Manchester By The Sea

Originaltitel
Manchester By The Sea
Land
Jahr
2016
Laufzeit
137 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Simon Staake / 18. Januar 2017

Lee Chandler (Casey Affleck) verdingt sich in Boston als Hausmeister, geht emotionslos seinem wenig glamorösen Alltag nach und trinkt dann abends gern mal einen über den Durst, um dann in Kneipen Schlägereien vom Zaun zu brechen. Diese Routine wird jäh unterbrochen, als er einen Anruf erhält, dass sein Bruder Joe (Kyle Chandler) mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Lee macht sich sofort auf den Weg in seine alte Heimatstadt Manchester By The Sea, wo er seinem Neffen Patrick (Lucas Hedges) die schlechte Nachricht vom Tod seines Vaters überbringen muss. Als er überdies per Testament zum Vormund von Patrick bestimmt wird, gerät Lees als eigentlich nur für wenige Tage geplante Rückkehr zu einer längeren Angelegenheit. Zudem bedeutet diese Rückkehr in seine alte Heimatstadt für Lee auch eine Konfrontation mit seiner eigenen Vergangenheit dort...
 

„Manchester By The Seaˮ ist auch im wirklichen Leben die Geschichte eines Heimkehreres, eines verloren Geglaubten, ja eines verloren Gegangenen: Kenneth Lonergan war nach seinem Regiedebüt „You Can Count On Meˮ 2000 eine der Hoffnungen des amerikanischen Autorenkinos. Und dann kam „Margaretˮ. Oder besser: sie kam nicht. Lonergans mit allerlei Prominenz gespickter Nachfolgefilm sollte eigentlich 2007 in die Kinos kommen, aber ein Kampf um die endgültige Schnittfassung weitete sich in jahrelange Klagen vor Gericht aus, bevor „Margaretˮ dann sang- und klanglos 2011 in einer Kompromiss-Fassung in eine handvoll amerikanische Kinos (und genau ein britisches Kino) kam.

Retter in der Not war dann Matt Damon, mit dem Lonergan bei „Margaret“ arbeitete und der die Grundidee zu diesem Film hatte und damit an Lonergan herantrat. Aufgrund von Drehverzögerungen bei "Der Marsianer“ ist Damon hier nur noch als Produzent dabei. Dafür ist nun Casey Affleck an Bord, und man kann sich nicht vorstellen, dass Damon auch so gute Arbeit geleistet hätte wie Affleck hier. All die Manierismen, die Affleck jahrelang zu einem merkwürdigen Hauptdarsteller machten – der traurige und leere Hundeblick, die leiernde Stimme, die unter seiner Lakonie ständig unterschwellige Agressivität – sind hier nun endlich von großem Nutzen. Vielleicht hilft es auch, dass Affleck in eine Rolle wie diese hineingealtert ist und jetzt einfach glaubwürdiger daherkommt. Jedenfalls muss er auf eine Rolle wie die des Lee Chandler gewartet haben und liefert hier die beste Leistung seiner Karriere ab, die eventuell demnächst auch mit einem Oscar als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wird.

„Manchester By The Sea“ hat ein meisterhaftes Gespür für seinen Handlungsort und seine Figuren, und vor allem dafür, wie Figuren nicht aus einem Bausatz zusammengesetzt werden. Bestes Beispiel dafür ist die Rolle des Patrick, eindrucksvoll gespielt von Lucas Hedges. Patrick ist ein typischer Teenager und damit genau das, was man in Hollywood eben nur ganz selten zu sehen bekommt. Er steht nicht für irgendetwas, soll nicht eine Plotfunktion oder -motivation sein. Er ist nicht einer dieser typischen Hollywood-Teenager, die hauptsächlich über eine Charaktereigenschaft (altklug, brüterisch, ausgeflippt, etc.) definiert werden. Und er ist einer der raren Teenager, der sich wohl in seiner Haut fühlt: Spieler im Eishockey- und Basketballteam, Mitglied in einer Band und dabei, zwei Freundinnen parallel zu handhaben.

Und so sorgt Patrick auch immer wieder für Lacher, die den ernsten Ton hier auflockern, weswegen „Manchester By The Sea“ zwar emotional harte Kost, aber immer auch unterhaltsam bleibt. So kann auch die Trauer über seinen Vater nicht darüber hinwegtäuschen, dass Patrick ein typischer Teenager ist, der vor allem eines imKopf hat. Sie wissen schon. Wie Patrick versucht, eine Art Doppeldate mit Onkel Lee und der Mutter seiner Freundin Sandy einzufädeln und die nicht hundertprozentig erfolgreiche Umsetzung des Plans sorgen für ein paar Schmunzler, die „Manchester By The Sea“ gut zu Gesicht stehen. Zwei Stunden nur Trauer und Unglück wären bei aller Klasse des Films denn doch zuviel gewesen.

Während man von dem natürlichen Tempo und Rhythmus von „Manchester By The Sea“ (welche auch die Laufzeit viel kürzer erscheinen lassen) eingenommen wird, merkt man anfänglich kaum, wie meisterhaft Lonergan auch strukturell den aktuellen Trauerfall und seine Folgen mit der Tragödie in Lees Vergangenheit verwebt. Wir sehen Lee mit seiner Familie in Flashbacks, aber erst nach der zweiten oder dritten Rückblende wird klar, dass wir nicht mehrere verschiedene Momente in seinem früheren Leben erleben, sondern den letzten guten Tag im Leben des Lee Chandler. Und als der Moment dann kommt, der erklärt, warum er in Manchester By The Sea „derˮ Lee Chandler ist, ist die Sequenz brutal wie ein Schlag in die Magengrube. Zuerst ist man nicht einmal sicher, dass dies ein Rückblick ist, dann hat man Probleme genau zu verstehen, was eigentlich passiert ist. Und dann ist alles vorbei, was man gerade in den Flashbacks gesehen hat, von einem Moment auf den anderen.

„Manchester By The Seaˮ ist ein - wie von Lonergan nicht anders zu erwarten - sehr viel ehrlicherer Film, als es Dramen in Hollywood normalerweise sind. Von den unangenehmen Stillen und Pausen, wenn man mit Trauernden redet, über Lees „Fuck This!ˮ als er genug von den üblichen Beileidsbekundungen hat. All die Dinge, die im üblichen Hollywood-Drama gerne übersprungen werden, lässt Lonergan drin, in ihrer teilweise quälenden Banalität. Und Lonergan hat auch den Mut, eine Geschichte über jemanden zu erzählen, dem nicht zu helfen ist. Lee Chandler ist ein gebrochener Mann und nichts und niemand kann ihn wieder zusammen setzen. Die meisten Hollywood-Trauergeschichten sind ja eigentlich Wiedererweckungsgeschichten, in der eine emotional verschlossene oder vernarbte Figur durch die Umstände oder einen anderen Charakter wieder neuen Lebensmut schöpft oder neues Glück findet. Aber Lonergan versteht, dass manche Verletzungen so tief sind, dass sie nicht zu heilen sind und dass tragische Rückschläge im wirklichen Leben nicht dafür da sind, wie im Hollywood-Skript jemandem eine Motivation zu geben. Sondern es sind manchmal einfach tragische Rückschläge, ohne Sinn und Lehre. Und ohne Ausweg.

Wie wenig Lonergans Film bereit ist, das Hollywood-Spiel mitzuspielen, wird einem erst nach dem Betrachten von "Manchester by the Sea" klar, wenn man merkt, dass es in den gesamten über zwei Stunden des Films nicht eine einzige Szene gibt, die durch Inhalt und Form versuchte, uns zu manipulieren. Man kann als Zuschauer rechtschaffen in „Manchester By The Sea" weinen, aber Lonergan drückt nicht einmal mutwillig auf die Tränendrüse, weil er derlei Manipulation – egal ob sie gut oder schlecht gemacht ist – schlichtweg nicht nötig hat. Sämtliche Emotionen des Zuschauers ziehen sich einzig aus der Stärke der Geschichte selbst und der Charakterisierung ihrer Figuren. Und das gibt es in Hollywood – ob im Mainstream oder Autorenkino – nur noch ganz ganz selten.

„Manchester By The Seaˮ ist ein hochemotionales Drama, dass so geschickt die Fallstricke des Genres umgeht und dabei so natürlich und elegant seine Geschichte erzählt, dass es eine wahre Freude ist. Die Festwochen für Cineasten gehen also dieser Tage weiter, nach dem wir alle im letzten Jahr nicht gerade verwöhnt wurden. Wer einen der besten Filme des Jahres nicht verpassen will, sollte sich also schleunigst eine Fahrkarte nach Manchester By The Sea besorgen.

Bilder: Copyright

Hi.

Bevor ich zu meinem Anliegen – okay, meiner Kritik komme, möchte ich erst mal loswerden, dass ich diese Seite sehr gerne besuche. Die meist feinsinnige Art zu schreiben und der Wille auch auf die kleinen, oftmals bedeutenderen Dinge einer Inszenierung einzugehen, sind für mich eine große Bereicherung, da ich das Medium Film meist in seinen ruhigen wahren Momenten am meisten schätze. Danke dafür.

Nachdem das gesagt ist, muss ich leider auf einen für mich (und vermutlich auch andere) unliebsamen Umstand hinweisen, welcher mir schon des öfteren bei euch aufgefallen, aber in diesem Artikel besonders offensichtlich geworden ist. Ich spreche von der manchmal mehr, in diesem Fall deutlich weniger subtilen Herabsetzung von Hollywood-Produktionen bzw. des „Mainstream-Kinos“.
Offengestanden verstehe ich das nicht. Entweder ist ein Film gut oder er ist es nicht. Ich kann verstehen, dass es erfrischend ist, wenn eine Inszenierung sich der gängigen Konventionen entledigt und seinen ganz eigenen Weg geht, jedoch ist das weder ein zwingender Garant für Qualität, da man auch auf neuen Wegen sein Ziel verfehlen kann, noch spielt es eine Rolle.
Wie schon des öfteren kam ich beim lesen dieser Rezension nicht umhin mich zu fragen, an welchem Punkt eine Meinung, welche sich ununterbrochen über angeblich gängige Klischees entrüstet, selbst zum Klischee verkommt. In diesem Bericht schafft es der Rezensent in den beiden Schluss-Absätzen, das Wort „Hollywood“ sechs Mal in einen durchweg negativen Kontext zu betten, ohne auch nur den Versuch einer Relativierung zu unternehmen. Warum?
Ob man von einem Autoren rein literarisch betrachtet nicht etwas mehr Variantenreichtum erwarten kann, sei an dieser Stelle mal dahingestellt. Ich weiß ja, dass Sie es besser können, Herr Staake, und jeder kann mal einen schlechten Tag haben. Jedoch empfinde ich diese Art der Reflexion als ziemlich befremdlich und eindimensional. Außerdem lenkt es vom eigentlichen Thema ab.
Auf mich machte es jedenfalls den Eindruck, es sei Ihnen beim Verfassen dieses Artikels weniger um die Qualitäten des gesehenen Films gegangen, als vielmehr darum Ihren einseitigen und, sorry, pseudo-individualistischen Blickwinkel kund zu tun, dass alles, was aus Hollywood kommt, sinnentleerter Hochglanz-Müll ist. Vermutlich sehen Sie das noch nicht einmal so, aber dieser Eindruck war für mich präsenter, als Ihr schlussendliches Fazit zu diesem Film. Das ist schon sehr befremdlich.
Zum einen ist diese Denke einfach nur Käse, denn auch im seichten Gewässer der „Traumfabrik“ lassen sich in sehr regelmäßigen Abständen große und kleine cineastische Perlen vom Grund auflesen. Und zum anderen beeinträchtigt es in meinen Augen erheblich Ihre Glaubwürdigkeit, da es so nur noch schwerer fällt zwischen der aufrichtigen Liebe zu einen neuen wundervollen Stück Zelluloid, dessen Herkunft in erster Instanz unbedeutend ist, und der Heroisierung eines Indie-Titels, nur um der eignen Meinung ein Forum zu verschaffen, zu unterscheiden.
Diese Art der „Ambivalenz“ ist für mich als Leser leider alles andere als hilfreich. Ist dies nun ein Film, welcher sich nahtlos in die Riege großartiger Lebensfilme (wie ich sie gern nenne) wie Garden State, Station Agent oder This is where I leave you einreiht, oder handelt es sich um eines dieser verkopften und aufgesetzt reduzierten Anti-Mainstream-Werke, dessen vorrangige Intention seine Andersartigkeit, aber nicht seine emotionale oder gar künstlerische Brillianz ist?
Hier wünsche ich mir dann doch etwas mehr Objektivität.

Von diesem Kern-Kritikpunkt mal abgesehen, muss ich darüber hinaus noch anmerken, dass ich zwei der in der Mitte des Berichts verratenen Filmelemente als deutliche SPOILER (GILT FÜR DIE NÄCHSTEN ZWEI ABSÄTZE) betrachte.

1. Ich denke Herr lonergan hatte einen guten Grund wieso die wahre Natur besagter Rückblenden sich erst nach einiger Zeit dem Zuschauer offenbaren und sicherlich wollte er auch nicht, dass die Zuschauer seines Werkes schon im Vorfeld erfahren, dass jene Sequenzen in einen zentralen Klimax gipfeln.
Ja, die eigentliche Überraschung wird von Ihnen nicht vorweg genommen, aber es ist eben ein erheblicher Unterschied, ob ich selbst eine Party feiere oder von Freunden und Familie zum Geburtstag überrascht werde. Jemand der in einem offenen Forum Rezensionen für Leser verfasst, welche sich auch oder vielleicht sogar vor allem für Filme abseits des Mainstreams interessieren (zumindest scheint es ja die innige Hoffnung von Ihnen Herr Staake zu sein), sollte sich darüber im Klaren sein, dass diese Menschen Filme vielleicht anders, bewusster gucken als andere, und dass eine solch starke Sensibilisierung auf einen bestimmten Aspekt der Geschichte das reale Erlebnis des Films beeinträchtigt.

2. Auch wenn eines der bedeutendsten Aushängeschilder des Films seine Authentizität ist und grundsätzlich auf den späteren Verlauf oder gar das Ende des Films im Grunde nicht eingegangen wird, möchte ich mir die Hoffnung und Spannung in Bezug auf die Hauptfigur doch gerne bewahren, bis ich selbst den Abspann sehen durfte. Hier wird meines Erachtens Realität mit rohem Pessimismus verwechselt. Ich lebe auch in dieser Welt, habe wie so viele andere auch schlimme Erfahrungen gemacht und falsche Entscheidungen getroffen, jedoch sagt nichts von alledem etwas darüber aus, wie mein Leben Dienstag in zwei Jahren aussieht. Somit hallte ich es für sehr fragwürdig, ob das letztendliche Schicksal der Hauptfigur so unausweichlich und düster sein muss, wie sie es hier darstellen.
Ich bitte höflich darum, besagte Passagen zu streichen. Dafür wäre ich, aber vor allem jene Leser, welche diese Bewertung noch nicht gelesen haben, sehr dankbar.

Okay, das war´s dann aber auch schon. Für die Zukunft würde ich mir etwas mehr Feingefühl und Konzentration auf das eigentliche Thema wünschen. Auch ich kann mit dem meisten was aus Hollywood kommt, nicht besonders viel anfangen - jedoch ist das ein Thema für sich, das, wenn es zu häufig in den Kontext guter Werke jenseits dieses Systems eingeflochten wird, eine Relevanz bekommt, die es vorher nicht hatte und auch nicht verdient. Darüber hinaus hoffe ich, dass der Film so gut ist wie hier dargelegt, denn trotz aller Kritik macht diese Rezension deutlich Lust darauf.

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9
9/10

Lieber Mike, da fährst du ja einiges auf. Auf jeden einzelnen deiner Punkte einzugehen würde jeglichen Rahmen sprengen, daher hier nur kurz:

1.) Zu "Das verstehe ich nicht. Entweder ein Film ist gut oder er ist es nicht." Ja, klar. Aber was macht denn einen Film wie diesen gut? Das ausgezeichnete Spiel der Darsteller? Erwähnt. Und dann eben - für mich - die kleinen Sachen, die diesen Film deutlich von seinen herrkömmlich(er)en Kollegen abhebt, sowohl im Drehbuch als auch in der Inszenierung. Darum geht es mir, und deswegen wird dies auch mehrmals erwähnt. Das hat nichts mit "pseudo-individualistisch" oder "Käse" zu tun. Dieses Argument magst du gut finden oder auch nicht oder gelten lassen oder nicht, Tatsache ist, dass es im Hollywood-Mainstream und auch im Autorenkino (der "typische" Sundance-Film) eindeutig kodifizierte Inszenierungsstile, Plotabkürzungen und Charakterisierungen gibt, die je per Genre immer wieder gerne genutzt werden, sei es die Erinnerungsmontage, der grosse Monolog oder das anschwellende Musikstück, um nur einige "Klassiker" zu erwähnen. Und auf all dies verzichtet "Manchester By The Sea" nachhaltig, obwohl es so einfach gewesen wäre, diese Stilmittel zu benutzen.

2.) Zu der ewigen Spoiler-Frage. Wenn du schon - wie du ja sagst - öfters hier Filmrezensionen gelesen hast, dann wirst du ja wissen, dass unsere Rezensionen generell länger und zum Teil auch detaillierter sind als die unserer Kollegen in der Printpresse oder auf anderen Seiten. Wenn du dir aber wie hier geschehen über vermeintliche Spoiler beschwerst und diese sogar gestrichen haben möchtest, da kann ich nur sagen: Wenn wir als Autoren nun mittlerweile gar nicht mehr auf irgendwelche strukturellen Eigenheiten, Story- oder Figurenentwicklungen abseits der puren Grundidee, etc. eingehen können, dann stellt sich eben die Frage, worüber wir überhaupt noch schreiben können, sollen und dürfen, dem Willen von Lesern wie dir entsprechend. Weder ich noch unser Chefredakteur haben die von dir bemängelten Passagen als Spoiler empfunden. Zumal es ja mittlerweile eine Gruppe von Internetlesern gibt, die jede auch nur halbwegs aus der Grundplotkonstruktion herausragende Beobachtung automatisch als Spoiler niederschreien. Ob du da nun zugehörst, kann ich nicht beurteilen, aber ich sage dann mal: Wer wirklich so arg Spoiler-allergisch ist, dass er so gut wie nichts über eventuelle Story- oder Charakterentwicklungen (deren Besprechung ja oftmals den Kern einer Renzension wie wir sie hier pflegen ausmachen) wissen will, der sollte eben solche ausführlichen Besprechungen wie die unseren nicht bzw. erst nach dem Kinobesuch lesen. Du regst dich hier schon mal vorsorglich über etwas auf, was du nicht gesehen und damit - sind wir ehrlich - auch nicht wirklich beurteilen kannst, jedenfalls nicht inwiefern dies nun deinen Filmgenuss beeinflusst oder spoilert. Wie immer habe ich mich bemüht, in der Inhaltsangabe möglichst vage zu bleiben, so dass unsere Anti-Spoiler-Leser sich Bewertung und Inhaltsangabe angucken können und dann entscheiden können, ob sie mehr wissen wollen oder ihnen dies reicht.

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Also, vielleicht bin ich ja zu dumm für diesen Film, aber ich war extrem enttäuscht. Mal abgesehen von den vielen nervigen Schnittfehlern (die Szene, als Patrick seine Mutter besucht und am Tisch sitzt) fand ich einiges wirklich schwach: Hat Casey Affleck noch einen zweiten Gesichtsausdruck? Und wenn ja, warum hat er ihn nicht mit zum Dreh gebracht? Ach, Pardon, er hat ja zwei: grimmig-nüchtern und grimmig-betrunken. Und wenn ich einen Hauptdarsteller eine extrem dramatische Geschichte erzählen lasse (Stichwort: Ich war mal kurz Bier holen), was mache ich dann? Natürlich, ich klatsche dramatische Musik über seine Rede, damit auch der letzte Trottel merkt: Aufpassen, das ist jetzt ganz dramatisch und wichtig.

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9
9/10

Außergewöhnlicher Kinofilm. Ich habe diesen Film von vorne bis hinten genossen. Um kurz an die obigen Kommentare anzuknüpfen: ich schaue Filme aus der gesamten Bandbreite von "typischen Hollywood Produktionen" bis zur "low-budget Indieperle". Manchester By The Sea war für mich etwas besonderes. Grund hierfür ist vor allem das Drehbuch. Die Wechsel zwischen dramatischen und humorvollen Passagen waren für mich persönlich perfekt. Ergebnis ist das vom Kritiker genannte kurzweilige und unterhaltsame Kinovergnügen!

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Gerade sind in der Nähe von Würzburg 6 Teenager bei einer Party im Gartenhaus ums Leben gekommen - auch hier war ein Holzofen der Auslöser. Gefunden wurden sie vom Besitzer der Gartenhütte, der bei dem Unglück selbst seine beiden Kinder verlor. Ob dieser sich bzgl. des Versagens des Ofens Vorwürfe macht, weiß ich nicht. Aber es würde die Parallelen zu 'Manchester by the sea' nur um so beklemmender machen :(

'Unterhaltsam' ist für diesen Film das falsche Wort - er geht unter die Haut, und zwar ganz tief. Wie dünn die Membran, die ein normales, ja glückliches Leben von einem solchen in purer Verzweiflung trennt, ist - und wie schnell sie reissen kann - wird einem hier wieder einmal eindrücklich vor Augen geführt. Wäre Lee auf halbem Wege zum Supermarkt seiner Eingebung gefolgt und umgekehrt - alles wäre wahrscheinlich noch mal gut gegangen. Aber er hat es nicht getan...

Das der Film nicht ausschließlich in Düsternis versinkt, ist Lees Neffe Patrick zu verdanken. Er hat zwar durch den frühen Tod seines Vaters auch einen Schicksalsschlag zu verarbeiten, verliert dabei aber nie seinen Optimismus und seine Lebensfreude. Aus meiner Sicht eine absolut reife Leistung des jungen Darstellers.

Perfekt zur melancholischen Grundstimmung des Films passt auch die Musik, die sich nie aufdrängt, aber bestimmte Szenen eindrücklich abrundet.

Der Film wirkt nach. Ich kann ihn nur empfehlen...

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7
7/10

Glaube, es hängt sehr von der Tagesform des Betrachters ab, welche Wirkung dieser Film bei einem hinterläßt. Tatsächlich ein Streifen, den man nicht ganz so einfach einordnen kann und der etwas schwer zu greifen ist. Für mich hat die Mischung aus Drama mit durchaus komödiantischen Elementen recht gut funktioniert. Wäre die Rolle des Neffen nicht so angelegt gewesen, wie sie nun mal angelegt ist, hätte der ganze Film in reiner Schwermut versinken können. So wird die Tragik und die Schwermut aber immer wieder gebrochen und aufgelockert – ohne, daß hierbei die Tiefe verloren geht oder etwas unangemessen lächerlich gemacht wird. Ich kann nachvollziehen, daß manche mit dem eingeschränkten Minenspiel von Casey Affleck in diesem Film ihr Problem haben. Es ist aber nun mal der Rolle geschuldet und hierfür durchaus passend und angebracht. Der Typ ist eben abgestumpft und fertig und gedenkt sein Restleben a la „Dienst nach Vorschrift“ runter zu leben. Da ist die Bandbreite an Emotionen grundsätzlich mal eindimensional eingeschränkt. Und wer weiß – vielleicht ist ja Casey Afflecks Performance in „Manchester by the Sea“ eine einzige Hommage an Altmeister Buster Keaton?

Ein wirklicher Wehrmutstropfen bei der Gesamtbetrachtung ist alleinig der Einsatz der Musik. Da wäre weniger manchmal mehr gewesen.

Nicht unerwähnt bleiben soll, daß der komödiantische Aspekt dieses Films in der OmU Version noch deutlich unterstrichen wurde. Solch fehlerstrotzende, anscheinend völlig unredigierte Untertitelung habe ich noch nie erlebt. Da werden aus „20 years“ gerne mal „2 Jahre“ und der ein oder andere Buchstabe stand auf der Tastatur auch nicht zur Verfügung, wenn man ihn mal gebraucht hätte. Mutet fast an, wie ein Dada-Kunstprojekt, was hier abgeliefert wurde.

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7
7/10

Der Zuschauer als reiner Beobachter einer sehr traurigen Episode zweier Menschen. Keine Spannungsbögen, Erklärungen oder typisches Storytelling. Lediglich Rückblenden helfen, die Charaktere und deren Geschichte zu verstehen. Mich hat der Film durchweg berührt.
Humor hin oder her, die Trauer um den Tod von Patricks Vater kam zu kurz, schließlich hatten Patrick und sein Vater doch ein enges Verhältnis. Und auch dass Ende ist verständlich, aber dennoch schade für Lee und Patrick.

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9
9/10

Toller Film!

Ja, er ist nicht ohne Schwächen. Die Schnittfehler sind mir auch aufgefallen, die musikalische Untermalung schlägt einem auf Dauer fast schon ins Gesicht (und ist dann eben doch ein klassisches, sehr aufdringliches Stilmittel alá "bitte jetzt weinen oder traurig sein!"), Casey Affleck's Schauspiel scheint tatsächlich etwas begrenzt (in der Rolle aber nicht unpassend). Und, dass die Beziehung zwischen Lee's Neffen und dessen Vater fast ein wenig untergeht, trifft meiner Meinung nach auch zu. Dass der Film sich in den USA Spitznamen wie "Sad, mumbling people in hoodies by the sea" gefallen lassen muss, kommt nicht von ganz ungefähr.

Allerdings ist der Film in so vielen Bereichen so stark und gewaltig, dass diese kleinen Unzulänglichkeiten fast schon weggespült werden - zumindest soweit ich das beim ersten Ansehen beurteilen kannn. Vielleicht liegt es daran, dass ich unweit von Manchester-by-the-sea selbst einige Zeit in Massachusettes gelebt habe, aber wie nah der Film hier an Mensch und Leben ist, beeindruckt wirklich. Man vergisst teilweise, dass man tatsächlich nur einen Film sieht. Nicht weniger beeindruckend ist es, wie glaubwürdig und mühelos dabei Tristesse und Humor miteinander verbunden werden. Unglaubliche Trauer, Brutalität, Niedergeschlagenheit wechselt sich ab mit urkomischen und sogar hoffnungsvollen Momenten - eben wie das echte Leben. Und gerade die raue, aber bodenständig und schwarzhumorige Art der Einwohner in Neu-England wird sensationell getroffen. Wie hier mehrmals erwähnt, sind auch die Schauspieler fantastisch. Ja, Affleck's Schauspiel wirkt zunächst monoton, ist aber ob der Umstände der Figur glaubwürdig und nicht zu dick aufgetragen. Jedenfalls eine ganz starke Präsenz. Michelle Williams spielt grandios, und Lucas Hedges beflügelt den Film ganz still und leise.

Ein sehr eigensinniger, aber ehrlicher und fast schon erfrischender Film. So wunderschön wie traurig. Absolut sehenswert.

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