Es begann mit dem Sündenfall im Paradies, als Apfel und Schlange die ersten Menschen verführten, es folgte der Brudermord von Kain an Abel, und auch deren Nachkommen machen sich vor allem schuldig, den Raubbau an der Erde voranzutreiben und sich dabei gegenseitig niederzumetzeln. Anders dagegen der friedfertige Noah (Russell Crowe), der zusammen mit seiner Frau Naameh (Jennifer Connelly) ein Einsiedlerleben fern der Städte führt und seine drei Söhne Shem (Douglas Booth), Ham (Logan Lerman) sowie Japheth (Leo McHugh Carroll) zur Achtung der Natur erzieht und sich auch des schwer verletzten Waisenkindes Ila (Emma Watson) annimmt. Als Noah zunehmend von Visionen heimgesucht wird, offenbart sich ihm darin schließlich das Vorhaben des allmächtigen Schöpfers: Dieser will die einst von ihm selbst geschaffene Erde überfluten und so das missratene Leben auf ihr auslöschen. Nur ein einziges Paar jeder Art sowie Noahs Familie sollen überleben, in der Arche, die der Auserwählte zu diesem Zwecke bauen wird. Der macht sich mithilfe der riesigen „Wächter“, die nichts Anderes als gefallene Engel sind, ans Werk und sich alsbald Feinde unter den übrigen Menschen, die vom skrupellosen Tubal Cain (Ray Winstone) angeführt werden. Doch zur größten Bedrohung für seine Liebsten wird irgendwann sogar der nahezu besessene Noah selbst.
Wenn sich ein moderner Autorenfilmer wie Darren Aronofsky einen bekannten Bibelstoff vornimmt und sich damit schon allein aufgrund der Größe des Projektes erstmalig in die Gefilde des Blockbuster-Kinos bewegt, dann macht das natürlich neugierig. Zwar bewegte sich der Regisseur bereits mit „The Fountain“ ein wenig ins Fantasy-Gebiet sowie in das existentieller Menschheitsfragen, doch war dieses Werk letztlich noch reines Kunstkino und zudem in der Umsetzung ein abgespeckter Kompromiss, welcher einer äußerst komplizierten Produktionsgeschichte geschuldet war. Ein Problem unter dem auch „Noah“ zu leiden hatte, denn nachdem Aronofsky zuletzt mit "The Wrestler" und "Black Swan" Triumphe feierte, sich dann aber vom zweiten „Wolverine“-Film zurückgezogen hatte, lag der nicht gerade einfache Filmemacher auch hier wieder schnell mit seinen Produzenten überkreuz. Die trieb nicht ganz zu Unrecht die Sorge um, dass eine allzu eigenwillige Interpretation der Bibelvorlage womöglich das in solchen Frage äußerst empfindsame amerikanische Publikum vergraulen könnte. Das pilgert bekanntlich auch in die brutalst-blutigen Filme, solange die sich sklavisch ans „Original“ halten („Die Passion Christi“), sorgt aber ansonsten auch gerne mal dafür, dass vermeintlich kirchenkritische Reihen (wie „Der goldene Kompass“) vorzeitig Schiffbruch erleiden.
Dieses Schicksal blieb dem Schiff von Noah und Aronofsky zwar erspart, doch dringen auch diesmal wieder Nachrichten über den großen Teich, die von empört aus den Kinos fliehenden Zuschauern berichten. Zuschauer, die nicht etwa über schlechte Schauspielerleistungen oder miese Effekte entsetzt sind, sondern darüber, wie frei man hier mit dem (im Grunde ja recht kurzen) Bibeltext umgeht, was alles dazu erfunden wird und vor allem wie zwiespältig die „Heldenfigur“ Noah dargestellt wird. Als aufgeklärter intellektueller Europäer schmunzelt man da natürlich über diesen Teil des US-Publikums der sich wohl vorher nicht so richtig informiert hatte in was für einen Film er da geht. Jedenfalls nicht in einen christlichen Erbauungsfilm, das wird schon nach wenigen Minuten deutlich. Die Welt von Noah ist hart und rau und so gibt sich auch die gesamte Atmosphäre des Films. Doch mischen sich schon zu Beginn in den angestrebten Realismus teils bewusst verstörende (Noahs Visionen), teils aber auch ungewollt befremdliche Fantasy-Elemente, wie die computeranimierten, trollartigen steineren Riesen, die dafür sorgen,dass die gewaltige Arche überhaupt gebaut werden kann, optisch aber auch aus dem „Herrn der Ringe“ stammen könnten. Und wenn die Titelfigur sich fragt,woher sie denn das benötigte Material für den Bau des schwimmenden Zoos nehmen soll, lässt der stets nur Schöpfer (und niemals „Gott“) genannte Herr einfach innerhalb von Sekunden einen kompletten Wald zu Noahs Füßen wachsen. Lässt man sich jedoch auf diese Mischung ein, so entfaltet sich in der Folge ein sehr ernsthaftes Drama, in dem grundlegende menschliche Charaktereigenschaften auf durchaus anspruchsvollem Niveau behandelt werden und in dem für humoristische Einlagen keinerlei Platz ist.
Somit trifft der Kunstfilm nur in rein visueller Hinsicht auf das Unterhaltungskino, denn die Fluten und auch die Arche sind erwartungsgemäß imposant, die unvermeidliche kriegerische Auseinandersetzung mit denen, die draußen bleiben müssen, brutal und die aus der Aktion des „Schöpfers“ resultierenden Leichenberge gewaltig. Die komplett digitalen Tiere in der Arche können dagegen nicht so richtig überzeugen, spielen aber handlungstechnisch auch so gut wie keine Rolle. Das finale Drittel schließlich stellt dann einen emotionalen Konflikt zwischen den wenigen Überlebenden in den Mittelpunkt, der hier nicht im Detail beschrieben werden soll, dessen Auflösung aber allemal zum Diskutieren anregt. Vor allem ergibt sich aber dort dann auch die Gelegenheit für die bis dahin größtenteils nur als Stichwortgeber agierenden Damen Connelly und Watson, mehr aus ihren Rollen herauszuholen. Obwohl nicht von vornherein die erste Wahl, wirkt Russell Crowe dagegen zumindest wie die physische Idealbesetzung der Titelfigur, auch wenn es sicher reizvoll gewesen wäre den ursprünglich vorgesehenen Christian Bale in dieser Rolle zu sehen. Diesen Noah muss man in seiner Kompromisslosigkeit und teilweisen Verblendung nicht unbedingt sympathisch finden, auch wenn er eine Art frühen Vegetarier darstellt, schließlich wird das Töten und Verzehren des Fleisches mit als Hauptgrund für Gottes Zorn angeführt.
Womit wir dann wieder bei den beleidigten Fans der Buchvorlage wären, die sich natürlich immer gerne eine möglichst werkgetreue Adaption ihrer Lieblingslektüre wünschen und keinen modernen Öko-Thriller. Was die und wir stattdessen aber bekommen haben, ist ein mitunter schwer verdauliches und auch etwas unausgegorenes Epos, das mit vielen eigenen Ideen aufwartet, die einem ganz bestimmt nicht alle gefallen müssen. Sie ergeben aber zweifellos einen sehr interessanten Film, der Einiges an Diskussionsstoff bietet.
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