
Schneewittchen zum Nächsten: Nur wenige Wochen nach „Spieglein, Spieglein“, dem kunterbunten Spektakel von Tarsem Singh, kommt nun mit dem Jäger eine weitere Nebenfigur des bekannten Märchens zu Titelehren. „Snow White & the Huntsman“ heißt der Film auch hierzulande und wieder versucht sich eine der großen Damen Hollywoods an einer neuen Interpretation der bösen Königin. Nachdem Julia Roberts dabei aber spürbaren Spaß am fies sein demonstrieren durfte, verkörpert Charlize Theron nun eine gequälte, vom eigenen Schicksal geprägte, finstere Seele und gibt damit auch den Ton für diese Variante vor: Ernst, düster und sogar mit leichten Horrorelementen versehen. Das klingt zunächst mal recht interessant, doch macht der bisherige Werbefilmer Rupert Sanders daraus letztlich nicht viel mehr als einen mäßig unterhaltsamen Cocktail einzelner Ideen ohne echte Spannungskurve.
Die Hauptzutaten dürften soweit bekannt sein: Durch eine Intrige an die Macht gekommen und sich elegant des Gemahls entledigt, regiert die böse Königin Ravenna (Charlize Theron) ihr Reich grausam und mit harter Hand. Die Stieftochter Snow White (Kristin Stewart) wird von ihr seit Jahren in einer Zelle gefangengehalten und soll schließlich dazu dienen der Regentin mittels eines für sie tödlichen Rituals die ewige Jugend zu erhalten. Doch die Prinzessin entkommt und flieht in den geheimnisvollen und gefährlichen Wald. Zurückholen soll sie jemand, der sich dort gut auskennt: Der Huntsman (Chris Hemsworth), der seit dem Tod seiner Frau nur noch als trinkfreudiger Raufbold aufgefallen ist. Doch da der im Grunde ein guter Kerl ist, stellt sich ihm auch eine andere Option: Nämlich gemeinsam mit der tapferen Snow White die Königin zu stürzen und für bessere Zeiten zu sorgen.
Moment, da war doch noch was? Richtig, die für diese Geschichte unverzichtbaren sieben Nebenfiguren von kleinem Wuchs. Und als man schon fast vermuten könnte, die originellste Änderung dieser neuesten Adaption des Grimmschen Märchens sei es auf die Zwerge zu verzichten, tauchen sie dann schließlich doch noch auf. Und sorgen für einen schönen Effekt, indem eine ganze Riege mehr oder weniger bekannter britischer Knautschgesichter (darunter Bob Hoskins, Nick Frost, Ian McShane, Ray Winstone und Toby Jones) sich dank perfekter Tricktechnik als gut einen Meter große Gnome die Ehre geben.
Wirklich nötig für die Handlung wären sie aber tatsächlich nicht gewesen und stehen damit symptomatisch für das ganze Werk: Nette Einfälle, visuell ansprechend umgesetzt, aber ohne tiefere Einbindung in die Geschichte. Was sich auch für diverse andere Fantasy-Elemente sagen lässt: Da laufen wunderschöne Fabeltiere durch den Wald, tritt der berühmte Spiegel als eine Art schleimiges Kuttenwesen auf (ohne das man eine Ahnung hätte warum) und verwandelt sich die Königin im Moment höchster Gefahr in einen Schwarm von Raben - vielleicht der beeindruckenste Effekt des gesamten Films. Da ist dann aber auch alles möglich und erlaubt, so dass man sich gerade noch in einem finsteren Partnerland von Mordor wähnt, kurz darauf aber plötzlich in einem von elfenhaften Zauberwesen bevölkerten Glitzerwald steht. Selten hat man wohl bei seinem ersten Spielfilm die Herkunft des Regisseurs aus der Werbespot-Branche so gut erkennen können und es ist ebenfalls offensichtlich, dass so etwas dann eben sowohl Vor- als auch ein paar Nachteile hat.
Bei einem mehr als zwei Stunden langen Film (der zudem in diesem Fall auch noch eine weitgehend bereits bekannte Geschichte erzählt) machen sich Defizite in Sachen Storytelling und Spannungsaufbau dann jedoch stärker bemerkbar als es gut tut und in gewissem Maße noch zu akzeptieren wäre. Ein Beispiel dafür ist die Figur des Huntsman, der hier ja sogar im Titel auftaucht und nach dessen Einführungsszene man eigentlich erwarten würde, dass sich für ihn nun ein längerer Konflikt zwischen dem ihm erteilten Auftrag und dem eigenen Gewissen auftut, der die Figur eine Weile beschäftigt und sich entwickeln lässt. Doch nichts davon, denn nach der Begegnung mit Snow White dauert es keine zwei Minuten bevor er sich gegen seine Begleiter wendet, die Seiten wechselt und fortan eigentlich auch nicht mehr allzuviel zu tun hat.
Chris Hemsworth ist natürlich physisch für diese Rolle hervorragend geeignet, bekommt aber im Gegensatz zu seinem leicht selbstironischen „Thor“ nur wenig Raum so etwas wie Charakter und Persönlichkeit zu zeigen. Stattdessen befindet er sich in einem Liebesdreieck mit Snow Whites Jugendfreud William (Sam Claflin, der Missionar aus dem letzten „Fluch der Karibik“), welches aber ebenfalls nur wenig ausgeleuchtet sondern irgendwann einfach entschieden wird.
Kommen wir zu den beiden Damen, die sich hier duellieren, und stellen wir dabei einfach mal nicht die Frage nach der Kompetenz des vermeintlich allwissenden Spiegels bei der Frage, wer denn also wohl die schönste im ganzen Land sei – die Entscheidung pro Kristin Stewart lassen wir da nämlich nur aufgrund des tricktechnisch einsetzenden Verfallprozesses von Miss Theron durchgehen. Die Oscarpreisträgerin zieht dabei von verführerisch über intrigant bis verzweifelt alle Register. Dabei weckt sie phasenweise sogar so etwas wie Verständnis dafür, warum Ravenna zu dem Wesen wurde das sie nun einmal ist, neigt allerdings auch ein wenig zum Overacting – wobei zu vermuten ist, dass der offensichtlich mit einem kleinen Faible für Pathos versehene Regisseur sie daran auch nicht zu hindern versuchte.
Für Kristen Stewart dagegen taugt diese Rolle in einer weiteren Blockbuster-Produktion nicht dazu, sich von ihrer „Twilight“-Franchise zu emanzipieren. Zwar durchläuft ihre Snow White nach der schon fast Stewart-typischen Leidenszeit in der ersten Hälfte noch eine Entwicklung zur entschlossenen Kämpferin in Johanna von Orleans-Gedächtnisrüstung, doch gibt das Drehbuch auch dieser Figur nicht wirklich Gelegenheit zur nuancierten Veränderung, sondern präsentiert deren Wandlung von einen (Kuss-)Moment auf den anderen. Für weitere Erkenntnisse bleibt bezüglich der Schauspielerin Stewart daher nur das gespannte Warten auf die Jack Kerouac-Adaption „On the Road“.
Effektvoll, hübsch anzuschauen und trotz der Zwerge recht humorlos kommt sie also daher, diese neueste „Schneewittchen“-Variante. Doch das was man im Vorfeld zu sehen und zu wissen bekam versprach doch eine deutlich interessantere, vielleicht ein paar charakterliche Untiefen auslotende Interpretation als der nun vorliegende Bilderbogen mit storytechnischen Mängeln und Längen. Und so erweist sich leider keiner der beiden fast zeitgleich entstandenen „Snow White“-Filme als wirklich überzeugend, etwas unerwartet geht dabei aber „Snow White & The Huntsmen“ sogar nur als knapper Zweiter ins Ziel.
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