In "Schräger als Fiktion" hatten Dustin Hoffman und Emma Thompson vor ein paar Jahren nur wenige gemeinsame Szenen, waren sich aber trotzdem auf Anhieb so sympathisch, dass der Wunsch nach einer weiteren, diesmal etwas ausführlicheren Zusammenarbeit entstand. Diese Gelegenheit ergab sich, als der junge Regisseur Joel Hopkins sein speziell auf Emma Thompson ausgerichtetes neues Drehbuch auf deren Bitte hin auch noch in Richtung Hoffman umarbeitete und somit ein Film Form annahm, der von vornherein ganz auf seine beiden Hauptdarsteller zugeschnitten ist.
Zuerst begegnen wir Harvey Shine (Dustin Hoffman). Der New Yorker Komponist von Werbe-Jingles bekommt kurz vor dem Abflug zur Hochzeit seiner Tochter noch mitgeteilt, dass sein Job auf der Kippe steht und man ihn für zukünftige Projekte wohl kaum noch berücksichtigen wird. Damit liegt auch Harveys Berufsleben schon beinahe genauso in Trümmern wie das Private. Denn den Flug nach London tritt er eh nur widerwillig an, zu sehr hat er sich mittlerweile von seiner Familie entfremdet und fühlt sich gegenüber Ex-Frau und Tochter auch und vor allem angesichts seines überall beliebten "Nachfolgers" als ein ziemlicher Verlierer. Dementsprechend deprimierend verläuft auch der gemeinsame Abend vor der Hochzeit und als Tochter Susan (Liane Balaban) ihm schließlich eröffnet, dass sie sich lieber von ihrem Stiefvater Brian (James Brolin) zum Altar führen lassen möchte, beschließt Harvey zu gehen. Am Flughafen begegnet ihm aber erneut die dort arbeitende Kate (Emma Thompson), deren Umfragewunsch er auf dem Hinweg noch barsch abgelehnt hatte. Man kommt ins Gespräch und Harvey gelingt es mit Witz und Charme, die anfangs abweisende Kate davon zu überzeugen, gemeinsam zur Hochzeitsfeier zurückzukehren.
Es
ist, wenig überraschend, reinstes Schauspielerkino, das wir
hier zu sehen bekommen, und es obliegt voll und ganz den beiden
Oscargewinnern Hoffman und Thompson, die etwas grob und holzschnittartig
gestrickte Geschichte mit Leben zu füllen. Da die Beiden das
natürlich können und für die schließlich von
ihnen selbst mit angestoßene Independent-Produktion außerdem
auch ausreichend motiviert sind, gelingt dieses Vorhaben entsprechend
mühelos. Die Qualität des Films ergibt sich damit dann
fast von selbst, denn alles andere ist lediglich noch Beiwerk, inklusive
den auch nicht gerade unfähigen übrigen Darstellern.
In der ersten Hälfte zeigen Hoffman und Thompson uns zwei unglückliche
und mit ihrem Leben unzufriedene Menschen, denen es nur sehr mühsam
(und im Falle von Harvey dann schließlich irgendwann überhaupt
nicht mehr) gelingt, die äußere Fassade aufrecht zu erhalten.
Um diesen Punkt zu erreichen treibt es das Drehbuch allerdings ziemlich
dicke und lässt insbesondere auf Harvey erst einmal jede erdenkliche
Katastrophe und jedes peinliche Missgeschick zu rollen, das denkbar
ist. Des zusätzlichen Damoklesschwertes des drohenden Jobverlustes
hätte es dabei eigentlich gar nicht mehr bedurft um trotzdem
ausreichend Mitleid und Sympathie zu kreieren.
Dass dieser Harvey trotz seines gelegentlich unverständlichen
Verhaltens und selbst verschuldeter Misserfolge mit hohem Fremdschämfaktor
aber so liebenswert rüberkommt, dass man als Zuschauer auf
seiner Seite bleiben und mitleiden kann, ist dann
natürlich in erster Linie der Leistung von Dustin Hoffman zu
verdanken, der seine Figur souverän über einen schmalen
Grat manövriert. Spätestens als in den Szenen mit Kate
dann aber plötzlich wieder Energie durch seinen vorher schlaff
durch die Gegend schlurfenden Körper strömt und Harvey
sich kreativ und einfallsreich um diese Frau bemüht, hat er
das Publikum in seiner Hand und lässt es gemeinsam mit ihm
hoffen und zittern.
Emma Thompson hat es dagegen etwas schwerer, ihrer Kate Facetten
und Tiefe zu verleihen, denn wie schon der Originaltitel "Last
Chance Harvey" andeutet, geht es hier doch vor allem um eben
jenen. Was etwas überrascht wenn man bedenkt, wer zuerst in
das Projekt involviert war und für wen es ursprünglich
angelegt wurde. Wir erfahren aber nicht viel mehr als dass Kate
einen emotionalen Schutzpanzer um sich aufgebaut hat und von ihrer
schrulligen Mutter ständig mit Telefonanrufen bombardiert wird.
Sämtliche Initiative geht von Harvey aus und an dem ist es
dann auch, den unvermeidlich auftretenden Konflikt zu lösen,
der das glückliche Ende für die beiden verwundeten Seelen
dann noch etwas hinausschiebt.
Ein Konflikt und ein "Problem", das im Grunde gar keines ist, und deshalb erneut darauf hinweist, dass wir es mit einem etwas bemüht konstruierten Drehbuch zu tun haben. Auch wenn man sich daran stört, kann man trotzdem etwas Freude an der Geschichte haben und am Ende auch mit einem guten Gefühl aus dem Saal gehen. Dass das Ganze letztendlich aber nur ein Vehikel ist, welches den Hauptzweck erfüllt, seinen beiden Hauptdarstellern reichlich Raum zum Glänzen zu verschaffen - das erkennt man hier auch schon auf den ersten Blick.
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