Stürmische Liebe

Originaltitel
Swept away
Jahr
2002
Laufzeit
90 min
Regie
Release Date
Bewertung
2
2/10
von Frank-Michael Helmke / 16. März 2011

 

Es ist ein wahrlich trauriges Erlebnis, wenn ein bis dato als hochbegabt und innovativ angesehener Regisseur sich in seinem Können plötzlich als sehr beschränkt erweist. In der mittelschweren Katastrophe, die "Stürmische Liebe" darstellt, ist das größte Unglück tatsächlich die Erkenntnis, dass Guy Ritchie anscheinend doch nur einen großartigen Film in sich hat - und den hat er schon vor fünf Jahren gemacht. Als er 1998 mit "Bube, Dame, König, GrAs" debütierte, erwies sich der Brite als der weitaus vielversprechendste von all den Jungspunden, die sich vom Tarantino-Style inspirieren ließen. Seine wahnwitzige Gangster-Farce mit achterbahnartigem Charakter-Karussell war schnell, hochamüsant, frisch, abwechslungsreich und extrem clever inszeniert - kurz, ein Kracher mit deutlich individueller Handschrift. Ein so gelungenes Konzept, dass Ritchie es direkt noch mal verwendete. Sein Nachfolger "Snatch - Schweine und Diamanten" war im Prinzip derselbe Film in Grün, und wirkte daher auch nur noch für die Leute neu und brillant, die den Vorgänger nicht gesehen hatten. Der Rest dachte sich: "Ganz nett, aber er kann ruhig auch mal was anderes versuchen."

Nach seiner Etablierung in den Klatschschlagzeilen dieser Welt durch die publicity-mäßig nicht unerhebliche Hochzeit mit Pop-Superstar Madonna legt Ritchie nun seinen dritten Film vor, und erfüllt die schlimmsten Befürchtungen. Denn "Stürmische Liebe" scheitert nicht nur daran, dass Madonna trotz zahlreicher Versuche immer noch keine gute Schauspielerin ist, sondern vor allem an der offensichtlichen Unfähigkeit Ritchies, ein anderes Material als seine temporeichen Farcen gekonnt umzusetzen.
Die Story ist dabei keine große Hilfe: ein Remake eines nicht sonderlich bekannten italienischen Films aus den 70ern, rezitiert "Stürmische Liebe" die schon mehrfach durchgekaute Geschichte von zwei sehr gegensätzlichen Menschen, die zusammen auf einer einsamen Insel stranden und sich wider Erwarten ineinander verlieben. Alles nicht so wahnsinnig aufregend, doch die unüberraschende Handlung ist nicht das Problem. Das liegt viel mehr in der Charakteretablierung: Madonna spielt Amber, die Ehefrau eines schwerreichen Industriellen, der gemeinsam mit Gattin und zwei befreundeten Paaren einen Mittelmeer-Urlaub auf eigens angeheuerter Yacht verbringt. Alle Passagiere sind hochgradig wohlstandsverwahrlost und die Sorte von reichen gelangweilten Snobs, die meinen sich alles erlauben zu können und dementsprechend Verachtung verdienen. Amber hingegen schlägt sie alle: Eine miese Hexe der allerschlimmsten Sorte, zickt sie permanent und unerträglich nicht nur Ehemann und Freunde an, sondern auch die italienische Besatzung. Ihr primäres Ziel ist der Fischer Giuseppe, der zu jeder Gelegenheit aufs Böseste von ihr gepiesackt wird. Sein Moment der Rache kommt jedoch, als er Amber per Motorschlauchboot zu einer Bucht fahren soll, auf dem Meer ihr Motor verreckt und sie schließlich auf einer einsamen Insel stranden. Verschollen und von der Zivilisation abgeschnitten, dreht sich der Spieß nun um: Grundsätzliche Überlebensfähigkeit ist gefragt und Geld wertlos, und Giuseppe genießt es, Ambers Angebote von mehreren hundert Dollar für einen einzigen Bissen Fisch auszuschlagen. Nun ist er in der Machtposition, und nutzt dies gnadenlos aus.

Was Giuseppe hier zunächst an den Tag legt ist eine Macho-Attitüde par excellence. Er demütigt Amber wo er nur kann, bis sein Charakter dort landet, wo sich Amber schon seit der ersten Filmminute aufhält: Im Abgrund der Unsympathie. Womit das Kernproblem von "Stürmische Liebe" schon fast erreicht wäre: Eine Liebesgeschichte kann nur dann funktionieren, wenn das Publikum zumindest ein bisschen Mitgefühl für die Hauptcharaktere übrig hat und ihnen Glück wünscht. Dieses erzählerische Grundprinzip wird hier komplett missachtet: Amber (und später auch teilweise Giuseppe) erweist sich als dermaßen widerliche Person, man wünscht sie vom ersten Moment an zum Teufel, hat vielleicht schon Folterfantasien für diese unerträgliche eingebildete Kuh, aber gönnt ihr ganz sicher kein romantisches Liebesglück. Es erscheint als gänzlich unmöglich, dieser Person irgendetwas positives abzugewinnen - dementsprechend verständnislos muss man als Zuschauer dann auch reagieren, als sich Amber und Giuseppe nach weiteren Angiftungen aus heiterem Himmel dazu entschließen, sich doch toll zu finden. Von einer Sekunde auf die andere verfliegt jeglicher Hass zwischen den beiden und wird ausgetauscht gegen die titelgebende stürmische Liebe - das Warum hat sich Guy Ritchie dabei allerdings ausgespart. Man kann es wohl als unvermeidliche natürliche Reaktion ansehen, dass ein Mann und eine Frau, die für mehrere Wochen alleine auf einer Insel sitzen, irgendwann übereinander herfallen werden um ihrem urzeitlichen Paarungstrieb zu frönen - wieso das dann allerdings ohne jede Erläuterung gleich die große Liebe bedeuten soll, das bleibt Ritchies Geheimnis.

Wenn sich seine Geschichte spätestens hier in totaler Unglaubwürdigkeit verliert, so ist Ritchies Inszenierung daran mitschuldig. Schon in der Eröffnungssequenz wird deutlich, dass der Regisseur seine bekannte Handschrift nicht ablegen kann: Tempospielereien, schnelle Schnitte und Parallelmontagen bestimmen auch den Stil von "Stürmische Liebe", sind hier allerdings vollkommen fehl am Platze. Macht das permanente Angiften aller Passagiere auf der Luxusyacht in der ersten halben Stunde noch ein bisschen Spaß, wird spätestens nach den entscheidenden Handlungsentwicklungen klar, dass Ritchie sich hier völlig im Ton vergriffen hat. Solange er sich nur über verwöhnte Reiche lustig machen will, ist sein farcenhafter Stil noch halbwegs akzeptabel, als er jedoch beginnt, eine Liebesgeschichte zu erzählen, erweist sich Ritchie als unfähig. Anders kann man es leider nicht sagen.
Andere Geschichten verlangen andere inszenatorische Herangehensweisen, und entweder will Ritchie es nicht anders machen, oder er kann es schlicht und ergreifend nicht. Charakterentwicklung und -vertiefung musste er in seinen ersten beiden Filmen nicht leisten, weil diese ohnehin so schnell und mit Figuren vollgestopft waren, dass dafür keine Zeit blieb. Hier jedoch ist es essentiell, und geht komplett schief. Genauso schief wie Ritchies Versuch, für das liebeslastige Schlussdrittel ein paar romantisch-verklärte Gefühlsäußerungen hinzukriegen: Die Dialoge tendieren hier stark Richtung vollkommen lächerlich und werfen schon fast die Frage auf, wie unbeholfen Ritchies Heiratsantrag an seine Superstar-Ehefrau geklungen haben muss.
Dass er es mit inhaltlicher Nachvollziehbarkeit und Kohärenz nicht so genau nimmt, beweist Ritchie dann schließlich am Ende, wo er in zwei Minuten gleich drei idiotische Missverständnisse kombiniert zu einem extrem unbefriedigenden Schluss ohne jede Aussage. Ein letztes Mal bleibt dem Zuschauer nichts anderes übrig als sich still zu fragen "Was zum Himmel soll das?", bevor man resignierend mit den Schultern zuckt und das Kino mit der eingangs erwähnten traurigen Erkenntnis verlässt, dass Guy Ritchie wohl doch ein in seinen Fähigkeiten sehr eingeschränkter Regisseur ist. Die eine Sache die er kann, kann er wirklich großartig. Doch leider legt "Stürmische Liebe" die Vermutung nahe, dass er nichts anderes kann. Wie gesagt, traurig, aber wahr.

 
Bilder: Copyright

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