Todd Phillips macht Filme für Männer, und damit war er seit seinem Debüt "Road Trip" auch immer ausreichend erfolgreich, als dass die Hollywood-Karriere weiterging. Der wahre Durchbruch gelang ihm jedoch erst im letzten Jahr mit "Hangover", einem Film für Männer, über den auch Frauen herzlich lachen können - ein beeindruckender, weltweiter Überraschungserfolg war die Folge. Damit ist Phillips jetzt offiziell "heiß", und dieser Status hat es dann wohl auch möglich gemacht, dass sein Studio es ihm gestattete, vor dem obligatorischen "Hangover 2" (der uns nächstes Jahr erwartet und im Moment gedreht wird) noch schnell diesen Film abzudrehen - den es vermutlich nie gegeben hätte, wenn man ihn nicht mit "Von den Machern von ‚Hangover'" bewerben könnte. Denn tatsächlich erweist sich "Stichtag" leider nicht als der große Comedy-Brüller dieses Kinoherbstes, den man sich vielleicht erhofft hat, sondern wirkt eher wie ein Filmstoff von der Resterampe der Entwicklungsabteilung - eigentlich nicht gut genug, um wirklich verfilmt zu werden. Aber wenn man ein paar berühmte Namen dranhängt, merkt's vielleicht keiner….
"Stichtag" etabliert eine klassische Odd-couple-Situation: Der Architekt Peter Highman (Robert Downey jr.) ist beruflich in Atlanta und will zurück nach Los Angeles zu seiner schwangeren Frau fliegen, die in wenigen Tagen ihr erstes gemeinsames Baby erwartet. Leider begegnet Peter am Flughafen jedoch dem ebenso dämlichen wie eigenwilligen Möchtegern-Schauspieler Ethan Tremblay (Zack Galifianakis, seit seiner Rolle in "Hangover" der neue Shootingstar am Comedy-Himmel), der es schafft eine Kette von Ereignissen in Gang zu setzen, an deren Ende Peter mit generellem Flugverbot, aber ohne Bargeld und Kreditkarten in Atlanta festsitzt. Seine einzige Chance, pünktlich zum Stichtag für die Geburt seines Kindes nach L.A. zu kommen: Schweren Herzens das Angebot von Ethan annehmen, als Beifahrer in dessen Mietwagen gemeinsam durchs Land zu gondeln. Ein Roadtrip, der sich für den wenig geduldigen und latent aggressiven Peter ziemlich schnell zum Horrortrip verwandelt, angesichts der unfassbaren Nervensäge Ethan.
Die erste Überraschung an "Stichtag" ist, wie lange man tatsächlich auf den ersten richtig guten Lacher warten muss. Der Film müht sich leidlich, Komik zu erzeugen wo er kann, ist dabei aber nicht immer erfolgreich bzw. erreicht nicht viel mehr als ein Schmunzeln. Erst nach gut 20 Minuten wabert die erste echte Lachsalve durchs Kino - bezeichnenderweise, weil Peter unerwartet ein Kind schlägt. Was zur zweiten Überraschung an "Stichtag" führt: Dass dieser Film nämlich als Komödie nur bedingt überzeugen kann, dafür aber erstaunlich tiefgreifendes Charakterkino bietet.
Denn Peters wenig zimperlicher Umgang mit den kleinen Rackern einer Drogendealerin ist nicht der einzige Moment, in dem der vermeintliche "Held" dieses Films ernsthafte Probleme damit hat, sein Temperament und die daraus resultierenden Aggressionen unter Kontrolle zu halten. Dieser Typ wäre auch in "Die Wutprobe" gut aufgehoben gewesen, und ist entsprechend als Sympathieträger eigentlich nicht geeignet. Das ist aber gar nicht so schlimm, da nämlich der wie stets grandiose Robert Downey jr. diesen ständig an seiner Selbstkontrolle scheiternden Choleriker so großartig auf den Punkt spielt, dass seine Filmfigur um ein Vielfaches plastischer und realistischer erscheint als es die Formelhaftigkeit ihrer Konstruktion (eben ein Typ, der von der Nervensäge Ethan zu besonders leuchtender Weißglut gebracht werden kann) eigentlich zugelassen hätte.
Ähnlich faszinierend erweist sich sein Gegenpart, was wiederum auch und vor allem am großartigen Schauspiel seines Darstellers liegt. Zack Galifianakis zeigt hier, dass er - jenseits seines grandiosen Comedy-Talents - ein schlicht fantastischer Schauspieler ist. Deutlichstes Beweisstück kommt nach einer knappen halben Stunde, als eine vermeintlich komische Szene, in der Ethans komplette Talentfreiheit als Schauspieler vorgeführt wird, auf einmal unerwartet ins Tragische kippt und dank Galifianakis' herausragendem Spiel zu einem wahrhaft rührenden Moment wird. Schon in dieser Szene allein beweist Galifianakis eine schauspielerische Bandbreite, die mehr als beeindruckend ist.
Interessant ist seine Filmfigur indes nicht nur wegen ihrer sehr schön aufgebauten, wahrlich vollkommenen Dämlichkeit, sondern auch wegen einer letztlich unbeantworteten Frage. Ethans Habitus und Eigenheiten deuten klar darauf hin, dass er schwul ist - was jedoch nie so in Szene gerückt wird, dass es lächerlich erscheint. Hier geht es dezidiert nicht um eine Klischee-Tunte, die als Gaglieferant missbraucht wird. Tatsächlich belässt es der Film einzig bei den Andeutungen in Verhalten und Stil von Ethan, verliert nie ein Wort über seine sexuelle Ausrichtung und lässt die Frage, ob er nun schwul ist oder nicht, bis zum Ende ohne eindeutige Antwort. Was letztlich eben auch ein Statement ist: Einen schwulen Hauptcharakter haben, aber sich gar nicht darum scheren, dass er schwul ist - das befindet Homosexualität für eine vollkommen normale Sache, über die man nicht weiter reden braucht. Für einen Mainstream-Hollywoodfilm ist das schon ziemlich beachtlich.
Einzig, dem Spaß- und Lachfaktor von "Stichtag" hilft das nicht weiter, und der bleibt die größte Schwäche dieser vermeintlichen Komödie. Der Film hat einige wirklich gute Gags, so dass man nicht sagen kann, man könne sich hier nicht amüsieren, aber es sind doch zu wenige, als dass man von einer wirklich erfolgreichen Komödie sprechen könnte. Und so fühlt sich das reihenweise Auftreten berühmter Namen in Mini-Rollen, die teilweise nicht mehr als eine Szene haben, doch eher wie ein bemühter Trick der Filmemacher an, vermeintliche Höhepunkte in ihrem Film zu setzen, wo eigentlich keine sind. Rap-Star RZA als Flughafen-Sicherheitsbeamter ist genauso schnell vergessen wie Juliette Lewis als Vorstadt-Dealerin, und auch Jamie Foxx als alter Freund von Peter bleibt kaum mehr denn als Plotpunkt in Erinnerung.
So erweist sich "Stichtag" denn als eine ziemliche Seltenheit von Film, nämlich eine Männerkomödie, die als Männer-Charakterstudie viel besser funktioniert denn als Komödie. Das ist zwar allemal bemerkenswert, aber trotz der großartigen Schauspielleistungen von Downey jr. und Galifianakis nur bedingt empfehlenswert.
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