
Man durfte gespannt sein auf diesen neuen Werwolf-Film, hat doch Regisseur Leigh Whannell mit „Der Unsichtbare“ vor ein paar Jahren bewiesen, wie man einem klassischen Horrorstoff einen aufregenden neuen Anstrich geben kann. Indem man - statt einen seelenlosen aufgeblasenen Blockbuster wie „Die Mumie“ abzuliefern, mit dem das von Universal geplante „Dark Universe“ gleich beim Auftakt wieder implodierte – das Kernthema auf originelle und raffinierte Weise in die Moderne überträgt und dabei auch etwas über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen aussagt. Genau das macht Whannell nun aber mit „Wolf Man“ nicht, sondern bedient sich hier viel stärker traditioneller Horrorelemente, samt dem genauso klassischen Setting einer in der einsamen Wildnis abgeschotteten Familie. Und erschafft damit einen Genre-Beitrag, der zwar nicht völlig enttäuscht, aber insgesamt eher nicht die Hoffnungen und Erwartungen erfüllt, die man in ihn haben durfte.
Dabei ist der Auftakt vielversprechend: Wir begleiten den jungen Blake bei einem Ausflug in den Wald mit seinem Vater Grady, der allerdings nicht wie ein Vergnügen anmutet. Denn die beiden leben in einer schroffen Gegend, der Vater ist ein mürrischer, wenig herzlicher Jäger, der offensichtlich nach etwas Besonderem und Gefährlichem Ausschau hält. Das schließlich auch auftaucht und beide bedroht, wobei man als Zuschauer nur dessen kalten Atem zu sehen bekommt und ansonsten darüber im Unklaren bleibt, worum es sich genau handelt. Wenn die Szenerie dann in die Gegenwart zum erwachsenen Blake (Christopher Abbott) umblendet, der mittlerweile als Schriftsteller in der Großstadt mit seiner Frau (Julia Garner) und Tochter (Matilda Firth) lebt, sind Tempo und Spannung des Anfangs aber erst einmal für längere Zeit passé und wir bekommen eine dieser typischen leicht dysfunktionalen Familien mit ihren mehr oder wenigen großen Beziehungs- und Jobproblemen präsentiert. Die – auch das ist nicht wirklich originell – in solchen Filmen oft erst durch ein bedrohliches Erlebnis wieder zusammengeschweißt werden kann. Die „Gelegenheit“ dazu ergibt sich durch eine Reise in Blakes Vergangenheit, da sein verschwundener Vater gerade für tot erklärt wurde und er sich nun um die Verwaltung des Nachlasses kümmern muss. Schon bei der Ankunft in der Wildnis von Oregon setzt erstes Unbehagen ein, das sich dramatisch steigert, als es zu einem heftigen Unfall kommt, nachdem ein unbekanntes Wesen plötzlich auf der Straße auftaucht. Statt sich im alten Haus seines Vaters davon zu erholen, fühlt sich Blake in der folgenden Nacht aber immer unwohler und bald ist klar, dass er von einer schnell voran schreitenden Krankheit infiziert wurde.
„Mehr wollen wir inhaltlich hier gar nicht verraten“ heißt es auf dieser Seite gerne an dieser Stelle, Aber im Grunde besteht hier keine echte Spoiler-Gefahr, denn alles was nun handlungsmäßig folgt ist doch ziemlich erwartbar, inklusive des ebenfalls nicht besonders überraschenden Ausgangs der Geschichte. Auch deshalb wollte der Regisseur und Drehbuchautor den Schwerpunkt seiner Werwolf- Interpretation, die sich wenig um klassische Bestandteile des Mythos (wie etwa die Bedeutung des Mondes oder von Silberkugeln) kümmert, auf den Verwandlungsprozess legen. Der vielmehr ein Entfremdungsprozess ist, denn irgendwann versteht der sich körperlich verändernde Blake Frau und Tochter schlicht nicht mehr. Was der Ton mit unverständlichem Gemurmel und die Kamera mit einem Wechsel auf fluoreszierende Nachtsicht deutlich macht, wenn sie das Geschehen aus der Sicht von Blake zeigt.
Nette technische Spielereien, die sich aber beim wiederholten Einsatz schnell abnutzen und trotz einer gewissen Langsamkeit in der Inszenierung geschehen die Veränderungen insgesamt viel zu schnell, um die gewünschte Wirkung beim Betrachter auszulösen. Wenn Whannell dabei ausdrücklich David Cronenbergs „Die Fliege“ als Vorbild nennt, kommt man leider nicht umhin festzustellen, dass die hier gezeigte körperliche Degeneration zu keinem Zeitpunkt eine ähnliche Wucht und emotionale Teilnahme auslöst wie einst bei der „Brundle-Fliege“.
An der Leistung von Christopher Abbott liegt das aber nicht, denn der liefert als verzweifelter Blake eine intensive und überzeugende Performance. Die Verbindung zwischen ihm und Julia Garner in der Rolle der Ehefrau ist jedoch nicht nur zu Beginn kühl, wo das auch so sein soll. Sie bleibt es im Grunde bis zum Ende, so dass es letztlich an der Tochter ist zu erkennen, was nötig und zu tun ist. Warum dieses Ehepaar eines ist, erschließt sich nie so richtig und auch das trägt dann halt nicht dazu bei allzu viel Anteilnahme in dessen Schicksal zu investieren.
Keine Frage, das ist hier alles kompetent inszeniert und umgesetzt und „Wolf Man“ beileibe kein richtig schlechter oder missratener Film. Aber letztlich agieren Buch und Regie doch viel zu konventionell, zu mut- und risikolos als das es einer wäre, der mehr als nur nett anzuschauen ist. Da hat sich schon eine gewisse Routine eingeschlichen auf Seiten des nun schon seit vielen Jahren im Horrorbereich außerordentlich erfolgreichen Produktionsstudios Blumhouse, und man muss nach den Highlights im Portfolio genauer Ausschau halten. Der neue „Wolf Man“ gehört leider nicht dazu.
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