The Whale

Land
Jahr
2022
Laufzeit
117 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Matthias Kastl / 30. April 2023

Als Brendan Fraser („L.A. Crash“, „Die Mumie kehrt zurück“) dieses Jahr die Bühne des Dolby Theatre in Los Angeles betrat, um seinen Oscar für den besten Hauptdarsteller abzuholen, brandete tosender Applaus auf. Ein einst charismatischer Filmstar, der nach tiefem Fall nun mit Mut zur Hässlichkeit in einem Charakterdrama auf die große Leinwand zurückkehrt – diese Momente liebt Hollywood. Ist ja auch eine wirklich schöne Geschichte, die aber dann doch ein paar ordentliche Kratzer erhält, wenn man „The Whale“ ohne diese rosarote Brille betrachtet. Abgesehen von einem gut aber jetzt auch nicht überragend spielenden Fraser frustriert Darren Aronofskys („Requiem for a Dream“, „mother!“) Film nämlich vor allem aufgrund teils schwach gezeichneter Figuren und zu bemüht wirkenden Dialogen.

Ausgestattet mit einem eindrucksvollen Fatsuit spielt Fraser den exzessiv übergewichtigen  Charlie, der nach dem Tod seines Lebensabschnittspartners eigentlich nur noch dahinvegetiert. Dessen Schwester Liz (Hong Chau, „Downsizing“) kümmert sich liebevoll um Charlie, doch ihre Gesundheitswarnungen scheinen bei diesem auf taube Ohren zu stoßen. Doch dann erhält Charlie Besuch von dem jungen Missionar Thomas (Ty Simpkins) und vor allem seiner entfremdeten Teenager-Tochter Ellie (Sadie Sink, „Stranger Things“) und damit auch die Chance, seinem Leben vielleicht im Schlussakt doch noch einen Sinn zu verleihen.


Man merkt schon nach wenigen Minuten, dass hier irgendetwas nicht glatt läuft. Schon wenn Charlie zu Beginn aus einem Aufsatz über das Schicksal des Wals Moby Dick zitiert, wirkt das angesichts der allzu offensichtlichen Anspielungen auf die adipöse Hauptfigur arg nach dem Versuch, mit dem Holzhammer uns auf emotionalen Kurs zu bringen. In dem Stil geht es dann auch weiter, wenn Figuren Offensichtliches immer wieder aussprechen oder gar mehrmals wiederholen, damit auch ja alle die Botschaft oder Gefühlslage der jeweiligen Personen verstehen. Dies mag bei der Theatervorlage des Films noch mehr Sinn gemacht haben, denn im Theater kann das Publikum ja nicht jede einzelne kleine Regung im Gesicht der Darsteller und Darstellerinnen erkennen. Im Medium Film wirkt es aber leider schnell nervig und oberlehrerhaft und zeugt von mangelndem Vertrauen in die Fähigkeit des Schauspielensembles, mit minimaler Mimik und Gestik Gefühle auszudrücken.
 
Gerade Fraser hat dies nicht verdient, denn er kann seiner Figur, trotz körperlicher Restriktionen, einige interessante Nuancen abgewinnen. Gerade der innere Kampf gegen seine Fresssucht („Nehme ich den Schokoriegel jetzt oder nicht“) kommt überzeugend daher und Fraser schafft es so die nötige Empathie für die Situation seiner Figur zu generieren. Von einer überragenden Leistung Frasers kann man aber auch trotz der gigantischen Größe der Figur nur bedingt sprechen, denn so richtig gut herausarbeiten kann er seine Motive im Zusammenspiel mit anderen Figuren nur bedingt. Was aber auch daran liegt, dass die teilweise äußerst schlampig gezeichnet daherkommen.  


Gerade den Nebenfiguren stellt das Drehbuch immer wieder ein dramaturgisches Bein, so dass man den meisten Schauspielern nur bedingt Vorwürfe machen kann. So darf Liz oft gebetsmühlenartig die selben Sätze herunterrattern ohne wirklich tiefer in ihre Gefühlswelt blicken lassen zu können, während die Motive von Thomas von der Geschichte lieblos so oft hin- und hergeschoben werden, bis dieser gefühlt selbst nicht mehr durchblickt. Gerade die Beziehung zwischen ihm und Ellie wirkt so künstlich und erzwungen, dass deren Diskussionen und Konflikte einem schnell relativ egal sind. Leider ist dabei vor allem Sadie Sink mit ihrer Darstellung einer rebellischen Teenagerin völlig überfordert und scheint ihre Hauptaufgabe lediglich darin zu sehen, möglichst ruckartig und dramatisch von Stühlen aufzustehen und immer erbost in die Kamera zu blicken. Was auf die Dauer dann aber auch sehr ermüdend und vor allem schade ist, denn in „Stranger Things“ zeigt Sink in einer ähnlichen Rolle mehr emotionale Tiefe.

Hier dagegen nervt ihre Figur bald nur noch, was ganz besonders ärgerlich ist, da das Drehbuch Charlie immer wieder aufsagen lässt, wie toll und faszinierend Ellie doch sei. Die Meinung hat der Film allerdings angesichts des eindimensionalen Auftretens von Charlies Tochter exklusiv. Hier muss sich auch Regisseur Aronofsky Vorwürfe machen, denn gerade jüngere Darsteller sollte man als Regisseur auch in die benötigten Bahnen lenken können. Aber entweder will oder kann Aronofsky das hier nicht und er findet auch sonst nur wenig Mittel, mit seiner Inszenierung das Geschehen auf ein höheres Niveau zu heben. Die Idee, den Film im 4:3 Format zu präsentieren verleiht dem Bild zwar tatsächlich etwas mehr „Gewicht“ und das Gefühl von Beklommenheit, bringt aber eben auch nur bedingt etwas, wenn die Geschichte und die Figuren nicht langfristig das Interesse des Publikums aufrechterhalten können.

So entpuppt sich am Ende das Mitleid, das man für Charlie empfindet, als einziger und wirklich bitter benötigter emotionaler Anker für einen Film, der ansonsten viel zu hölzern und erzwungen daherkommt. Und so ist „The Whale“ der wohl enttäuschendste Oscar-Kandidat dieses Jahres und das Comeback von Fraser leider die einzige schöne Geschichte, die dem Publikum hierbei serviert wird.

Bilder: Copyright

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