Miss Undercover 2 - Fabelhaft und bewaffnet

Originaltitel
Miss Congeniality 2: Armed and fabulous
Land
Jahr
2005
Laufzeit
115 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Frank-Michael Helmke / 21. Juni 2010
 

Sandra Bullock bringt ihre Schäfchen ins Trockene - verständlich, denn der Zahn der Zeit nagt auch an ihr. Auch wenn man es ihr (noch) nicht ansieht: Seit letztem Juli weilt auch Frau Bullock im Hollywood-Club der 40-jährigen, und für dessen Mitglieder wird's mit interessanten und vor allem lukrativen Jobangeboten zunehmend dünn. Dabei sah es für die süße Sandie schon vor ein paar Jahren ziemlich dürftig aus: Nach dem Hit-Doppelpack "Speed"/"Während Du schliefst" 1995 zum Shooting-Star geworden, folgte in den nächsten Jahren ein halbes Dutzend Flops in Serie, und Sandra schien schon wieder weg vom Fenster. Bis zu ihrem selbst produzierten Überraschungserfolg mit "Miss Undercover", der nicht nur die Karriere wieder auf Spur, sondern auch die eigene Produktionsfirma ausreichend liquide machte. Mit dem "Undercover"-Autor Marc Lawrence hatte Frau Bullock dann auch ihren Stamm-Kompagnon gefunden: Der durfte ihr zuerst die nicht weniger harmlos-süße RomCom "Ein Chef zum Verlieben" auf den Leib schreiben, und dann fix eine Fortsetzung von "Miss Undercover" zu Papier bringen. Wenig Risiko, garantierte Rendite, solange einen die Leute noch sehen wollen. Wie gesagt, die Schäfchen ins Trockene.
Übel nehmen kann man Sandra Bullock diese Fortsetzung also nicht wirklich - man kann ihr nur vorhalten, dass sie ihren Stamm-Schreiberling Marc Lawrence leider gar keiner Qualitätskontrolle unterzog. Denn "Miss Undercover 2" leidet nicht nur unter den üblichen Schwächen einer Fortsetzung, sondern vor allem unter einem erschreckend amateurhaften, lieb- und ideenlos zusammen gebastelten Skript.

Nach ihrer eindrucksvollen und medienwirksamen Heldentat zur Rettung der "Miss USA"-Wahl in Teil Eins würde FBI-Agentin Gracie Hart (Sandra Bullock) eigentlich liebend gerne in ihren undamenhaften Alltag zurückkehren, wieder beim Lachen unkontrolliert grunzen, ihre schäbigen Klamotten voll kleckern und zum Abendessen Dosenbier trinken. Doch ihre plötzliche Bekanntheit macht unauffällige Undercover-Einsätze unmöglich, und obendrein wird sie auch noch von ihrem Freund abserviert. Gefrustet nimmt Gracie das Angebot ihres Chefs (Ernie Hudson) an, mit ihrem Popularitäts-Bonus das neue PR-Gesicht des FBI zu werden. Nach einem erneuten Make-Over durch den Stylisten Joel (Diedrich Bader, ein zweitklassiger Ersatz für Michael Caines brillanten Auftritt im ersten Teil) wandelt sie sich nun in Windeseile zur verzickten Publicity-Prinzessin mit persönlicher Haar- und Make-Up-Assistentin sowie der ruppigen Agentin Sam Fuller (Regina King) als Bodyguard. Bis die amtierende Miss USA, Gracies neu gewonnene Freundin Cheryl (Heather Burns) aus Teil Eins, und der Conferencier Stan Fields (William Shatner war sich im Gegensatz zu Michael Caine nicht zu schade für die Fortsetzung) in Las Vegas entführt werden - da mischt das hübsche Gesicht des FBI dann mehr als nur die lokale Presse auf.

Das größte Problem von "Miss Undercover 2" ist die Tatsache, dass der Witz weg ist. Basierte der Humor des ersten Teils noch auf der klassischen "Fisch aus dem Wasser"-Formel (den Hauptcharakter in eine für ihn völlig ungewohnte Umgebung befördern) und konnte so mit dem Gegensatz zwischen Gracie Harts burschikoser Unfraulichkeit und der durchgestylten, hirnfreien Glitzer-Welt der Miss-Wahlen ganz ordentlich punkten, so ist man hier ziemlich vergeblich auf der Suche nach einem neuen Ansatz. Dass Gracie im Laufe des Films lernen muss, vom verhuschten Püppchen-Dasein wieder zu ehrlicher Agentenarbeit zurückzukehren, ist zwar ein nahe liegender Umkehrschluss, aber leider überhaupt keine komische Storyidee.
So wurschtelt sich "Miss Undercover 2" über fast zwei Stunden Spielzeit dahin auf der Suche nach einer erzählenswerten Geschichte, und wird leider nicht so recht fündig. Der Versuch eines Formel-Wechsels, indem das bewährte "Buddy Movie"-Konzept "Schwarzer Cop plus weißer Cop" auf das ethnisch gemischte Duo Sandra Bullock/Regina King übertragen wird, will nicht so recht zünden, weil Autor Lawrence nicht konsequent ist und King keine gleichwertige Rolle einräumt - das hier ist schließlich immer noch Bullocks Show. Stimmt zwar, aber so funktioniert ein Buddy-Movie (oder in diesem Falle: Buddess-Movie) leider nicht.
Die Entführungsnummer ist unterdessen als Ausrede von Handlungsmotiv kaum mehr als ein schlechter Witz und wird so stiefmütterlich mitgeschleift, dass sie stellenweise fast in Vergessenheit gerät. Als eigentlichen Plotmotor greift Marc Lawrence stattdessen auf ein Stereotyp zurück, das man schon lange auf dem Sperrmüll der zu Tode abgegriffenen Drehbuch-Hilfsmittel vermutet hatte: Den alles falsch machenden Vorgesetzten. Mit dem lokalen FBI-Chef Collins haben wir hier eine Figur, deren einziger Sinn darin besteht, den Protagonisten bei jeder Aktion im Weg zu stehen, alles zu verbieten, nie richtig zuzuhören und ganz allgemein mit seiner Ignoranz dafür zu sorgen, dass sich die Aufklärung des Verbrechens über zwei Kinostunden hinzieht, obwohl sie auch nach einer hätte erledigt sein können. Allein für diesen Charakter verdient sich "Miss Undercover 2" mindestens einen Punkt Abzug.
Das ist allerdings nur der auffälligste Schwachpunkt eines in vielerlei Belangen handwerklich äußerst unsauberen Skripts. Nur ein weiteres unter vielen Beispielen: In einer Szene mit Hart und Fuller, als sich die beiden Frauen erstmals Persönliches anvertrauen während sie sich ein Sofa als Nachtlager teilen müssen, entpuppt sich die toughe Fuller als Multi-Allergikerin mit entsprechendem Kopfkissen im Reisegepäck. Diese Eigenschaft zieht Autor Lawrence mal ebenso geschwind wie unüberzeugend als Erklärung für Fullers abgehärteten Charakter heran - und ignoriert diese Tatsache für den restlichen Film komplett. Bei der Wäscheliste von Anfälligkeiten gegen alles von Milchprodukten bis Hausstaub, die hier aufgezählt wird, müsste Fuller eigentlich den halben Film über als dauertriefender, Inhalator-schwenkender Tropf durch die Gegend laufen, doch nix iss. Das ist zwar eine Nebensächlichkeit, zeigt aber überdeutlich, mit wie wenig Sorgfalt hier gearbeitet wurde. Und bei solch einem schwachen Fundament kann dann einfach nix Gutes zustande kommen.
Ironischerweise ist es das Talent von Sandra Bullock höchstselbst, das in diesem Film am meisten verschwendet ist. Wenn in der mehr dramatischen als komödiantischen Exposition ihr Freund über Telefon mit ihr Schluss macht (den schon in Teil Eins ziemlich überflüssigen Benjamin Bratt hat man sich so für die Fortsetzung gleich ganz gespart) und sich der emotionale Wandel von frisch verliebt zu frisch verlassen einzig in Bullocks Gesichtszügen abspielt, ist man fast überrascht, in einem solch oberflächlichen Film eine derart tiefgehende Schauspielleistung vorzufinden. Auch für den Rest des Films ist es einzig Bullocks komödiantisches Talent und Timing, das "Miss Undercover 2" vor dem totalen Abschmieren bewahrt. Vom restlichen Ensemble kann niemand wirklich überzeugen - herausstechender Tiefpunkt ist dabei Veteran Ernie Hudson, der seine wenigen Szenen so unüberzeugend und lieblos auf Auto-Pilot herunterbetet, dass man ihm gleich ein T-Shirt mit der Aufschrift "Ich mach das hier nur für den Gehaltsscheck" hätte überstreifen können. Würde vielleicht einen hübschen Partnerlook mit Autor Lawrence ergeben.

Konnte das Original immerhin noch mit flottem Witz und einer guten Grundidee punkten, fehlt "Miss Undercover 2" sowohl das eine wie das andere, und somit wie den meisten konzeptlosen Sequels auch eine wirkliche Existenzberechtigung - außer natürlich dem eigentlichen Motiv der Produzenten, das Publikum nochmal ordentlich zu schröpfen. Wenn's klappt, kann sich Sandra Bullock freuen: Die Schäfchen wären dann wohl endgültig im Trockenen. Was diese sinnlose Fortsetzung aber kaum mehr entschuldigt als seinerzeit die Gurke "Speed 2". Immerhin: Als nächstes spielt Frau Bullock in zwei anspruchsvollen Projekten die amerikanischen Literaten Harper Lee und Grace Metalious. Hoffen wir mal, dass das den Abschied von Marc Lawrence bedeutet, und uns ärgerlicher Schmonsens wie dieser zukünftig erspart bleibt.

 

 

 


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