Plunkett & MacLeane

Originaltitel
Plunkett & MacLeane
Jahr
1999
Laufzeit
100 min
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Rainer Leurs / 28. Dezember 2010

Baz Luhrmans Umsetzung von "Romeo + Juliet" hatte ein aufregend simples Konzept: Eine klassische Handlung wurde in ein zeitgenössisches Setting eingefügt. 
Jake Scott, der Regisseur von "Plunkett & MacLeane", zäumt dieses Pferd von hinten auf: Vor dem Hintergrund eines schwülstigen Kostümfilmes inszeniert er ein althergebrachtes Handlungsfundament mit der Ästhetik des neuen englischen Films à la "Trainspotting".

Die Story über die beiden authentischen Figuren Plunkett und MacLeane ist eigentlich ebenso angestaubt wie die von Romeo und Julia: MacLeane, ein verarmter, aber gutaussehender Aristokrat des 18. Jahrhunderts, und der verkrachte Apotheker Plunkett geraten per Zufall über ein krummes Ding gemeinsam in den Knast. Da Plunkett Talent und Witz hat, MacLeane aber die unerläßliche Etikette und die adlige Abstammung, tun sich die beiden zusammen, um dem Moloch London in Richtung "Neue Welt" zu entfliehen. Hierzu beglückt MacLeane unter falscher Flagge die bonzigen Ladies, findet dabei heraus, wer die dicksten Klunker trägt, und beide zusammen machen danach die dunklen Waldwege Englands unsicher, unter dem völlig eigennützigen Motto "rob the rich". Ein Londoner Aristokrat nach dem anderen wird um seine Besitztümer erleichtert, und die beiden maskierten "Highwaymen", von denen sich der eine grundsätzlich höflich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt, erregen als "Gentlemen Banditen" bald die Phantasien der rattigen, tiefdekolletierten hohen Damen. Alles läuft auch ganz nach Plan, bis MacLeane Lady Rebecca, die hübsche Tochter der höchsten Richters, kennenlernt- was folgt, kann sich jeder ausmalen.
  Der Vergleich mit "Trainspotting", so grotesk es klingen mag, drängt sich schon durch die Besetzung auf: Zwei der durchgeknallten Drogenfreaks aus jenem Meilenstein der englischen Filmgeschichte, nämlich "Sick Boy" und "Begby" der Choleriker, haben hier die Hauptrollen: Die Chemie der beiden funktioniert auch in "Plunkett & MacLeane" hervorragend, und die Hinzugabe von Aerosmith-Ableger Liv Tyler verjüngt das Ganze noch weiter. Insgesamt ist die Bestzung des Filmes mehr als gelungen: Wieder einmal stellt es sich heraus, daß der Verzicht auf Megastars der Story sehr viel zusätzliche Glaubwürdigkeit geben kann. 
Daß "Plunkett & MacLeane" kein epochemachender Film ist, liegt auf der Hand: Dafür ist die Geschichte zu dünn und mit zu vielen Klischees durchsetzt. Aber mehr als ein reiner Späßken-Film ist er schon: Einfach anders.   Jake Scott verwirklicht seine Ideen in hervorragender Weise: Da ist zum einen die düstere Umgebung Londons um 1750, grausam und ekelhaft, mit seinem dekadenten Adel. Zum anderen aber zwinkert uns Scott mit ganz und gar nicht historischen Charakteren und Stimmungen zu, als wolle er sagen: Kinder, was ist das alles für ein einziger guter Witz. Gepiercte Tunten, voyeuristische Gefängniswärter, die Wetten abschließen "ob der Kerl seine Sahne abspritzt, bevor sie soweit ist", Opernbälle mit Rave-Musik - dieser Film ist eine einzige wilde Party. Die Dialoge ("Alter, tu jetzt, was ich sage, Du blöder Wichser!") klingen eher nach Hamburg-Altona als nach einem soeben friedlich revolutionierten England mit Postkutschen, Kerker und Galgen.

Nicht nur deswegen ist dieser Film zuweilen entsetzlich vulgär. Jake Scott weidet sich in seinem Kinodebut an all den gräßlichen Obszönitäten, die diese längst vergangene Epoche zu bieten hat, und geht noch darüber hinaus. Wer sich von verwesenden Leichen und Sex mit alten Schachteln abschrecken läßt, bleibt besser am warmen Kachelofen. Für die vielen anderen macht "Plunkett & MacLeane" einen Heidenspaß, und zwar nicht zu knapp. Was sich anfangs noch anläßt wie ein träger Mantel-und-Perücken-Schmalz, reißt den Zuschauer schon bald als blitzschnelle, originell gemachte Geschichte am Kragen und schleift ihn kichernd über das vollgeschissene Kopfsteinpflaster Londons.

In Großbritannien hat "Plunkett & MacLeane" voll eingeschlagen und sich an Platz 2 der Kinocharts gesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob der Film hier ein ebensolches Massenpublikum finden kann. Dessen ungeachtet handelt es sich aber auf jeden Fall um einen echten Geheimtip, der einen kopfschüttelnd, aber grinsend aus dem Kino in das "Jetzt" entläßt.


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