieser Situation verhalten, human oder rücksichtslos egoistisch?" entgegen zu schleudern. Da zucken wir nur mit den Achseln und verweisen lapidar auf George Pals Klassiker "Der jüngste Tag", der genau diese Fragen und das "Archen"-Thema nämlich vor mehr als 50 Jahren auch schon mal durchgekaut hat. Dies allerdings nicht annähernd so spektakulär und vergnüglich, wie nun "2012" unsere Welt untergehen lässt. Halleluja!
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