Der erste „Captain America“-Film erschien vor drei Jahren trotz seines recht guten Gelingens wie eine etwas bemühte Pflichterfüllung, ein Projekt, das nun mal verwirklicht werden musste um die Weichen für den großen „Avengers“-Film zu stellen. Ein Film um einen Helden, der mit seinem bierernsten, moralischen Patriotismus aus heutiger Sicht etwas aus der Zeit gefallen erscheint. Nach dem bestandenen ersten gemeinsamen Abenteuer darf Captain America nun trotzdem genauso wie seine „Avengers“-Kollegen vor dem nächsten Gruppenauftritt einen weiteren eigenen Film absolvieren. Und die gute, um nicht zu sagen bemerkenswerte Nachricht ist: Der zuvor noch heillos anachronistisch erscheinende Captain Steve Rogers wandelt sich mit diesem Film zu einem Helden absolut auf der Höhe der Zeit. Man kann sogar sagen: Näher als der neue „Captain America“ kann ein Superheldenfilm unserer tatsächlichen, aktuellen Realität kaum sein.
Dass der gute Steve Rogers (Chris Evans) erst vor Kurzem im 21. Jahrhundert aufgewacht ist und noch so einiges an verpasstem Wissen nachzuholen hat, beleuchtet die amüsante Eröffnungsszene des Films zwar knapp, danach bleibt für solche Banalitäten aber kaum noch Zeit, denn schon bald muss Rogers sich fragen, wem er überhaupt noch vertrauen kann. Selbst seine nun ständige Einsatz-Partnerin Black Widow (Scarlett Johansson) und sein S.H.I.E.L.D.-Boss Nick Fury (Samuel L. Jackson) scheinen eine eigene Agenda zu verfolgen, von der Rogers nichts wissen soll. Nur langsam kristallisiert sich für den Captain heraus, dass die oberste Ebene von S.H.I.E.L.D. – vertreten durch Alexander Pierce (Robert Redford) – den Start mehrerer neuer Super-Luftschiffe vorbereitet, mit deren Hilfe eine quasi globale Dauerüberwachung möglich sein soll. Der Captain rümpft die Nase: Soll hier aus Furcht vor der diffusen Bedrohung durch Terroristen schon wieder ein Stück Freiheit aufgegeben werden? Lange kann sich der Idealist indes nicht empören, denn auf einmal tauchen an allen Ecken mysteriöse Einsatzkräfte rund um den noch mysteriöseren Super-Attentäter „Winter Soldier“ auf, die Rogers, Black Widow und Nick Fury nach dem Leben trachten. Sogar S.H.I.E.L.D. selbst scheint sich gegen sie verschworen zu haben. Auf einmal kann Rogers niemandem mehr trauen, und muss (fast) ganz auf sich gestellt herausbekommen, was hier eigentlich genau vor sich geht.
Ohne zu viel verraten zu wollen: Die große Schweinerei, die es hier aufzudecken gilt, entpuppt sich als konsequent weitergedachte Comic-Variante der gerade hochaktuellen und sehr realen Bedrohung durch „Big Data“, der unstillbaren Datensammelwut von Superkonzernen und Geheimdiensten und dem Demokratie-feindlichen Schindluder, den sie damit treiben. Und es ist tatsächlich ein inhaltlicher Geniestreich dieses zweiten „Captain America“-Films, seinen vermeintlich so gestrigen Helden mit eben diesem Phänomen unserer Zeit zu konfrontieren. Denn Captain America verkörpert mit Leib und Seele den Freiheits-Idealismus der amerikanischen Weltkriegsgeneration, jene Philosophie der „vier Freiheiten“, mit der Franklin D. Roosevelt seine Nation damals auf den Krieg gegen die Feinde der Demokratie einschwor. Und mit diesem unerschütterlichen Glauben an die Freiheit und die unbedingte Notwendigkeit, sie zu verteidigen, erscheint Rogers als kritischer Geist auf einmal vollkommen auf Höhe unserer Zeit, in der die amerikanische Regierung bereitwillig immer mehr Freiheiten opfert, um der Furcht vor dem Terrorismus zu begegnen. Es wäre durchaus passend gewesen, wenn der Captain hier im Film Roosevelt wortwörtlich zitiert hätte: „We have nothing to fear but fear itself.“
Dieser bemerkenswerte politische Hintergrund soll nun aber nicht den Eindruck erwecken, als handele es sich bei „The Return of the first Avenger“ um ein gedankenschweres Polit-Traktat. Natürlich ist dies hier in erster Linie immer noch ein Actionfilm, und zwar ein sehr spektakulärer. Doch die hochaktuellen Untertöne der Geschichte verleihen dem neuen „Captain America“ eine Substanz, die den knalligen Marvel-Comicabenteuern – bei all ihrer großartigen Ausführung – naturgemäß sonst abgeht.
Zudem bewegt sich der Film strukturell auch noch auf den Pfaden des klassischen Polit-Thrillers der 70er Jahre, indem er seinen Helden mit einem Szenario permanenter Bedrohung konfrontiert, in dem er niemandem mehr vertrauen kann und noch nicht einmal weiß, was eigentlich vor sich geht. Die Besetzung von Robert Redford als Alexander Pierce ist in dieser Hinsicht ein doppelter Coup: Nicht nur, dass Redford mit seiner Präsenz jeden Film adelt, als Ikone eben jener 70er-Politthriller wie „Die drei Tage des Condors“ oder „Die Unbestechlichen“ verweist allein seine Anwesenheit auch auf die filmhistorischen Vorgänger dieses Comic-Abenteuers.
Seinen Wurzeln getreu erweist sich „The Return of the first Avenger“ denn auch als hochspannend. Das Rätselraten um die wahren Hintergründe und die schrittweise Aufdeckung der großen Schweinerei sind nicht die einzigen Aspekte, die den Zuschauer konsequent involviert halten und für diverse überraschende Storytwists verantwortlich zeichnen. Tatsächlich gelingt diesem Multimillionen-Blockbuster das für sein Genre seltene Kunststück, dass seine Geschichte fast noch aufregender ist als seine spektakulären Actionsequenzen. Diese wiederum wissen vor allem dadurch zu gefallen, dass Captain America ein sehr physischer Superheld ist – ohne Gadgets und ohne Schusswaffen agiert er im ständigen Nahkampf, was vor allem seinen Auseinandersetzungen mit dem „Winter Soldier“ ein besonderes Flair gibt. Das beeindruckendste Stück Technik in diesem Film gehört jedenfalls nicht Captain America, sondern Nick Fury, dessen Auto der heimliche Held einer zentralen Actionsequenz des Films ist.
Man kommt nicht umhin zu bewundern, was die Marvel-Macher hier auf die Beine gestellt haben: Die sanft-ironische, Sepia-farbene Nostalgie von Captain Americas Ursprungsgeschichte aus Teil Eins ist wie weggeblasen, die Assimilierung des anachronistischen Helden ins 21. Jahrhundert gelingt mehr als perfekt, das Action-Spektakel wird einmal mehr makellos ausgeführt, und zum Ende hin zerkloppt man sogar mutig die Grundfesten der „Captain America“-Welt, so dass man sich als Zuschauer jetzt schon mit Spannung auf den nächsten Film freut. „The Return of the First Avenger“ ist ein meilenweiter Schritt nach vorne vom ersten Teil, und ein mehr als würdiger Herausforderer für „Iron Man“ um den Thron des wahren Chefs im Marvel-„Avengers“-Ring.
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