Nichts als Gespenster

Jahr
2007
Laufzeit
119 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Paula Deubner / 30. Mai 2010

 "Menschen auf Reisen", könnte man diesen Film nennen, oder auch "Menschen um die dreißig, die auf der Suche sind, reisen, und dabei auf den Moment warten, in dem ihre Träume ihren Alltag durchbrechen." Und so sind die Helden von "Nichts als Gespenster" besessen von verheißungsvollen Oberflächlichkeiten - setzen sich dabei aber selbst ganz aufs Spiel.

Da ist Caro (Karina Plachetka), die sich in den Schwarm ihrer besten Freundin verknallt und dem attraktiven Schauspieler (Stipe Erceg) heimlich in die deutsche Provinz nachreist. Da sind Felix und Ellen (August Diehl und Maria Simon), die an jedem "Scenic View"-Schild im Grand Canyon anhalten, weil die Bilder der Reise wichtiger sind als die Reise selbst. Da ist Marion (Fritzi Haberlandt), die ihren Eltern nach Venedig folgt, und zwischen der touristischen Kulisse verloren geht. Da sind Jonas und Irene (Wotan Wilke Möhring und Ina Weisse), die ihren Liebeskummer vor dem Naturschauspiel Islands vergessen wollen. Und da ist Christine (Brigitte Hobmeier), die ihrer Freundin Nora (Jessica Schwarz) auf Jamaika dabei zusieht, wie sie eine alte Beziehung aufwärmt, und von einer Affäre mit einem Jamaikaner träumt.

"Sie sehnen sich nach Nähe, aber sie finden nicht die richtigen Worte dafür", sagt Regisseur Martin Gypkens über die Figuren seines Films. Die Suche nach der Liebe, nach dem perfekten Moment ist das gemeinsame Motiv der fünf Episoden, die Gypkens mit gutem Gespür für die Dramatik der scheinbar unscheinbaren Geschichten verwoben hat.
Der gleichnamige Erzählband von Judith Hermann trägt diese Qualität bereits in sich: Die Kurzgeschichten fangen alltägliche Momente ein, unter denen ein Vulkan von Emotionen brodelt, der wie der Geysir der Island-Episode jeden Moment vorm Ausbrechen steht. Gypkens hat erkannt, wie sehr die kühle Erzählweise Hermanns bereits szenenhaft veranlagt ist, und hat zudem mit der Durchbrechung der Erzählebenen eine eigenständige filmische Interpretation des Stoffes gefunden, deren austariertes Tempo und geschickte Verflechtung überzeugt.

Dazu findet sich auf der Leinwand ein Who-is-who der jungen deutschen Schauspielszene. Alle um die dreißig, alle schon angekommen, aber noch auf der Suche - die durchweg ausgezeichnete Schauspielmannschaft trägt das Grundthema des Films ins Gesicht geschrieben. "Sich so ein Leben vorstellen" spielen Christine und Nora auf Jamaika, und überlegen, wie es wäre, Mann und Kind zu haben. Es ist der Moment kurz vorm Erwachsensein, kurz vor der Spießigkeit - mit dem insgeheimen Zweifel, ob es das überhaupt noch gibt, Spießer, wenn man es selbst schon fast ist, und: ob man jemals bei sich selbst ankommen wird.
Keine Fantasy, kein Action-Drama: ein Film über junge Deutsche. So stellt sich bei diesem Film das Gefühl der Doppelung ein: Er handelt vom Publikum selbst, vom Drama des Alltags, und von einer Generation, die alles kann und alles darf, aber entdeckt, dass es über diese Freiheit hinaus noch etwas gibt: die Verwirrung und Vielschichtigkeit des Lebens selbst, und seine Schönheit.

Wem das bekannt vorkommt, sollte sich diesen Film ansehen. Wer Judith Hermann liebt, sowieso. Da machen auch ein paar Längen nichts. Die Frage, was diese Generation eigentlich antreibt, wird im Kino gestellt, aber beantwortet wird sie davor.

Bilder: Copyright

10
10/10

gutes Review, toller Schlusssatz, werd mir den Film reinziehen. bin allerdings erst 24 ...werd ich damit die Geister rufen ?

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5
5/10

Wie trostlos, wie schrecklich trostlos! Ja, es sind alltägliche Momente, typische Situationen. Ja, sie sind alle auf der Suche nach Liebe. Und ja, die Liebe geht mitunter sehr seltsame Wege. Aber warum sind diese Menschen alle so trostlos, so langweilig, so ohne Fröhlichkeit und positive Energie? Nein, es muss kein Happy End geben, aber dieses Unvermögen sich auszudrücken, miteinander zu reden, diese unglaubliche Sprachlosigkeit ist wirklich weit von dem entfernt, was ich aus meinem Leben und meinem Umfeld kenne. Und da ist auch nicht alles eitel Sonnenschein.
Dem Film kreide ich eigentlich nichts an, er setzt tatsächlich die Welt der Judith Hermann um und macht das sehr gut. Es passiert nicht viel, aber das sind die Geschichten. Die geben eigentlich viel her, sind von der Grundidee schön, ziehen aber in der Erzählung so unheimlich runter, dass es kaum auszuhalten ist.

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3
3/10

Nee, nee, von vielen Freunden empfohlen, aber mich hat dieser Film nicht gekriegt. Erstmal wirkten einige der Schauspieler etwas hölzern (Christine und der Typ auf Jamaika z.B.) und dieses "sich nichts mehr zu sagen haben" wurde auch schon besser inszeniert bzw. hier wird es künstlich und unnötig in die Länge gezogen. Und ansonsten "im Westen nichts Neues", nichts. Die positiven Momente sind wirklich die Story mit den Gespenstern, die durch das nahhende Naturereignis erzeugte Spannung auf Jamaika und für mich die isländische Schauspielerin. Vielleicht hatte ich auch wegen der hochkarätigen Besetzung zu hohe Erwartungen.
Allerdings soll der Film frisch getrennten sehr viel gegeben haben.

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3
3/10

Als reinen Film würde ich diesem 7 Punkte geben, da er durchaus ansehnlich ist, ein wenig unterhält, ein paar schöne Momente verfolgt und mit hochkarätigen deutschen "Jung"-Schauspielern versehen ist. Aber es ist wie mit dem berühmten Aufsatz oder Gedichtinterpretation: 6, setzen, Thema verfehlt.
Den eigenen Anspruch, den dieser Film verfolgt, verliert er nahezu völlig in seinen Stationen. "Nichts als Gespenster" verfolgt inhaltlich zwar schon den oben beschriebenen Akt des "alle schon angekommen, aber noch auf der Suche" Moments, aber es findet sich nicht viel davon in der Leistung der Schauspieler oder in dem Auffangen der Kamera. Es scheint vielmehr Routine vorzuherrschen. Und eben darum geht es nicht.
Es geht um eben diese Gespenster, die viel mit Sehnsucht zu tun haben, die sich in einem Moment, meist aber in einer anderen Person, manifestieren. Als würde das Unbestimmte auf einmal eine Gestalt bekommen, das, worauf man wartet, vielleicht schon ein Leben lang. Eine Liebe, ein Blick, ein sich erfüllendes Warten. Die Routine in der die Personen schon stecken, schimmert noch durch auf der Leinwand. Aber wo bleibt die Sehnsucht? Ein paar Blicke scheinen darauf hinzudeuten, sind aber bei weitem nicht das, was der Film halten will und die Schauspieler normalerweise versprechen würden.
Die verschiedenen Orte sind arg zusammenhanglos, ebenso die Geschichten. "Sie sehnen sich nach Nähe, aber sie finden nicht die richtigen Worte dafür", sagt der Regisseur. Dass dieses Thema verfolgt wird, ist schnell klar. Aber es kommt nicht rüber. Weder die Kamera, die selbst bei wichtigen Szenen patzt und wackelt, noch die Schauspieler vermögen hier nicht-gesagtes zu spielen und ihrer Sehn-Sucht eine Bewegung zu geben. Vielmehr sind sie ihre eigenen Statisten, die mit ihrer Rolle genug haben.
Schade, denn dass es anders geht beweist zum Beispiel "Liebesleben" von Maria Schrader. Ebenso eine Buchverfilmung, ebenso ein deutscher Film, ebenso als Thema die Suche nach einem Leben, wenn auch etwas anders gelagert und wesentlich exzentrischer, mit einer klasse Hauptdarstellerin im Epizentrum dieses Erdbebens.

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10
10/10

ein wunderbarer Film, der leichtgängig zwischen Ernst und Komödie changiert, gut gespielt, gut inszeniert und schön fotgrafiert. Unsere Welt der Metrosexualität mit ihren aufgeklärten Verwöhntheiten fand ich voller Atmosphäre und mit einem ganz sicheren Gespür für die Enge dieser rührenden Suche ausgedrückt.
Leider konnte ich den Film nicht zu Ende sehen und hab es wirklich bedauert.

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