Im Fernsehen wurde die Idee ganz schnell wieder beerdigt: eine Show, in der sich ganz normale Menschen vor laufenden Kameras die Haare machen lassen von den ausgeflipptesten Experten in Sachen "Waschen, Schneiden, Reden", die man in Deutschland auftreiben konnte. "Der Frisör" zeigte uns die Haarkünstler, wie sie die allgemeinen Vorurteile nicht besser hätten treffen können: ausgeflippt, ein bißchen tuntig, immer gut drauf. Da diese Ingredienzen doch ein bißchen wenig waren für eine Supersendung, verschwanden die Herren und Damen auch schnell wieder von der Mattscheibe, und sind wahrscheinlich noch immer wahnsinnig gut drauf und total ausgeflippt, nur nicht mehr im Fernsehen. Wer allerdings Sehnsucht hat nach ein bißchen Fönen und Toupieren, der sollte sich mal wieder auf ins Kino machen, denn "Über kurz oder lang", so der kongeniale deutsche Titel, zeigt uns die Welt der Superstar-Stylisten hautnah.
Solch ein Meister war auch einmal Phil Allen (stark: Alan Rickman); zweimal hintereinander gewann er Anfang der 80er die britischen Meisterschaften, und war auch im folgenden Jahr wieder Favorit im Kampf um die "Silberne Schere", doch ein privates Unglück verhinderte seinen Hattrick: Seine Frau Shelley (Natasha Richardson) verließ ihn und seinen Sohn Brian (Di Caprio 2001: Josh Hartnett) zugunsten ausgerechnet von Allens Model Sandra. Verbittert über diese Tat zog er sich aus dem Wettkampf zurück, und lebt seit zehn Jahren zurückgezogen und im wahrsten Sinne des Wortes lebensmüde in dem kleinen englischen Dorf Keighley. Direkt gegenüber haben Shelley und Sandra (Rachel Griffiths) einen eigenen Frisiersalon aufgemacht: "The cut above". Trotz der räumlichen Nähe reden beide Parteien nur das Nötigste miteinander, und daß Shelley unheilbar an Krebs erkrankt ist, behält sie für sich.
Wie es der Zufall so will, darf der Bürgermeister von Keighley (brillant: Warren Clarke) frohe Neuigkeiten verkünden: die nächsten britischen Championships werden in seiner kleinen Stadt ausgetragen. Shelley sieht dies als Chance, den andauernden Familienzwist zu beenden. Doch Stress droht auch noch aus anderer Richtung: Unter den Teilnehmern ist auch Ray Robertson (Bill Nighy) mit seiner Tochter Christina (Rachel Leigh Cook). Was soll man sagen: nicht nur ist Robertson der alte Intimfeind von Allen, auch ist seine Tochter die Sandkastenliebe von Brian, was Hartnett die Gelegenheit gibt, sein Schmachtpotential voll zu entfalten, und schon mal für PEARL HARBOR zu üben. Um den Gewissenskonflikt zu schüren, nimmt er zudem zur Ehrenrettung seines Vaters am Wettbewerb teil.
"Über kurz oder lang" ist eine solide Komödie, der man es hoch anrechnen muß, daß sie die menschlichen Aspekte um Phil und Shelly in den Vordergrund stellt, und nicht auf Holzhammerkomik oder billige Kalauer rund um den Friseurberuf setzt. Es wird gelacht, sich aber nicht lustig gemacht. Natürlich gibt es auch einige Comedy-Szenen, und der Bürgermeister, der vom schüchternen Stadtoberhaupt zum singenden Elvisverschnitt mutiert, hat die Lacher auf seiner Seite.
Die darstellerischen Leistungen vor allem von Alan Rickman ("Dogma", "Galaxy Quest") sind hervorragend; ihm kauft man den alternden und ausgepowerten Phil Allen von der ersten bis zur letzten Sekunde ab. Das deutsche Topmodel Heidi Klum hat eine Gastrolle als Zimtzicke Jasmine, und ganz kurz kann man ihr Schamhaardouble sehen.
Der Film des irischen Regisseurs Breathnach bietet gut gemachte Unterhaltung, auch wenn er in den erwarteten Bahnen verläuft und große Überraschungen ausbleiben. Dafür besitzt er genügend Momente, die einen lachen machen (leider auch ein oder zwei, die gar nicht lustig sind), und die einen über etwas mehr als 90 Minuten bringen, ohne daß man verzweifelt auf die Uhr schaut. Und wenn man mal annimmt, daß dieser Film zum Thema Friseur alles gesagt hat, und es dadurch im deutschen Fernsehen nicht zu einem Revival der oben genannten Show kommt, dann potenziert sich die Bedeutung des Films ins Unermeßliche. Dazu dann aber in zehn Jahren retrospektiv Genaueres.
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