
Es kam schon ziemlich überraschend als Steven Spielberg seine neue Version der „West Side Story“ ankündigte. Schließlich gilt die Adaption des Broadway-Stückes aus den frühen Sechzigern als absoluter Klassiker, an dem man nur schwer viel verändern oder verbessern könnte. Und so fällt dann auch das Ergebnis so aus wie man es in etwa erwarten durfte: Ein handwerklich nahezu perfekt inszenierter Film, der aber dem Stoff zu wenig Neues und Eigenständiges hinzufügt, um seine Existenz schlüssig zu rechtfertigen.
So wird die bekannte Story von „Romeo & Julia in New York“ nicht etwa in unsere Zeit verlegt, sondern verbleibt in den Fünfzigern des vorigen Jahrhunderts, speziell in den Vierteln der ärmeren Bevölkerung. Dort definieren sich die Jugendlichen über die Zugehörigkeit zu ihrer Gang und darüber wer denn nun die Herrschaft über das heimatliche, ziemlich heruntergekommene Viertel ausübt. Vor allem die Duelle und Streitereien zwischen den „Jets“ und den aus puertoricanischen Einwanderern bestehenden „Sharks“ halten dabei die Polizei in Atem, die sich allerdings recht deutlich auf die Seite der Weißen stellt. Als sich mit dem friedfertigen Tony und der rebellischen Maria zwei aus den verfeindeten Gruppen ineinander verlieben, kommt es zu einer Spirale der Gewalt, die schließlich auch Menschenleben kostet.
Schon der Auftakt mit den schnippenden Fingern der Gangmitglieder und deren Marsch durch die Straßen kommt einem doch sehr bekannt vor, und bis auf nur wenige Ausnahmen spult Spielberg hier dann auch Szene für Szene die gleiche Handlung ab. Und wenn er die Reihenfolge der Songs doch mal umstellt, dann wirkt das sogar eher befremdlich. So wird der erbauliche Gute Laune-Song „I feel pretty“ hier etwas später gesungen und zwar ausgerechnet kurz nachdem es zu eine Tragödie mit tödlichem Ausgang gekommen ist – was die Wirkung doch stark konterkariert.
Dass die „gute Seele“ des Viertels jetzt kein älterer Herr mehr, sondern eine weibliche Ladenbesitzerin ist, liegt in erster Linie darin begründet, dass man der mittlerweile 90jährigen Rita Moreno aus der Erstverfilmung gern diese Rolle geben wollte. Die neue "Maria" Rachel Zegler macht ihre Sache ausgezeichnet und dürfte demnächst wohl öfter zu sehen sein. Doch gerade der eine Punkt, der beim Vorgänger hin und wieder kritisiert wurde, wiederholt sich dann auch noch: Der damalige Tony-Darsteller Richard Beymer galt vielen als zu blass und dementsprechend blieb ihm auch eine große Karriere versagt. Nun besetzt mit Ansel Elgort („Baby Driver“) haben wir hier zwar ein schon recht bekanntes Gesicht, dessen Talent nicht anzuzweifeln ist, aber auch der wirkt in dieser Rolle einfach viel zu lieb und brav als das man ihm die eine oder andere Aktion im späteren Verlauf wirklich abkaufen würde.

Zwar ist das Thema der Spaltung in unterschiedliche soziale Klassen, die sich auch aufgrund ihrer Herkunft voneinander abgrenzen im Kern natürlich ein zeitloses, vor allem in Amerika, doch die Puertoricaner in New York City waren in den letzten Dekaden sicher kein beherrschendes Medienthema. Durch den Verzicht, den Konflikt auf heutige Brennpunkte zu aktualisieren, dürfte daher doch einigen der Anreiz fehlen sich mit der in diesem Punkt antiquierten Geschichte zu beschäftigen.
Aber was könnte so einen Reiz stattdessen bieten? Dass es in den Straßen und Hinterhöfen nun etwas rauer und echter aussieht im Vergleich zum etwas glattpolierten Original macht alles natürlich ein Stück realistischer, andererseits bezogen der alte Film und auch die Theaterfassung gerade aus dieser bewussten Künstlichkeit ja auch einen großen Teil ihrer Atmosphäre.
Die Musik und Songs bleiben natürlich toll, nicht grundlos sind eine Handvoll Lieder der „West Side Story“ zu echten Klassikern geworden. Ob sie sich aber in ihrer neuen Inkarnation auch nur annähernd genauso stark im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankern werden, darf doch stark bezweifelt werden. Wenn es kein rein persönliches (teures) Anliegen war, bleibt die Motivation Spielbergs diese Geschichte noch einmal neu auf diese Art zu verfilmen daher recht rätselhaft.
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