Wer erinnert sich nicht an diesen
denkwürdigen Tag vor nun fast zwei Jahren, als in der größten
TED-Aktion in der Geschichte des deutschen Fernsehens der große
Meister des Schlagers, Guildo Horn, von seinen treuen Fans zum Grand
Prix Eurovision de la Chanson geschickt wurde. Und an diesen grandiosen
Auftritt vor den Augen ganz Europas, nach dem es konsequenterweise
Höchstwertungen aus Schweiz, Holland und Spanien regnete. Denkwürdige
Augenblicke der Fernseh- und Musikgeschichte, von denen wir noch unseren
Enkeln werden berichten können. Und gut achtzehn Monate nach
diesem (vorläufigen?) Höhepunkt seiner Karriere macht sich
der Meister nun auf, die Leinwand zu erobern. Um es gleich vorwegzunehmen:
Sonderlich denkwürdig ist das diesmal nicht ausgefallen.
Zur Verteidigung muß aber auch gleich gesagt werden: Wer bei
der Vorstellung von Guildo Horn, wie er einen Frisör spielt,
unweigerlich einen neuen Tiefpunkt in der deutschen Filmgeschichte
erwartet hat, vorurteilt dann doch etwas zu hart. Schon einmal allein
deswegen, weil Guildo in diesem Film gar kein wirklicher Frisör
ist. Hans Anton "Toni" Schatz, wie sich der Meister in diesem
Streifen schimpfen darf, wohnt noch bei Mutter und Vater und arbeitet
zwar im Frisörladen nebenan, mehr als Haare waschen darf er aber
nicht. Das macht er allerdings so gut, daß den alten Damen dabei
ganz anders wird. Toni lebt jedenfalls in einem absoluten Kuhkaff
im Hochsauerlandkreis (ich kenne Leute, für die allein diese
Nummernschilder Charaktereigenschaft genug sind), in einer Straße
mit dem Frisörladen, dem Blumengeschäft von Tonis bester
Freundin Melanie, und einem Modegeschäft. "Mama sagt, daß
sei das beste Geschäft im Ort. Naja, es ist ja auch das einzige."
Zum Glück bleiben wir von allzu vielen "Mama sagt ..."-Sätzen
verschont, aber schon in der ersten Sequenz wird dem Zuschauer auf
kongeniale Weise gezeigt, was es heißt mit über 30 noch
bei Mami zu wohnen. Bis hin zur Mortadella mit Gesicht ist jedes Frühstücksklischee
vertreten, zum Abschied kontrolliert die Erziehungsberechtigte stets
die Mitnahme des obligatorischen Taschentuchs und läßt
ihren Jungen wiederholen, wie man über die Straße geht
(obwohl dafür effektiv gar kein Bedarf besteht). Als der Papa
dann mal zur Mama aufschaut und diese entgegnet: "Glotz in den Fernseher,
glotz in die Bild-Zeitung, glotz aus dem Fenster, aber glotz mich
nicht dauernd an. Schlimm genug, daß ich mit dir verheiratet
bin", dann hat man in den ersten drei Minuten schon so viel gelacht,
daß der Film richtig gut zu werden verspricht.
Aber ein bißchen Handlung muß ja auch sein. Da seine beste
Freundin Melanie bald heiraten will und es in ihrem Kaff natürlich
keine vernünftigen Hochzeitskleider gibt (jedenfalls nicht in
Pink), begleitet sie Toni kurzerhand zum Shopping nach Berlin (klar,
das größte Einkaufszentrum der Republik liegt ja auch nur
ungefähr zwanzigmal so nah, aber wir wollen mal nicht kleinlich
sein). Hier entspinnen sich dann Szenen der netteren Art aus der Abteilung
"naives, gutmütiges Landei ohne jede Ahnung prallt auf die große
Stadt". Als Melanie und Toni einen Treffpunkt ausmachen wollen, und
sich für "zwischen dem Engel und der Kutsche" entscheiden,
ist das schon recht bezeichnend. Gemeint sind Siegessäule und
Brandenburger Tor. Und dann wird Toni von einem Auto überfahren.
Ist natürlich nicht schlimm, aber auf diesem Wege lernt er die
Fernsehmoderatorin Gloria kennen, gespielt von Sissi Perlinger.
Vor dem Film dachte ich noch, daß die Perlinger wohl der einzige
wahre Lichtblick in diesem Meister-Werk (hach, ich liebe diese Wortspiele)
sein würde. Ironischerweise kippt mit ihrem Auftritt das ganze
in etwas ... naja, bizarres ist nicht wirklich das passende Wort.
Auf jeden Fall ist danach so einiges anders, was nicht weiter schlimm
wäre, aber es macht auch irgendwie keinen Sinn mehr. Über
40 Minuten (was immerhin der halbe Film ist) kommt dieser Streifen
wirklich erstaunlich unterhaltsam und einfallsreich daher, und kokettiert
so frisch und humorvoll mit seinen zahlreichen Klischees, daß
man ihn fast schon als Satire mit sanftem Biß ansehen könnte.
Das bleibt dann in der zweiten Hälfte leider fast völlig
auf der Strecke und führt zu einigen Szenen, die nicht nur völlig
belanglos, sondern auch einigermaßen verwirrend sind. Wer dann
noch hofft, der Film würde wenigstens vernünftig enden,
der hat sich leider geschnitten. Auf die Frage "Wo ist der Punkt?"
kann ich leider nur antworten: Dieser Film hat keinen. Nicht mal den
kleinsten. Nicht mal den offensichtlichsten. Das ist zwar mal was
anderes, aber das hier ist wahrlich nicht der Film, um mal was anderes
auszuprobieren.
Wer auf diese bescheuerten Ideen gekommen ist, das würde ich
gerne mal wissen, denn erfahrungsgemäß ist Adolf Winkelmann
ein ziemlich guter und vor allem sachlicher Regisseur, der mehr durch
Kleinigkeiten als durch Spielereien glänzt. Und Guildo Horn hatte
wirklich nicht mehr zu tun, als einfach nur er selbst zu sein. Schauspielkunst
ist hier gar nicht erst gefragt, denn wenn der Meister nicht Schlagerstar,
sondern Frisör geworden wäre, würde er haarklein (hahahaha!)
genau so ein Leben führen. "Waschen, schneiden, legen" teilt
sich qualitativ so krass in zwei Hälften, daß sich daraus
zwangsweise auch die Wertung ergeben muß. Für die erste
Hälfte sieben, für die zweite Hälfte drei Augen, macht
im Durchschnitt fünf. Einige Gags sind wirklich extrem
gut, und wenn uns dieser Film eines lehrt, dann die Tatsache, daß
der am wenigsten angesehene Beruf nicht etwa Frisör (oder Schuhverkäufer)
ist, sondern Busfahrer. Wer nicht Guildo-Fan ist, dem wird das wahrscheinlich
egal sein, denn der wird sich eh fragen, wie man für so einen
Film überhaupt Geld ausgeben kann. Ganz ernsthaft: Ich würde
es auch nicht tun.
Land
Jahr
1999
Laufzeit
85 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
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