Music of the Heart

Originaltitel
Music of the Heart
Land
Jahr
1999
Laufzeit
124 min
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 5. März 2011

„Schon wieder ein Film basierend auf einer wahren Begebenheit? Meryl Streep spielt eine Geigenlehrerin? <Gähn!> Da bleib ich doch lieber im Bett liegen.“ So ungefähr war meine erste Reaktion auf „Music of the heart“, ein Film, der sich so unspannend anhörte, daß ich nicht gerade sehr viel Motivation verspürte, extra deswegen zwei Stunden früher aufzustehen. Was mich dann schließlich doch ins Kino trieb war die Tatsache, daß Horror-Ikone Wes Craven auf dem Regiestuhl gesessen hatte, und es mich dann doch ein bißchen interessierte, wie er sich so als Regisseur eines „normalen“ Films machte. Ich bereue nicht, dafür mein gemütliches Bett verlassen zu haben. Denn dieser Film versucht nicht, im Gegensatz zu den meisten anderen seiner Art, die reale Geschichte künstlich mit Melodrama vollzustopfen, sondern hält sich ehrlich und strikt an die Fakten, und funktioniert wahrscheinlich gerade deshalb so gut.

Roberta Guaspari hat die letzten fünfzehn Jahre ihres Lebens auf diversen Militärstützpunkten verbracht, als Frau eines Navy-Offiziers. Als dieser sie und ihre zwei Söhne plötzlich sitzen läßt, steht Roberta ohne sehr viel Geld und vor allem ohne Job da. Auf Anraten eines alten Freundes bewirbt sie sich an einer Schule in East Harlem als Geigenlehrerin, und trotz anfänglichen Widerstrebens der Direktorin bekommt sie auch eine Chance (vor allem deshalb, weil sie fünfzig Geigen gleich mitbringt). In der Folgezeit kämpft Roberta gegen die üblichen Probleme: Eltern, die ihre Kinder nicht von einer Weißen unterrichten lassen wollen; Schüler, die zwar spielen können, aber es nicht so recht wollen („Das ist nicht cool!“); und natürlich das Unverständnis der eigenen Sprößlinge, warum sie ohne Vater aufwachsen müssen. Trotz aller Widerstände entwickelt sich Roberta’s „East Harlem Violin Program“ prächtig, dehnt sich auf drei Schulen aus, und ist nach ein paar Jahren sogar so beliebt, daß die Teilnehmer ausgelost werden müssen. Doch dann kommt eines Tages die Schulbehörde und streicht alle Mittel. Nun gilt es, mit tatkräftiger Unterstützung von Schülern und Eltern ein Benefiz-Konzert auf die Beine zu stellen.

Ich habe hier jetzt fast die gesamte essentielle Handlung wiedergegeben, bis auf den Ort des Benefiz-Konzertes, und das ist auch nicht gerade das größte aller Geheimnisse. Der Grund ist einfach: Die Handlung zu kennen ist für den Genuss dieses Films absolut unerheblich (ich selbst wußte auch alles vorher). „Music of the heart“ erzählt eine wahre Geschichte, nicht mehr, und es ist eine einfache Geschichte. Das heißt auch, daß großartige dramatische Wendungen ausbleiben, Überraschungen höchstens in Kleinigkeiten auftauchen und der Spannungsbogen die meiste Zeit einer Linie gleicht. Wes Craven erweist sich hier als sehr gewissenhafter Regisseur, dem daran gelegen ist, einen ehrlichen Film abzuliefern, der auf Ausschmückungen aller Art verzichtet: Liebesbeziehungen sind eher sekundär und ohnehin nicht sehr erfüllend, tragische Ereignisse, die nicht wirklich zur Geschichte gehören, werden nur minimal berücksichtigt, und der ziemlich happige Zeitsprung von zehn Jahren stößt nicht wirklich unangenehm auf, da die wirklich wichtigen Dinge alle Erwähnung finden. „Music of the heart“ ist sozusagen die Spielfilmversion der Dokumentation „Small wonders“, 1996 für den Oscar nominiert, die sich erstmalig mit der Geschichte von Roberta Guaspari auseinandergesetzt hatte. Ich rechne es dem Film hoch an, daß er diese dokumentarischen Wurzeln nicht abzuschneiden versucht.
Eben weil konsequent auf eine Überdramatisierung verzichtet wird, fühlt man sich bei diesem Film nicht so verschaukelt, wie es beispielsweise bei „Dangerous Minds“ oder anderen, auf einer wahren Geschichte basierenden Filmen der Fall war. Er erzählt seine Geschichte, ohne sie oder die Beteiligten außergewöhnlicher machen zu wollen, als sie es schon sind (oder auch nicht), und erweist sich eben dadurch als besonders wirkungsvoll: Weil dem Zuschauer keine oberrührseligen Tränenschocker-Momente aufs Auge gedrückt werden, kann er sich ganz individuell und ungestört an einer einfachen, aber sehr schönen Geschichte erfreuen. Ich persönlich war erstaunt, wie sehr ich diesen Film genossen habe, besonders während der Szenen von diversen Schulkonzerten und dem großen Schlußereignis. Auch hier wird auf glücklich heulende Eltern in Großaufnahme verzichtet, und gerade deshalb kommt der wundervolle Enthusiasmus, die pure Begeisterung und Freude, die ihre Musik bei den Kindern erweckt, ungebremst rüber. Man fühlt sich beinahe so, als wäre man selbst dabei, und das gelingt nur sehr wenigen Filmen.

„Music of the heart“ ist in seiner Machart ein eher minimalistischer, aber dadurch recht effektiver Film, der seinen Darstellern nicht sonderlich viel abverlangt (obwohl einige bekanntere Gesichter auftauchen, wirken doch alle ziemlich austauschbar. Die Oscar-Nominierung für Meryl Streep empfand ich persönlich als übertrieben). Er hat eine schöne und herzerwärmende Geschichte zu erzählen, und tut dies wie eine gelungene Dokumentation: Hart an der Wahrheit, nichts beschönigend, und der Zuschauer darf selbst entscheiden, was die kostbaren Momente sind. Danke, Wes Craven, für so einen Film stehe ich gerne früher auf. Denn dann ist der Tag bereits gerettet.


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