Persepolis

Originaltitel
Persepolis
Land
Jahr
2007
Laufzeit
95 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Patrick Wellinski / 4. Juni 2010

Wie verhalten sich Menschen in Zeiten des Umbruchs? Als beispielsweise Alexander der Große im Jahr 330 vor Christus die Hauptstadt der Perser, Persepolis, umlagert, begehen viele Bürger und Einwohner der Stadt Selbstmord oder fliehen in die Wüstenlandschaft des Umlands (was gleichbedeutend mit dem Tod war). Eine neue Ära wurde eingeleitet. Ein Umsturz. Schon in der Antike wurde der Grundstein für die turbulente und wechselreiche Geschichte dieser Region gelegt. Knapp 2000 Jahre später spielt der Film "Persepolis" und wieder gibt es einen Umbruch.

Marij (Stimme: Chiara Mastroianni) lebt im Iran und ist noch keine 10 Jahre alt, als der Schah von Persien in blutigen Aufständen vom Thron gestoßen wird. Als Kind von sehr liberalen und bürgerlichen Eltern freut sich die kleine Marij über den vermeidlichen Sieg und den Anbruch einer neuen Zeit. Doch diese Euphorie wird im Keim erstickt, als nicht wie erhofft demokratische Strukturen im Iran greifen, sondern die fundamentalen Islamisten in der Form der Mullahs die Macht an sich reißen.

Marjane Satrapis Film, der auf ihrem international gefeierten Comic beruht, spielt zur Zeit der Revolution im Iran. Sie hat damit ihre eigenen Lebenserfahrungen zusammengetragen und dabei in ihrer neuen Heimat Frankreich ein subversives und unfassbar komisches Buch geschaffen, das im Iran für viel Empörung gesorgt hat. Bei so viel internationalem Erfolg war die Verfilmung ihrer Erinnerungen nur eine Frage der Zeit. "Persepolis" feierte auf den Filmfestspielen in Cannes seine Premiere und gewann dort auch sehr überraschend den großen Preis der Jury.
Dabei erstaunt vor allem der ästhetische Aspekt des Films. Fast vollständig in Schwarz-Weiß gedreht, ist dem Regieduo Satrapi und Paronnaud ein Animationsfilm der ganz alten Schule gelungen. Dabei orientierten sich die Macher stark am expressionistischen Stil der Scherenschnitttechnik, die in der europäischen Filmgeschichte vor allem mit dem Namen Lotte Reiniger verbunden ist. Die deutsche Filmemacherin schuf 1926 mit dem Film "Die Abenteuer des Prinzen Achmed" einen zeitlosen Klassiker und etablierte den Scherenschnittfilm als die prägende Animationsrichtung dieser Zeit.
Doch man kann einen Film nicht nur von seiner ästhetischen Seite her beschreiben, und der Inhalt ist bei "Persepolis" leider nicht immer so stark und überzeugend, wie es sich im ersten Moment anhört. Es ist den Machern leider nicht immer gelungen, den subversiven Moment der Comics auf die Leinwand zu übertragen. So verharrt der Film zu oft auf einer rein persönlichen Ebene. Episoden wie Marijs Strapazen bei ihrem Auslandsaufenthalt in Österreich sind zwar ohne weiteres komisch, doch wird der springende Punkt - nämlich die politische Brisanz ihrer Schilderungen - aus den Augen verloren. Später kippt der Film in eine Liebeserklärung an Marijs Großmutter, die zwar durch ihren sehr offensiven Charakter beeindruckt, doch nicht das zentrale Thema des Films darstellt.

Andere einprägsame und sehr berührende Szenen fallen da leider viel zu rar aus. Marji als Studentin feiert mit Freunden eine Party in einem Haus. Mädchen und Jungs in einem Zimmer. Die Studentinnen tragen natürlich keine Kopftücher. Es dauert nicht lange und eine Gruppe von Polizisten stürmt die Party. Ein solch anrüchiges Verhalten können die Milizen nicht dulden. Die Studenten fliehen aufs Dach. Einer springt. Seine Silhouette fällt wie ein schwarzes Blatt in den Abgrund. Er wird sterben. Kein großes Aufsehen. Alltag in der Diktatur.
Hier merkt man immer wieder sehr deutlich, was für ein unfassbares Potenzial in der Art und Weise steckt, mit der Satrapi ein sehr dunkles Kapitel ihres Landes schildert. Dabei schwingt auch in den letzten Einstellungen immer wieder die Frage mit, wie hoch das Opfer ist, das man als Auswanderer bringen muss. Nicht nur deswegen hat sich der Iran vehement gegen die Aufführung von "Persepolis" in Cannes gewährt. Trotz einiger Schwächen bleibt die Absicht des Films unbestreitbar richtig und wichtig. Da Hollywood schon angekündigt hat, den Comic ebenfalls verfilmen zu wollen (diesmal jedoch soll es sich um eine Realverfilmung handeln), wird die Botschaft noch weiter getragen werden, bis es eines Tages möglicherweise wieder zu einem Umbruch im Iran kommt. Vielleicht wird es dieses Mal ein demokratischer sein. Marjane Satrapi würde das ganz besonders freuen.

Bilder: Copyright

10
10/10

Ein Superfilm. Es musste schön längst geschähen.
Danke Frau Satrapi eine geniale Idee.Danke alle

Permalink

10
10/10

wow. wahnsinn. also: eindringlich, wahrhaftig, intensiv. welch eine mimik! die macher/innen schöpfen die möglichkeiten von trickfilm zu realem film voll aus. dabei wirkt der film nie aufklärerisch oder objektiv : immer ist klar dass ansichten und eigene erlebnisse wiedergegeben werden. sehr menschlich und sehr nah. ganz klar keine dokumentation sondern eine lebensgeschichte die mir die möglichkeit gibt die einzelperson zu verstehen und mich mit ihr zu identifizieren. höchste zeit zu begreifen wie ähnlich menschliche bedürfnisse sind, unabhängig vom regime in dem man lebt. einzig die läppsche erzählweise von jasmin tabatabai ging mir etwas auf die nerven.

Permalink

10
10/10

Was?!? Hollywood will verfilmen? Ich befürchte das Schlimmste! Werden die Iraner wieder wie Monster dargestellt wie in 300?

Permalink

8
8/10

überdurchschnittlicher film der mit sicherheit nicht jedermans sache ist. verstehe den hier aufgeführten kritikpunkt allerdings nich das die eigentliche aussage des films aus den augen verloren wird.
man könnte vieleicht sagen das eine der aussagen die dem betrachter des films besonders gut gefallen hat weniger behandelt wurde als erwünscht.
wenn die anderen themen die der film behandelt dann im weiteren nur schwach oder schlichtweg schlecht behandelt werden, wäre das mit sicherheit einige punktabzüge wert.
persepolis schafft es aber in jeder minute inteligent zu unterhalten und die persönliche ebene ist dabei, meiner meinung nach, kein minuspunkt. was im comic vieleicht gut funktioniert hat, hätte den film evtl. zu kalt erscheinen lassen.
gerade die identifikation mit den personen im film is doch eine gegebenheit die einen sich immer weiter im film verlieren lassen.
dies wurde im film gerade durch die vertiefung der beziehungen,besonders durch die zu der großmutter, erlangt.
es ist schließlich nicht der comic oder gar eine dokumentation, sondern ein spielfilm und die dürfen nicht nur sondern müssen sogar diese emotionalität besitzen.

Permalink

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.