Mein Leben als Zucchini

Originaltitel
Ma vie de Courgette
Jahr
2016
Laufzeit
66 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Matthias Kastl / 13. Februar 2017

Vom Bauernsohn aus dem Wallis zum Oscargewinner – für den Regisseur Claude Barras könnte am 26. Februar in Los Angeles ein Traum wahr werden. Zumindest auf den ersten Blick erscheint es dabei durchaus ungewöhnlich, dass die Academy in der Kategorie “Bester Animationsfilm“ einen gerade einmal 66 Minuten langen Beitrag aus der Schweiz nominiert hat. “Mein Leben als Zucchini“ wirkt nicht nur nur aufgrund seiner Länge manchmal eher wie eine sympathische TV-Produktion für das Kinderprogramm, entwickelt aber dank gefühlvoller Inszenierung und kreativer Stop-Motion-Technik einen Charme, dem man sich nur schwer entziehen kann.

Nachdem sein Vater schon vor längerer Zeit die Familie verlassen hat, muss der neunjährige Zucchini (im Original gesprochen von Gaspard Schlatter) mit dem Tod seiner Mutter den nächsten Schicksalsschlag seines jungen Lebens hinnehmen. Der gutmütige Polizist Raymon (Michel Vuillermoz) bringt Zucchini daraufhin in das Kinderheim von Madame Papineau (Monica Budde), wo der schüchterne Junge am Anfang aber mit den anderen Kindern, insbesondere dem dominanten Simon (Paulin Jaccoud), nicht wirklich zurechtkommt. Erst als die sympathische Camille (Sixtine Murat) von ihrer lieblosen Tante in das Heim eingewiesen wird, werden Zucchinis Lebensgeister wieder geweckt. Als klar wird welche finsteren Pläne die Tante von Camille aber verfolgt, benötigt Zucchini die Hilfe aller anderen Kinder im Heim, um seine geliebte Camille nicht zu verlieren.

“Mein Leben als Zucchini“ ist ein ruhiger Film. Im Gegensatz zu manch anderem Animationskollegen verzichtet man hier auf jegliche Form von temporeichem und visuellem Overkill und versucht stattdessen das jünger Publikum alleine durch eine Geschichte und liebenswürdige Figuren an Bord zu holen. Dabei hat der Film gleich in mehreren Punkten sein Herz am rechten Fleck. Das fängt schon mit der verwendeten Stop-Motion-Technik an, bei der den wundervoll gestalteten Puppen mit relativ wenigen Gesten mehr Leben eingehaucht wird als mancher bis in die letzte Poren computeranimierten Figur der Konkurrenz. Hier stecken unter dem Deckmantel des Minimalismus ein paar verdammt begabte Künstler, und deren liebevolle Arbeit macht einen großen Teil des Charmes des Films aus.   

Genauso liebevoll ist das Porträt der Gemeinschaft im Heim, und so manch Erwachsener wird sich in mehr als einer Szene an seine eigene Kindheit zurückerinnern. Auch wenn es sich bei allen Kindern um Außenseiter handelt, die alle aus traurigen Gründen der Geborgenheit der Familie beraubt wurden, sind viele der Probleme innerhalb dieser bunten Truppe jedem Menschen nur allzu vertraut. Mit das berührendste an dem Film ist dabei die Phase, in der Zucchini versucht seine Rolle in dieser neuen Gemeinschaft zu finden. Der Film fällt dabei für lange Zeit in eine Melancholie, die nur ab und zu durch kleine Sprüche oder Scherze aufgelockert wird.

Keine Frage, “Mein Leben als Zucchini“ lebt von vielen kleinen Momenten und Emotionen, bei denen einem als Zuschauer oft ein wehmütiges Lächeln über das Gesicht huscht. Es gibt nicht viele Filme, welche die Gefühlswelt von Kindern wirklich gut und realistisch einfangen können und genau das ist wohl das größte Kompliment, welches man den Machern hier geben darf. Doch so sympathisch eine Geschichte ohne große Wendungen und künstliches Drama auch ist, ein klein wenig fehlt dem Film vor allem gegen Ende dann doch die Tiefe. Das mag sicher auch der wirklich sehr kurzen Filmdauer geschuldet sein, die für eine tiefere Ausarbeitung mancher Figuren schlicht nicht die Zeit lässt. Das ist insbesondere bei Camille schade, über die man gerne noch etwas mehr erfahren hätte. Spätestens wenn die Geschichte dann aber so langsam den Bogen in Richtung Happy-End schlägt, wird der Film dann doch deutlich zu brav und nett. Es fehlen ein wenig die wirklich bewegenden emotionalen Höhepunkte, die sich richtig in das Gedächtnis des Zuschauers einbrennen können.

So ist der Film gegen Ende dann ein Stück zu nett und gradlinig geraten. Hier rächt sich dann auch leider ein wenig die vorher so positiv wirkende gemächliche Inszenierung, die es nun auch nicht schafft ein klein wenig an der Emotionsschraube des Zuschauers zu drehen. So fühlt sich “Mein Leben als Zucchini“ am Ende irgendwie nicht cineastisch an, will heißen es fehlen neben der visuellen Komponente nach starkem inhaltlichem Beginn doch auch ein wenig die emotionalen Höhepunkte, die einen Besuch im Kino hier nun zwingend notwendig machen. So wäre dann auch ein Oscar doch ein bisschen zuviel des Guten, auch wenn es durchaus verständlich ist, dass sich auch die Academy von dem simplen Charme des Films hat gefangen nehmen lassen. Dem kann man sich nämlich wirklich nur schwer entziehen und so ist “Mein Leben als Zucchini“ auf jeden Fall eine durchaus angenehme Option für einen erst wehmütigen und am Ende dann doch auch das Leben bestätigenden Filmabend in den eigenen vier Wänden.

 

Bilder: Copyright

7
7/10

Drollige Knetfiguren, liebevolle Animationen, witzige Dialoge und eine echte Message: Der Film ist rundum gelungen und weiss sogar teilweise zu berühren. Trotz der kurzen Laufzeit eine absolute Empfehlung !

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