Große Vorfreude, oder doch eher Bedenken bis hin zur Sorge und Angst? Bei den Fans der ja nun wahrlich mit einer ruhmreichen Vergangenheit ausgestatteten Franchise namens „Indiana Jones“ war emotional alles vertreten als endgültig klar war, dass es tatsächlich noch einen weiteren Film mit dem Jäger antiker Artefakte geben wird. Fünfzehn Jahre nach dem letzten, damals nur sehr gemischt aufgenommenen Beitrag, der schließlich selbst schon so eine Art unerwarteter Nachklapp war. Anderthalb Dekaden später, das bedeutet aber eben auch, dass ein Harrison Ford jetzt bereits achtzig Jahre alt ist. Wie soll das also bitte gehen ohne dass es irgendwie peinlich wird und ohne dass der Eindruck vorherrscht hier handelt es sich im Grunde doch um nichts Anderes als die überflüssige Reanimation einer bereits vor langem begrabenen Marke? Nun, wie so etwas doch erstaunlich gut gelingen kann, zeigen uns jetzt die zweieinhalb Stunden von „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“. Spoiler: Indem man einfach ein paar ziemlich gute Entscheidungen trifft.
Und da steht an erster Stelle dieses ganz bestimmte Feeling zu erzeugen, dass so viele von uns mit der Figur verbinden. Dass mit einem Auftakt anzugehen, der in der Ära spielt in der sich auch die ursprüngliche Trilogie bewegte, hilft dabei schon mal. Und so begegnen wir Dr. Jones also dementsprechend inmitten der Wirren des zweiten Weltkriegs, auf der Jagd nach einem (vermeintlich) wertvollen antiken Relikt und umgeben von einem Haufen gemeiner Nazis. Und ja, der dem wir da ins Gesicht schauen ist der Schauspieler Harrison Ford wie er vor 25-30 Jahren aussah. In ein mittels „De-aging“-Technologie künstlich verjüngtes Gesicht also. Und es gibt jetzt schon wieder zahlreiche Stimmen, die das als furchtbar creepy und unecht beklagen, und wer das so sehen will (oder diese Technik sowieso grundsätzlich ablehnt) der darf das gerne behaupten. Ich schreibe hier aber, dass Herr Ford in diesen Sequenzen einfach klasse und sehr wohl wie Harrison Ford aussieht. Um noch weiter zu gehen: Auf diesem Level der Technik kann man sich jetzt im Prinzip sogar weitere Abenteuer mit dem „klassischen“ Indy vorstellen, ganz unabhängig vom Alter des Hauptdarstellers.
Während wir uns nach dem sehr dynamischen, mit viel Gerenne und Schießereien ausgestatteten Weltkriegs-Auftakt dann ins Jahr der Mondlandung und Hippiebewegung bewegen, stellt man spätestens nach einer Stunde fest, dass es wirklich da ist: Das Gefühl einen echten Indiana Jones-Film zu sehen, der sich nicht wie ein später Fremdkörper innerhalb der Reihe anfühlt. Und es zeigt sich, dass zu den genannten klugen Entscheidungen auch die von Steven Spielberg gehört, auf die Regie zu verzichten und sie einem James Mangold zu überlassen. Schließlich war es dem Altmeister selbst schon beim letzten Versuch recht schwer gefallen überzeugend und ohne Bruch in das von ihm mitgeschaffene Universum einzutauchen. James Mangold reitet dagegen seit ein paar Jahren auf einer Erfolgswelle und begeisterte mit seinen kraftvollen Filmen „Logan“ und „Ford vs. Ferrari“ zuletzt Kritik und Publikum. Er ist der richtige Mann für dieses Projekt, fügt die Elemente so zusammen, dass sie nicht gezwungen oder übertrieben wirken (kein Kühlschrank also) und lässt das Ganze sowohl bei den Dialog- als auch den Actionszenen flüssiger und leichter wirken als es das beim Dreh vermutlich war.
Zu den sicher nicht besonders originellen, aber halt passenden Elementen gehören auch der bitterböse Nazischerge, eine weibliche Begleiterin und ein jugendlich/kindlicher Sidekick. Bei Ersterem ging man mit Mads Mikkelsen auf Nummer Sicher, der hier nicht zum ersten Mal den Oberschurken in einer großen Franchise gibt und das auch definitiv drauf hat, ohne dass der Däne hier aber so glänzen kann wie noch als Bond-Nemesis Le Chiffre in „Casino Royale“. Gleiches gilt für den soliden Thomas Kretschmann, der auch nicht zum ersten Mal als Nazi besetzt wird, und den jungen Teddy lässt man vorsichtshalber nur ganz wenige Sätze sprechen, damit auch wirklich keine Gefahr besteht, dass diese Kinderfigur ein allzu großes Nervpotenzial entfaltet.
Was auch das Stichwort für die wohl kritischste Besetzungsfrage ist, der des jüngeren Abenteurers bzw. der Abenteurerin an Indys Seite. Da wurde schließlich ein Shia LaBoeuf einst geradezu ins Bodenlose verdammt, was schon ein wenig zuviel des Schlechten war. Phoebe Waller-Bridge als Helena Shaw - Tochter eines alten Freundes von Indy, dem wir in der Auftaktsequenz begegnet waren - verkörpert nun die selbstbewusste Partnerin oder auch Konkurrentin an Indianas Seite, und wer will kann auch diese Figur sicher etwas anstrengend finden. Aber hey, so was hatten wir – bei aller Verklärung – mit Kate Capshaw als Scream-Queen im „Tempel des Todes“ selbst in der Goldenen Ära der Reihe schon in weit schlimmerer Form (an die natürliche Ausstrahlung einer Karen Allen im allerersten Film kommt Waller-Bridge allerdings nicht heran). Und Mr. Ford? Dessen Auftritt und Oneliner kann man rundherum genießen, auch wenn man weiß, dass hier diesmal natürlich ein paar mehr Körperdouble im Einsatz waren als üblich. Dennoch – und das war ja auch schon beim „Kristallschädel“ so – erweist sich das Alter des Hauptdarstellers eigentlich zu keinem Zeitpunkt als problematisch oder überhaupt als großes Thema.
Auch das „Rad des Schicksals“ fällt dabei allerdings der aktuell grassierenden kleinen Seuche namens „epische Überlänge“ anheim, die offensichtlich vorschreibt, dass kein großer Blockbuster mehr unter zweieinhalb Stunden laufen darf. Allzu dramatisch ist das hier zwar nicht, dennoch hätten so zwanzig Minuten weniger den Film sicher nicht schlechter gemacht. Womit nicht das Finale gemeint ist, dass keineswegs episch ausgewalzt wird, dafür aber ganz sicher mit dem was uns da inhaltlich aufgetischt wird für Diskussionen sorgen wird. Für den einen oder anderen dürfte das erneut eine Nummer drüber sein, auch wenn natürlich dieses Mal keine Aliens dafür verantwortlich sind. Andererseits gehörte das übernatürliche, phantastische Element aber halt schon immer zu dieser Reihe dazu, Stichwort Bundeslade oder Heiliger Gral. Und immerhin kommt das, was da in der letzten halbe Stunde geschieht, so unerwartet, dass man diejenigen, die behaupten sie hätten das alles genau so kommen sehen, getrost als Aufschneider und Wichtigtuer bezeichnen kann.
Denn das, was das mysteriöse Rad bewirkt ist schon ein ziemlicher Knaller, wie überhaupt der fünfte Indiana Jones-Film ein tolles, überdurchschnittliches Stück Unterhaltungskino darstellt. Das konnte man nicht unbedingt erwarten und darf man dann auch einfach mal anerkennen. Gut gemacht!
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