Der Sommer 1936 steht nicht nur im Zeichen der von
den Nationalsozialisten für ihre Zwecke
instrumentalisierten
olympischen Spiele von Berlin. Denn passend zu diesem
Großereignis
wünscht sich die politische Führung genauso wie die auf
Linie getrimmten Zeitungen kaum etwas sehnlicher, als
endlich auch
das letzte große "Problem der Alpen" und
damit die Natur selbst zu bezwingen: Für die Besteigung
der
Eiger Nordwand winkt den (natürlich möglichst deutschen)
Helden neben Ruhm und Ehre sogar eine speziell dafür
ausgerufene
Goldmedaille. Am Fuße des Respekt einflößenden
Berges findet sich daraufhin eine bunte Schar Wagemutiger
zusammen,
wohl wissend, dass diese Wand schon einige Todesopfer
gefordert
hat.
Unter Ihnen auch das zunächst nur schwer von dem
Unternehmen
zu überzeugende bayerische Kletter-Ass Toni Kurz (Benno
Fürmann)
mit seinem Partner und Freund Andi Hinterstoisser (Florian
Lukas).
Von der sicheren Warte des malerisch am Fuße des Berges
gelegenen
Grand Hotels beobachten derweil die angereisten
Journalisten die
Vorbereitungen. Unter Ihnen auch Luise (Johanna Wokalek),
die ehrgeizige
Ex-Freundin von Toni, für die diese Reportage den
entscheidenden
Sprung nach oben bedeuten könnte, so es ihr denn gelingt
den
Vorgesetzten Arau (Ulrich Tukur) von ihren Fähigkeiten zu
überzeugen.
Doch als sich im Laufe des Aufstiegs erste Schwierigkeiten
einstellen,
schwankt Luise bald zwischen den Anforderungen ihres Jobs
und den
eigenen persönlichen Gefühlen zu einem der Männer
in der Wand.
Es bedarf keines besonderen Spoiler-Hinweises um zu
erwähnen,
dass der Expedition kein Erfolg beschieden sein wird. Dass
der Plan
der Nazis sich zumindest im dafür vorgesehenen Jahr 1936
noch
nicht erfüllen sollte und erst zwei Jahre später u.a.
dem berühmten
Heinrich Harrer ("Sieben Jahre in Tibet") die
Erstbesteigung
gelang, ist schließlich eine historische Tatsache. Der
Spannung
tut dieses Wissen aber keinen Abbruch, denn wer von diesem
Abenteuer
überhaupt und auf welche Weise zurückkehrte, wird an
dieser
Stelle natürlich nicht weiter ausgeführt werden und ist
das eigentliche Spannungselement des Films.
Grundsätzlich gilt es aber den Verantwortlichen schon
einmal
Respekt zu zollen, für ihren Mut ausgerechnet diese
Geschichte
zum Thema von "Nordwand" zu machen. Denn welcher
amerikanische
Film würde es zum Beispiel überhaupt wagen, nicht vom
ersten Bezwinger und Helden einer als unmöglich
angesehenen
Aufgabe zu berichten, sondern stattdessen vom Scheitern
der Vorgänger?
Eine kommerziell allemal gewagte Entscheidung, die
zumindest den
Erwartungen des ohne Vorwissen auf diesen Film stoßenden
Publikums
etwas zuwider laufen dürfte. Doch es sei versichert: An
Spannung
und Dramatik mangelt es hier trotzdem nicht und die
Meisten dürften
das Kino am Ende recht beeindruckt und bedrückt verlassen.
Das zweite Kompliment geht an die Abteilungen Ausstattung
und Design,
denn denen ist es ganz vorzüglich gelungen, die Welt der
30er
Jahre einzufangen. Sei es die rumpelnde Bergbahn, das
feudale Hotel
oder die gesamte Ausstattung im Bereich Kostüme und
sonstiger
Utensilien. Das alles sieht nach deutlich mehr aus als es
tatsächlich
gekostet hat und man wähnt sich wahrhaftig
mitten im zeitgenössischen Geschehen. Inklusive der
irritierenden
Atmosphäre, die ihren Reiz aus der Gegenüberstellung der
Freiheit jugendlichen Abenteuertums auf der einen und
linientreuen
Parteisoldaten auf der anderen Seite bezieht. Zwar bleibt
die politische
Situation weitestgehend Hintergrund für das menschliche
Drama,
wird aber überzeugend personifiziert in der Figur des
schleimigen,
genauso menschenverachtend wie als gewandter Weltbürger
auftretenden
Chefreporters Henry Arau, verkörpert von einem blendend
aufgelegten
Ulrich Tukur in einer bemerkenswerten Nebenrolle. Dessen
gemeinsame
Szenen mit der langsam ihre Position und Einstellung
überdenkenden
Luise bilden fraglos die darstellerischen Highlights des
Films.
Und erneut begeistert auch wieder Johanna Wokalek, die
sich nur
kurz nach ihrem Auftritt im "Baader
Meinhof Komplex" ein weiteres Sonderlob verdient.
Gegen diese beiden Vollblutschauspieler wirkt das Duo der
eigentlichen
Hauptfiguren im Vergleich leider etwas blass, und das ist
nicht
nur auf die eisigen Temperaturen zurückzuführen, von denen
sie die meiste Zeit umgeben sind. Benno Fürmann spielt
nicht
mehr als routiniert und Florian Lukas bleibt nur wenig
Raum zur
Entfaltung. Da zeigen die beiden österreichischen
Kollegen,
mit denen
sich die beiden Bajuwaren im Verlauf des Aufstiegs
schließlich
mehr oder weniger freiwillig zusammentun müssen, schon
deutlich
mehr Charakter. Ein wenig fragwürdig auch der Kunstgriff,
unsere
Sympathieträger mittels einiger weniger Alibi-Sätze zu
Beginn des Films als kleine Rebellen zu charakterisieren,
die natürlich
von den Nazis nicht allzu viel halten, sich sozusagen im
von der
Realpolitik jener Zeit praktisch losgelösten, luftleeren
Raum
bewegen und halt nur "ihr Ding" durchziehen wollen.
Da darf man doch mal skeptisch nachhaken, ohne sich
allerdings
auf Dauer dem packenden Geschehen auf der Leinwand
entziehen zu
können. Vor allem dem im Berg, denn der ausgezeichnet
gefilmte
Überlebenskampf in der Eiger Nordwand ist es schließlich,
der dann die zweite Filmhälfte beherrscht.
Ein kompetent inszeniertes, starkes Stück deutsches Kino
haben
wir hier vor uns, welches zwar eine historische deutsche
Geschichte
erzählt, dabei aber durchaus internationales Format
beweist.
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