L'auberge espagnole - Barcelona für ein Jahr

Originaltitel
L'auberge espagnole
Land
Jahr
2003
Laufzeit
122 min
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Volker Robrahn / 19. August 2010

Jeder noch so speziellen Zielgruppe ihren eigenen Film! Das könnte man zumindest denken, wenn man sich die Ausgangssituation von "Barcelona für ein Jahr" vor Augen führt: Über das pan-europäische "Erasmus"-Austauschprogramm gelangt der junge Franzose Xavier an einen Studienplatz in Barcelona. Das geschieht allerdings in erster Linie auf Druck seines Vaters, er will nämlich gar nicht so richtig weg aus Paris. Denn hier hat er seine Freundin, hier kennt er sich aus. Nützt aber alles nix und nach einer tränenreichen Verabschiedung macht Xavier schon im Flugzeug seine ersten neuen Bekanntschaften: Den netten, etwas biederen Arzt Jean-Michel und dessen schöne, aber äußerst spröde Ehefrau Anne Sophie. Eigentlich nicht die Leute mit denen ein junger Student bevorzugt seine Zeit verbringt, aber aufgrund akuter Wohnungsnot nimmt Xavier das freundliche Angebot, vorübergehend bei dem Paar zu wohnen, gerne an. Doch schon bald besteht er den ausgeklügelten Aufnahmetest einer multikulturellen Wohngemeinschaft und von da an geht es bergauf: Neue Freunde, aufregende Nächte und eine fast verhängnisvolle Affäre machen den Aufenthalt in der katalanischen Metropole zu einem unvergesslichen Jahr. Wären da nur nicht die Probleme mit der in Paris zurückgebliebenen Freundin und die schleichende Gewissheit, dass auch dieses Jahr schnell zuende gehen wird.

Regisseur und Drehbuchautor Cédric Klapisch hat selbst mal ein derartiges Austauschprogramm durchlaufen und lässt daher einige seiner autobiographischen Erfahrungen auch gleich mit in seinen Film einfließen. Dabei sind diese dann vor allem für jene, die auch schon mal neu in eine unbekannte Stadt in einem fremden Land gekommen sind absolut nachvollziehbar - denn erst ist alles neu und man weiß aber auch wirklich GAR nichts und nur ein paar Monate später sind einem Plätze und Atmosphäre so vertraut, dass man nie wieder zurück nach Hause möchte.
Viele allerdings machen diese Erfahrung nie und denen fehlt damit nicht nur das Identifikationspotential, sondern sie werden auch mit den bunt zusammengewürfelten, eigentlich oft auch recht belanglosen Episoden rund um die Studentenclique eher wenig anfangen können. Wenn sie denn überhaupt den Weg ins Kino finden, zu einem Film bei dem auch in der offiziellen "deutschen Fassung" meist nur untertiteltes Englisch und Spanisch zu hören ist - lediglich die begleitenden Erzähltexte der Hauptfigur wurden eingedeutscht. Eine überschaubare Zielgruppe aus kulturell interessierten Programmkinobesuchern also, aber das ist natürlich kein ernsthafter Kritikpunkt. Denn es spricht ja überhaupt nichts dagegen, wenn jemand das erzählt und zeigt von dem er was versteht und das ihm am Herzen liegt.
Schade ist allerdings, dass Klapisch bei der Wahl seiner Figuren ein wenig zu sehr in die eindimensionale Klischeekiste gegriffen hat. Vom fleißigen Deutschen über den schweigsamen Dänen bis zur selbstbewussten Lesbe ist alles dabei und besonders dick bekommen es die Engländer ins Drehbuch geschrieben: Wahlweise biedere Kiff- und Partymuffel oder aber laut gröhlend und mit jeder Menge Vorurteilen um sich schmeißend. In Grunde ihres Herzens sind sie natürlich alle in Ordnung, aber so richtig mögen kann man sie meistens nicht. Dazu tragen auch die gehäuften Seitensprünge innerhalb der lebenslustigen Gruppe bei - realistisch vielleicht, aber eben auch nicht besonders sympathisch. Und wenn dann der arme Xavier (hübsche Freundin in Paris, attraktive Affäre in Barcelona und superbeliebt in der Gruppe) über sein total kompliziertes und chaotisches Leben jammert, fällt es recht schwer ihm beizupflichten "Ja Junge, Du hast es echt schwer".

Auch auf der formalen Ebene bietet der Film ein recht diffuses Bild. In der ersten Viertelstunde überbietet sich Klapisch geradezu mit kleinen technischen Spielereien: Extrem beschleunigte Kamerafahrten, direkt auf die Linse geklebte Papierschnipsel und ähnliche Mätzchen lassen den Betrachter ein leicht überdrehtes und rasantes Werk erwarten, doch dann hört der Regisseur damit einfach wieder auf und begibt sich in ruhigeres und konventionelles Fahrwasser. Man fragt sich was das denn nun sollte und schüttelt einmal kurz den Kopf. Trotz dieser Unausgegorenheit bietet "Barcelona für ein Jahr" allerdings genug Charme und Atmosphäre sowie die merkbare Leidenschaft der Beteiligten um nicht als misslungen bewertet zu werden. Und da die Dame Audrey Tautou (in einer etwas kleineren Rolle) auch hier mit dabei ist kann man sich den kurzen Vergleich dann doch nicht verkneifen: Einen gewissen Charme hat er ja, aber vom Zauber einer "Amelie" ist dieser Film leider doch ein ganzes Stück entfernt.

Bilder: Copyright

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