Vorfreude? Auf einen neuen „Robocop“? Davon war allerorten doch recht wenig zu spüren, als sich das Remake des Films von Paul Verhoeven aus dem Jahr 1987 ankündigte. Und das hat Gründe, scheint doch die Geschichte um den halb-mechanischen Gesetzeshüter nach immerhin drei (immer schwächer werdenden) Kinofilmen und einer höchstens mittelprächtigen TV-Serie ziemlich auserzählt. Als zudem durchsickerte, dass die neue Version sowohl auf allzu extreme Gewaltdarstellungen als auch auf den satirischen Unterton des Originals verzichten will, sanken die Erwartungen dann nochmal eine Stufe tiefer, schließlich durften wir erst vor kurzem beobachten was dabei herauskommt, wenn man einen Verhoeven-Film mit viel Weichspüler und ohne brauchbare neue Ideen recycelt. Man wolle sich stattdessen stärker auf die Geschichte konzentrieren, hieß es, und was soll dabei schon rauskommen, war doch die Story an sich nun wirklich nicht das stärkste Element des Ur-“Robocop“. Fakt ist: Diese Ankündigungen waren keine hohle Luft, sondern wurden tatsächlich umgesetzt. Die Überraschung dabei: Dieser „philosophische“ Robocop ist gar nicht mal so übel, sondern sehr interessant geraten.
Im Jahr 2028 versucht der Omni Corp-Konzern von Raymond Sellars (Michael Keaton) seinen Verkaufsschlager, den vollautomatischen Ordnungshüter endlich auch in den USA durchzusetzen, wo man jedoch aufgrund der fehlenden moralischen Instanz der Maschinen gewisse Vorbehalte hegt. Als der integere Polizist Alex Murphy (Joel Kinnaman) bei einem Anschlag schwer verletzt wird und kaum Überlebenschancen hat, sieht man die Chance gekommen, die Bürger mit einem Hybrid aus Mensch und Maschine zu überzeugen. Murphy bekommt eine mechanische Rüstung übergestülpt,die weit mehr ist als nur ein Korsett für seinen verstümmelten Körper. Nach anfänglichem Widerwillen akzeptiert er seine neue Rolle, doch in der Praxis erweist sich der „Robocop“ als nicht effektiv genug. Den aufgrund seiner menschlichen Anteile ist er im Gefecht deutlich langsamer als die vollautomatische Variante. Von seinem Schöpfer, dem Wissenschaftler Dr. Norton (Gary Oldman) verlangt der Konzernchef „Nachjustierungen“ - doch die könnten den Rest Menschlichkeit und das Bewusstsein von Alex Murphy endgültig auslöschen.
Das Thema vom künstlichen Menschen ist eines der ältesten der Science-Fiction und wurde von Fritz Langs „Metropolis“ bis zum Androiden Data in der „Star Trek“-Reihe immer mal wieder behandelt. Die Frage danach, was den Menschen ausmacht und was noch von ihm bleibt, wenn man ihn seiner Entscheidungsfreiheit beraubt, steht auch im Zentrum der 2014er-Version von „Robocop“. Sie wird absolut ernsthaft behandelt und das erfordert dann gewisse Maßnahmen, die nicht unbedingt mit den gängigen Erwartungen an einen typischen Action-Blockbuster konform gehen. Denn damit einem das Schicksal von Alex Murphy nicht gleichgültig ist, bedarf es einer längeren Einführung der Figur vor dem einschneidenden Erlebnis, welches ihn in einem recht gruselig anzuschauenden Restkörper zurücklässt. Deshalb wird auch der Zeit vor der Umwandlung und dem Privatleben mit Frau (Abbey Cornish) und Kind entsprechend viel Raum gegeben.
Dem Realismus der diesmal nur unweit in der Zukunft angesiedelten Handlung ist es zudem zuträglich, dass es hier nicht von vornherein schwarz und weiß bzw. gut und böse gibt, sondern die meisten Charaktere durchaus zwiespältig angelegt sind. Dies gilt vor allem für die vielleicht stärkste Figur der Geschichte und das ist nicht der etwas blasse Schwede Joel Kinnaman in der Titelrolle, sondern der zwischen Berufsethos und Erfüllung der gestellten Aufgaben hin und her gerissene Forscher Dr. Norton, den Veteran Gary Oldman äußerlich zwar wie seinen George Smiley aus „Dame, König, As, Spion“ anlegt, ihm aber deutlich mehr Emotionen verleiht. Beim von Samuel L. Jackson verkörperten „Propagandaminister“ des Konzerns, der als Moderator von geschickt mit den Ängsten der Bevölkerung spielenden PR-Filmen seine Zuschauer manipuliert, scheint dann noch am Ehesten etwas von der bissigen Gesellschaftssatire des Originals durch, doch schafft man auch hier die Balance und zieht die Figur nicht durch zu große Übertreibung ins Lächerliche.
Die verwendete Technologie wirkt dabei durchaus glaubhaft und keinesfalls wie ferne Science Fiction. Die daraus resultierenden ethischen und moralischen Fragen sind daher nicht weit entfernt von heutigen Diskussionen über einen Krieg der irgendwann nur noch mittels Drohnen geführt wird. Einzig die Tatsache, dass hier die ausgerechnet die USA davor zurückschrecken eine in vielen Auslandseinsätzen bereits erprobte und bewährte Technik auch im eigenen Land einzusetzen, mag etwas überraschen, doch es wird deutlich gemacht, dass das stets eine Frage der gerade an den Schalthebeln der Macht sitzenden Politiker ist.
Auch die Wahl des Regisseurs deutet darauf hin, das man es von vornherein mit einem realistischen Ansatz versuchen wollte, denn der Brasilianer Jose Padilha verdiente sich seine Sporen als Dokumentarfilmer, bevor er in seiner Heimat mit den beiden „Tropa De Elite“-Filmen (aka „Elite Squad“) große Publikumserfolge feierte und für den ersten Teil 2008 sogar den Goldenen Bären der Berlinale gewann. Schon diese semi-dokumentarischen Filme präsentierten eine Gesellschaftsparabel im Gewand des Polit-Thrillers und so gesehen ist es dann doch keine so große Überraschung mehr, dass Padilhas erste große Hollywood-Arbeit ähnliche Schwerpunkte setzt. Zwar kann der Mann auch kompetent Action-Szenen inszenieren, doch sind die hier eben nicht dominant.
Ob die Rechnung aufgeht oder die Action-Freunde und Verehrer des Originals den neuen Film als viel zu ruhig, langsam und unwitzig empfinden werden, bleibt abzuwarten. Ohne dass man ihm nun gleich den Anstrich des intellektuellen Kunstkinos verpassen sollte, bietet der moderne „Robocop“ aber eine im Blockbusterkino eher selten anzutreffende, nachdenkliche und recht anspruchsvolle Geschichte, die allerdings die eine oder andere Länge aufweist und daher nicht durchgehend vor Spannung knistert. Er wählt damit für das bekannte Thema aber einen gänzlich anderer Ansatz und so macht eine Neuverfilmung dann eben auch Sinn.
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