
Wes Craven war sich noch nie zu schade, seinen guten Namen für ein gutes Geschäft herzugeben. Und so springt der Macher der "Scream"-Serie und der Kultreihe um den Psychopathen Freddy Krueger nun auf den aktuellen Trend der Horrorbranche auf und präsentiert zumindest als Co-Autor "Pulse - Du bist tot, bevor du stirbst", ein Remake eines japanischen Gruselfilms. Aber trotz einer gehörigen Portion Craven und einer guten Grundidee ist das Ergebnis insgesamt mehr als durchwachsen.
Der Student Josh (Jonathan Tucker) bringt sich um. Als seine Freundin Mattie (Kristen Bell aus der TV-Serie "Veronica Mars") nach seinem Tod immer noch E-Mails von Josh erhält, schlägt ihre Trauer in Angst um. Sie und ihre Freunde begeben sich auf die Suche nach dem Bastler Dexter (Ian Somerhalder), der Joshs Computer nach dessen Tod erworben hat, um ihn für den "schlechten Scherz" zur Rede zu stellen. Er berichtet von der Existenz einer Art "Geistervirus", der sich über Funknetze und das Internet verbreitet und die Menschen in den Selbstmord treibt.
Dem Film liegt eine interessante Idee zugrunde: Die Angst vor unsichtbaren elektromagnetischen Strahlen und Datenströmen, deren Gefahren für die Menschen noch nicht einzuschätzen sind. Wissenschaftler sind sich aber jetzt schon einig, dass Handystrahlen, Funknetze etc. gesundheitliche Folgen haben können. Auch die Frage nach der individuellen Freiheit aufgrund der totalen Datenerfassung im tagtäglichen Leben oder das Entstehen einer sozialen Kälte und Vereinsamung aufgrund übertriebener Nutzung von Internet, Handy und Co. werden kontrovers diskutiert. All dies - und das wird für einen Horrorfilm überraschen - thematisiert "Pulse" und gibt sich dabei erstaunlich moralistisch. Der Tenor: Die totale Vernetzung läutet den Untergang der Menschheit ein.An dieser Stelle verleiht Altmeister Craven dem eigentlich redundanten Film seine Handschrift. Das zeigt sich nicht nur bei der Wahl des Stoffes, sondern auch in einzelnen Sequenzen. So taucht zunächst unverhofft ein merkwürdiger alter Mann ("Grima Schlangenzunge" Ron Rifken) in der Manier der "Nightmare on Elm Street"-Serie auf, der das Ende der Welt verkündet. Später dann mündet der Film tatsächlich in einem apokalyptischen Schluss. Craven erhebt so den eigentlich durchschnittlichen Plot auf eine höhere, (alb)traumhafte Ebene.
Doch trotz dieser Elemente wird die filmische Umsetzung insgesamt der guten Idee leider nicht gerecht. Aus der Vorgabe entstand eine Story, die das Prädikat "abgehoben" verdient. Natürlich darf man bei einem Horrorfilm insgesamt nicht zu sehr nach der Logik und dem Sinn fragen. Diese Geschichte aber über Viren, die im W-LAN und "Super Wide Band" unterwegs sind, und die in der Nähe von Menschen zu Geistern mutieren, ist nicht nur äußerst unglaubwürdig, sondern einfach viel zu konstruiert und nicht nachvollziehbar. Freilich tappt der Film dabei auch noch in das Fettnäpfchen, sich viel zu erst zu nehmen. Unfreiwillige Komik ist also garantiert. Die Charaktere bleiben samt und sonders flach. Das Drehbuch wirkt nicht ausgereift und bietet einige grobe Schnitzer. Einer davon: Matties beste Freundin, die erst zeitaufwändig eingeführt wird, verschwindet völlig motivationslos eine geschlagene halbe Stunde von der Leinwand und taucht lediglich in ihrer eigenen Sterbeszene wieder auf.
Aufgrund dieser Schwächen entsteht die Angst auch nicht über die Identifikation mit den Charakteren, sondern reduziert sich einzig auf die einzelnen Schockszenen. Und diese funktionieren immer nach dem aus "The Grudge" bekannten Schema: Ein zu neugieriger Teenager guckt in einen dunklen Raum, eine verformte menschliche Gestalt huscht ins Bild, ein lauter schreiähnlicher Ton-Schnitt. Das ist nicht nur schon im Kino vorhersehbar und wenig spannend, sondern lässt auch befürchten, dass der Film auf dem heimischen Fernseher ohne entsprechenden Kino-Sound wohl kaum noch gruseliger ist als "Vom Winde verweht".
Das Gesamturteil ist also zwiespältig. "Pulse - Du bist tot, bevor du stirbst" wartet mit einer guten Idee auf. Als Horrorfilm allerdings ist er zu vorhersehbar, zu konstruiert und bisweilen sogar unfreiwillig komisch. Das Wes Craven es besser kann, braucht er eigentlich nicht mehr zu beweisen.
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