
Er hätte einfach ein bisschen genauer hinschauen sollen, was er da unterschreibt. Doch da Mickey (Robert Pattinson) erstens nicht der Hellste und außerdem ziemlich verzweifelt ist, stellt er sich also zur Verfügung. Als sogenannter „Expendable“ auf dem großen Expeditionsschiff des eigenwilligen Millionärs Kenneth Marschall (Mark Ruffalo), der für sich und seine getreuen Gefolgsleute einen neuen Heimatplaneten sucht. Und diese Bezeichnung ist wörtlich gemeint, denn Mickey ist absolut entbehrlich, da man ihn nach jedem tödlichen Einsatz einfach als exakte Kopie mit gespeicherten Erinnerungen wieder neu ausdrucken kann. Aktuell befindet sich daher Mickey Nummer 17 auf erneut gefährlicher Mission in der unwirtlichen Umgebung des Zielplaneten. Dass er diesmal unerwartet überlebt erweist sich als durchaus problematisch, ist an Bord doch bereits Mickey 18 aus dem Drucker gerollt. Und „Multiples“ von ein und derselben Person sind strengstens verboten.
Wenn Bong-Joon Ho einen neuen Film in die Kinos bringt, schaut mittlerweile die gesamte Filmwelt hin. Denn spätestens seit seinem Oscar-Triumph mit „Parasite“ ist der Südkoreaner nicht mehr nur ein Genreregisseur mit haufenweise verrückten Ideen. Wenn er nun mit einem SF-Thema in eisiger Umgebung daherkommt, denkt man aber natürlich sofort an seinen „Snowpiercer“ zurück, der wirklich meisterhaften Adaption einer französischen Graphic Novel, die ihre Vorlage vor einigen Jahren in Sachen Ideenreichtum und Spannung mühelos in den Schatten stellte. Der augenfälligste Unterschied zu diesem Film ist dabei die Tatsache, dass wir es bei „Mickey 17“ über weite Strecken mit einer überdrehten, grotesken Satire zu tun haben. Dieser oft zynische Humor war zwar auch bereits in „Parasite“ zu spüren, aber bei weitem nicht in dem Ausmaße in dem wir nun dabei zuschauen wie der arme Mickey völlig rücksichts- und gefühllos als lebendes Versuchsobjekt missbraucht wird, an dem man einfach alles in Sachen Gift, Dreck und Schmerz ausprobiert, nur um ein paar neue Ergebnisse zu erhalten wieviel ein Mensch aushalten kann, bis er endlich stirbt.
Der Darsteller, der uns mit diesem Mickey fühlen und leiden lässt, heißt Robert Pattinson, und es ist spätestens jetzt hoffentlich nicht mehr notwendig ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, dass dieser extrem talentierte Schauspieler die elende „Twilight“-Zeit lange hinter sich gelassen hat. Ihm als leicht debilen, aber unheimlich anständigen und liebenswerten Mickey zuzuschauen ist ein großes Vergnügen, und dieser Film gehört ganz klar ihm. Da kann hier keiner mithalten, auch nicht die prominenten Namen Mark Ruffalo und Toni Collette als genauso überkandideltes wie in seinem Herzen ausgesprochen bösartiges Anführer-Ehepaar. Die agieren im Gegenteil mitunter sogar etwas zu sehr "over the top" in Sachen Trump-Parodie (wobei man das angesichts dessen aktueller Eskapaden vielleicht ja auch schon wieder relativieren muss).
Was ebenfalls ziemlich begeistert ist das World Building von Bong-Joon Ho, der erneut eine höchst eigenständige Welt entwirft, voller kreativer Einfälle, was etwa die Konstruktion des Raumschiffs oder die Bewohner des gar nicht so lebensfreundlichen Exils angeht. Manchmal etwas arg schräg das Ganze und daher eventuell auch nicht zu einhundert Prozent massentauglich, aber auf jeden Fall verdammt unterhaltsam. Wobei die innere Logik einer genaueren Überprüfung nicht durchweg standhält, denn die eine oder andere Frage stellt man sich doch: Warum etwa wurde denn nun ausgerechnet dieser garstige Planet als neue Heimat auserkoren? Warum zeigen die beiden Mickeys ein derart unterschiedliches Temperament, wo es sich doch eigentlich um exakt gleiche Kopien handeln müsste? Und wieso bekommt der größte Loser, auf dem jeder rücksichtslos herumtrampelt, mühelos eine der attraktivsten Frauen an Bord, die auch unbedingt nur ihn will?
Aber das sind letztlich Marginalien, die „Mickey 17“ zudem nichts von seiner Wucht und Wirkung nehmen. Denn trotz all der grellen, satirischen Momente finden sich hier auch solche in denen es sowohl gefühlig als auch philosophisch wird und bei denen man durchaus emotional Anteil nimmt. Diesem höchst originären Werk ist daher auf jeden Fall Erfolg zu wünschen, gibt es das doch in diesen Zeiten viel zu selten im Kino zu sehen.
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