12 years a slave

Originaltitel
12 years a slave
Land
Jahr
2013
Laufzeit
135 min
Genre
Release Date
Bewertung
10
10/10
von Frank-Michael Helmke / 12. Dezember 2013

Quentin Tarantino gelang mit "Django Unchained" nicht nur einer der erfolgreichsten Filme des letzten Jahres, er brachte damit auch ein Thema auf die Leinwand, das in der Filmgeschichte bis dato sträflich vernachlässigt worden war: Sklaverei. Es entbehrt nicht einer gewissen bitteren Ironie, dass diese Aufgabe ausgerechnet Tarantino und seinem eigenwilligen Ansatz einer historisch angestrichenen Rache-Fantasie zukam, da die amerikanische Filmindustrie sich ansonsten herzlich wenig für die (jenseits der Ausrottung der Indianer) größte Schandtat in der Geschichte ihrer eigenen Nation interessiert hat - so wenig, dass die berühmtesten Sklavenfiguren der Kinogeschichte bis hierher ausgerechnet Scarlett O'Haras treu ergebene Hausdiener aus "Vom Winde verweht" waren, deren klischierte Darstellung das rassistische Konstrukt dankbarer, unbedarfter Untergebener sogar noch unterstrich. Nun ist dieser blinde Fleck endlich Vergangenheit, denn Steve McQueens "12 years a slave" ist für die filmische Repräsentation dieses dunklen Kapitels der Geschichte mindestens so relevant und bedeutsam wie "Schindlers Liste" für die Dokumentation des Holocaust. Ein Film, der nicht einfach nur wichtig ist, sondern zugleich eine cineastische Kraft ausstrahlt, dass es einem beizeiten fast den Atem rauben kann.

 

"12 years a slave" basiert auf dem gleichnamigen, historischen Tatsachenbericht von Solomon Northop, der Mitte des 19. Jahrhunderts im US-Bundesstaat New York als freier schwarzer Mann und angesehener Tischler und Musiker lebte, bis er unter dem Vorwand eines Engagements für eine künstlerische Tournee gen Süden gelockt und in der Hauptstadt Washington schließlich kurzerhand gekidnappt, in Ketten gelegt und - seiner Identität beraubt - als Sklave nach Louisiana verkauft wurde. Sein anschließendes Martyrium dauerte über ein Jahrzehnt, bevor Northop der Sklaverei entkommen und seine Erlebnisse für die Nachwelt festhalten konnte.

Um den einzig möglicherweise in den Sinn kommenden Kritikpunkt gleich vorne weg zu nehmen (und zu entkräften): Das einzige, was einen an "12 years a slave" stören könnte, ist das Fehlen eines gängigen dramaturgischen Bogens, dass dies eben keine Geschichte einer heldenhaften Flucht aus den Fesseln der Unterdrückung ist und die Hauptfigur über weite Strecken zu Passivität verdammt ist. In dieser Hinsicht ist das Hauptplakat des Films mit seiner Darstellung eines rennenden Solomon auch irreführend: Die Unmöglichkeit der Flucht, die absolute Ausweglosigkeit der Situation ist eines der zentralen Motive des Films, elementarer Teil seiner Kernaussage. Er würde seinem Thema nicht gerecht werden, würde er dem Zuschauer suggerieren, dass es nur genug Mumm und Durchhaltewillen gebraucht hätte, um der Sklaverei zu entkommen.

 

Wie unmöglich es selbst einem Menschen wie Salomon ist, der eigentlich "nur" den Beweis seiner wahren Identität antreten muss, um seine Freiheit zurückgewinnen zu können, zeigt die gesamte Unmenschlichkeit des Systems Sklaverei in all seinen Facetten. Da wird es bereits zu einer kaum zu bewältigenden Herausforderung für Solomons Durchhaltewillen, sich von der allgegenwärtigen Ungerechtigkeit nicht brechen zu lassen, sein Seelenheil zu bewahren obschon ihm zum Überleben nichts anderes übrig bleibt, als sich den Regeln des Systems zu unterwerfen.

Und die Regeln des Systems sind unerbittlich: Dass es lebensgefährlich für ihn sein kann, seine Belesenheit und Bildung zu offenbaren, muss Solomon auf dem Anwesen seines ersten "Besitzers" William Ford (Benedict Cumberbatch) lernen, als er die Missgunst eines tumben Vorarbeiters auf sich zieht. Ford steht dabei repräsentativ für die "guten" Sklavenhalter: Sich der Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit der Institution Sklaverei durchaus bewusst, beruhigt Ford sein Gewissen, indem er Güte zeigt und seinen Sklaven wohlmeinend das Wort Gottes predigt.

 

 

Die Grenzen seiner Menschlichkeit sind jedoch erreicht, sobald das Wohlergehen der Sklaven mit seinen persönlichen wirtschaftlichen Interessen kollidiert - und so wird Solomon "zu seinem eigenen Besten" weiterveräußert an Edwin Epps (Michael Fassbender), der im Gegensatz zu Ford die so ziemlich schlimmste Sorte Sklavenhalter ist: Ein durch und durch verkommenes Subjekt, der sein "Eigentum" nicht allein dadurch erniedrigt, dass er jeden Arbeiter auspeitschen lässt, der beim Baumwollpflücken weniger Ertrag als am Tag zuvor erbringt, sondern auch sein sadistisches Vergnügen mit ihnen treibt - und sei es, indem er sie mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt, damit sie für ihn tanzen. Auch Epps zitiert aus der Bibel, pervertiert das Wort Gottes allerdings zur Rechtfertigung, seine Sklaven zu knechten und zu bestrafen. Epps und seine eifersüchtige Frau Mary (Sarah Paulson) belegen, wie sehr der Mensch innerlich verrohen kann, wenn ihm absolute Macht über andere Menschen gegeben wird.

 

Diese fortwährende Grausam- und Hoffnungslosigkeit mitanzusehen, ist stellenweise schwer erträglich, dass man die Augen doch nicht abwendet, gehört zu den größten Leistungen, die Regisseur Steve McQueen hier vollbringt. "12 years a slave" ist erst sein dritter Film, und während das IRA-Gefängnisdrama "Hunger" und das Porträt eines Sexsüchtigen in "Shame" noch einem sehr überschaubaren Arthouse-Publikum vorbehalten waren, stößt McQueen nun in Gefilde vor, die nicht nur deutlich mehr Aufmerksamkeit seitens des Publikums bekommen, sondern garantiert auch von der Oscar-Akademie gewürdigt werden. Tatsächlich ist es kaum vorstellbar, dass im März irgendjemand anders für Film und Regie ausgezeichnet wird. McQueens Film strahlt eine unglaubliche Kraft aus, nicht nur weil er sein Thema so facettenreich, klischeebefreit und ungeschönt darlegt, sondern weil es dem Regisseur zusammen mit seinem Kameramann Sean Bobbitt gleichzeitig gelingt, "12 years a slave" eine so bedrückende wie betörende Schönheit zu geben. McQueens Herkunft aus der Video- und Installationskunst ist unverkennbar, zahllose Einstellungen sind wahre Gemälde, so perfekt sind sie komponiert. Resultat ist ein Werk eines wahren visuellen Künstlers - ein Film, der gleichzeitig ästhetisch und erschütternd ist. 

Unter McQueens Führung und dank des enorm starken Drehbuchs von John Ridley läuft auch das Ensemble zu reihenweise Höchstleistungen auf. Die relativ kurzen Auftritte von Paul Dano und Paul Giamatti sind von beängstigender Intensität, Sarah Paulson ist ein Teufel in Gestalt einer erhabenen Hausherrin. Lupita Nyong'o als Sklavin Patsey, deren Leben gerade aufgrund ihrer Schönheit zur besonderen Hölle auf Erden wird, ist eine Oscar-Nominierung als beste Nebendarstellerin ähnlich sicher wie für Michael Fassbender, der hier nun schon zum dritten Mal unter Steve McQueen agiert und für den eine Auszeichnung mit dem wichtigsten Filmpreis der Welt ohnehin längst überfällig ist. Über allem thront indes Chiwetel Ejiofor, dessen Karriere bislang auf charismatischen Nebenrollen fußte und der hier nun in der Tat die Leistung seines Lebens vollbringt. Seine Darstellung von Solomons Kampf um einen Rest Würde und den Erhalt seiner eigenen Menschlichkeit ist bravourös. Einzig Brad Pitt (der auch als Co-Produzent agierte) wirkt in seiner kleinen, aber sehr bedeutsamen Rolle etwas aufgesetzt und unüberzeugend.


"12 years a slave" ist auch darum ein solch enormer filmischer Triumph, weil er sich eigentlich auf konventionellem Oscar-Futter-Territorium bewegt, quasi der Mainstream des Kinos mit Anspruch, sich dabei aber den Konventionen immer noch weit genug widersetzt, um sich seine Eigenständigkeit und individuelle Kraft zu erhalten. McQueens Mut zur fragmentarischen Erzählung, zu kleinen aber wichtigen Brüchen mit den üblichen Sehgewohnheiten sorgt immer wieder dafür, dass sein Film mehr und anders ist, als man es erwartet hätte. Und dass er es sogar schafft, einem Hans Zimmer einen Soundtrack zu entlocken, der gerade dadurch besticht, dass seine Orchestrierung im Kontrast zum historischen Material der Geschichte steht und eben daraus seine beachtliche Wirkung entfaltet, spricht ebenfalls Bände darüber, dass hier ein wahrer Künstler mit einer echten Vision bei der Arbeit war. 

Es hat viel zu lange gedauert, bis das Kino endlich seinen definitiven Beitrag zum Thema Sklaverei hervorgebracht hat. Hier ist er nun. Genug gesagt. "12 years a slave" gebührt der nächste Platz im Pantheon der Filmgeschichte.

Bilder: Copyright

Erstens mal wurden die Indianer nicht ausgerottet, sondern es haben sich schon weit vorher unterschiedliche Stämme beKRIEGT und bekämpft. Zweitens, einer der ältesten Sklavenfilme die ich kenne ist "Schiffbruch der Seelen" mit Gary Cooper, George Raft von 1937 und ist somit keine Sache erst seit Tarantino, mit seinem Hypefilm "Django Unchained" !!! Oder eben Amistad von Steven Spielberg.

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10
10/10

Gibt nicht viel zu sagen...durchweg gelungener Film, der von anfang bis Ende überzeugt.

Als einzigen Kritikpunkt kann man nur Brad Pitt ankreiden:

1. Warum ist er als Produzent mit der Rolle des "Erlösers" und als Systemkritiker besetzt worden?! Das wirkt irgendwie einfach nur arrogant.
2. Spielt müde seine Rolle runter und wirkt total blass neben Fassbender und Co.
3. Er wirkt wie ein Fremdkörper im Film und das nicht aufgrund seines darzustellenden Charakters.

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6
6/10

Dann will ich mal eine kleine Gegenrede zu den postiven Kritiken anführen.
Aber zuerst will auch ich die beeindruckende schauspielerische Leistung des gesamten Casts hervorheben. Somit sollte der Film bei der Oscar-Verleihung einige Preise erhalten.
Auch ist das Thema wichtig und die Geschichte hat durch die Verschleppung auch noch richtig potential.
Aber trotzdem hat mich der Film nur im letzten Drittel richtig erreicht. Die ersten beiden Drittel plätschern nur so dahin und ich glaube auch, dass den Filmemachern dies selbst bewußt war und deshalb die Erzählbrüche und Rückblenden eingebaut wurden. Für mich haben diese Brüche aber etwas von Pseudo-Filmkunst, etliche sind nicht notwendig, sondern täuschen nur eine Komplexität vor, die nicht da ist. Das sie nicht zum eigentlichen Konzept des Films gehören, wird auch ersichtlich, dass der Film ab einem bestimmten Zeitpunkt gänzlich ohne sie auskommt.
Auch die absolute Fokussierung auf die Hauptfigur Solomon Northup scheint zwar logisch, da ja der Film auf den Erzählungen von Solomon Northup basiert, jedoch zeigen schon alleine die wenigen Zeilen Inhaltsangabe bei Wikipedia, dass diese Erzählungen viel mehr den Blick auf das große Ganze richten. Das hätte ich mir viel mehr gewünscht.

*Anfang Spoiler Alarm*
Und hier hat sich der Film zu stark dem Mainstream untergeordnet und im Grunde gipfelt dies in einem rührseeligen Happy-End. Keine Frage, dies war sicher auch in der Realität ein Happy-End für Solomon Northup, aber für das Thema des Filmes, die Sklaverei, ist zu dem Zeitpunkt noch kein Happy-End gekommen.
*Ende Spoiler Alarm*

Sehenswert ist der Film natürlich trotzdem, vielleicht hat er auch 7 Augen verdient, aber ich war einfach nicht so ganz zufrieden, als ich das Filmkunstkino meines Vertrauens verlassen habe und vergebe somit "nur" 6 Augen.

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Einer der Filme der einem die Abgründe menschlicher Natur vor Augen führt. Weniger die eines Individuums als viel mehr die Untaten zu denen eine Gesellschaft in vollem Bewustsein fähig ist.

Insofern absolut sehenswert.

Filmisch stören mich jedoch einige Dinge. Zu oberst der unpassende Soundtrack und (ohne die Vorlage zu kennen) die Gewichtung einzelner Szenen zueinander.

Da ich das eine aber nicht gegen das andere abwägen möchte, bleibt der Film ohne Wertung, dafür aber mit einer klaren Empfehlung ihn früher oder später anzusehen.

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8
8/10

Super Film - Oscar reif.
Super Schauspieler - herzergreifende Story.
Doch nach dem alle und jeder den Film als zu brutal und schwer erträglich eingestuft hatte, kann ich nur sagen: so schlimm ist der Film keineswegs ---> Da gibt es schlimmerer Sklaven-Dramen.
Meiner Meinung nach ist dieser Film für jedermann geeignet. (ab 12 Jahren)

8 von 10 Punkten

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4
4/10

Ich kann den Film nur als langatmig und schlecht inszeniert bezeichnen. Der Plot gibt herzlich wenig her und die Leistung der Schauspieler fand ich auch erbärmlich, angefangen beim Hauptdarsteller Chiwetel Ejiofor, der immer nur denselben weinerlichen und betroffenen Gesichtsausdruck drauf zu haben scheint, bis hin zum nervenden Michael Fassbender, dessen Performance ungefähr so echt rüber kam wie sein angeklebter Billig-Bart. Ich kann die Lobeshymnen auf dieses Machwerk absolut nicht verstehen. Interessantes Thema verschenkt. Bin ich halt der Einzige, der das so sieht, auch egal ...

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6
6/10

Für mich eine kleine Enttäuschung, da der Film weitestgehend überzeichnet und überinszeniert ist. Es sollte handwerklich wohl alles perfekt werden und so lässt man reihenweise Stars auflaufen, unterlegt den gesamten Film mit schwerer Musik und bleibt mit der Kamera minutenlang auf Szenen oder dem Gesicht von Ejiofor. Ganz nah. In Stille. Ohne Dialog. In HD. Ganz laaaange. Das funktioniert auch mal sehr gut (beim Begräbnis des Sklaven oder bei der nächtliches "Umarmung" Fassbenders) und dann wieder gar nicht (zum Ende hin oder die ganze Auspeitsch-Szene des Mädchens).
Der authentische Hintergrund macht es auch nicht einfacher, da Story und Ende wie erwartet passieren. Und dann Brad Pitt, ein schlechter Witz von Rolle zum Ende hin.

Vielleicht hätte der Regisseur einfach mehr Distanz wagen und Ejiofor, Fassbender & Co. machen lassen sollen. Denn die sind auch ohne kameratechnischen Firlefanz grandios.

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7
7/10

Bratt Pitt ..ein super Schaupieler ..aber er passt hier nicht rein. Bei den Szenen mit "schwerer Musik " hat mich eins tierisch genervt : die große muskikalische Ähnlichkeit zu INTERCEPTION ...Komponist siehe da ..Hans Zimmer ..diese Resteverwertung hat mir den Film etwas madig gemacht ..sorry ich kann so etwas leider nicht "überhören" ..aber ja ein würdiger Nachfolger von Schindlers Liste.

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