Es ist eine nie enden wollende Geschichte: Tom Hanks und der kleine Mann. Oder besser noch, Tom Hanks als der kleine Mann. Es ist sein Schicksal und sein Erfolgsgeheimnis, nahbar, freundlich und leicht naiv daher zu kommen. Immerhin steht er damit in der großen Tradition eines James Stewart, das muss man auch erstmal schaffen. Spätestens seit "Forrest Gump" sind seine Figuren auch nicht immer die hellsten Sterne am Himmel. In "Larry Crowne", bei dem Hanks selbst mitgeschrieben und auch Regie geführt hat (zum ersten Mal bei einem Kinofilm seit seinem Debüt "That thing you do" von 1996), schlüpft der inzwischen 55-jährige Star wieder in die Rolle eines sympathischen Verlierers.
Die titelgebende Hauptperson ist mit Leib und Seele Angestellter bei einer großen Supermarktkette und mit seinem Optimismus und seiner Leidenschaft gut eingerichtet im kleinen Alltag. Als er jedoch statt seine neunte Auszeichnung als Mitarbeiter des Monats zu erhalten gefeuert wird, steht er vor den Trümmern seines Lebens. Ohne College-Ausbildung ist die Jobsuche im krisengebeutelten Amerika schwierig, seine Ehe ist geschieden, das mit hohen Hypotheken belastete Haus dagegen geblieben. Es sieht nicht gut aus für diesen Larry Crowne am Anfang der Geschichte.
Dieses sehr zeitgemäße Thema, das momentan in den USA hunderttausende Menschen betrifft, die durch die Immobilienkrise an den Rand des Bankrotts geführt wurden, erzählt Hanks auf seine sehr typische Art. Denn Larry Crowne ist ein Stehaufmännchen, einer, der mit Hilfe von Freunden und neuen Bekannten das Leben selbst in die Hand nimmt und aus diesen Trümmern versucht, das Beste zu machen. Es ist bei aller Krise also ein amerikanischer Film, wie er im Buche steht. Hier lebt einer den "American Dream" in der Second-Hand-Variante.
Larrys Nachbar Lamar (Cedric the Entertainer), der nach seinem Lottogewinn hauptberuflich einen Flohmarkt in seinem Vorgarten betreibt, überredet ihn, sich noch einmal an der Universität einzuschreiben. Statt Yoga für Studenten des Dritten Lebensalters zu belegen, lässt sich Larry also einschreiben für Wirtschaftskurse und Rhetorikseminare. Passenderweise begegnet er auf seinem neu erworbenen Roller, den er wegen der Benzinpreise seinem SUV vorzieht, direkt der wunderschönen Talia (Gugu Mbatha-Raw), die den alternden Erstsemester unter ihre Fittiche und schließlich sogar in ihre Vespa-Gang aufnimmt. Diese ungewöhnliche Freundschaft verändert Larrys Leben: Feng Shui, stylische Outfits und Spaß halten Einzug in den Alltag des freundlichen Biedermanns. Und dann ist da natürlich auch noch die Rhetorikprofessorin Mercedes Tainot….
Lange hat man Julia Roberts nicht mehr so neurotisch, genervt und bissig erlebt, wie in dieser Rolle als frustrierte Lehrerin. Heilfroh, dass nur neun statt der vorgeschriebenen zehn Studenten zum Seminar erscheinen und sie die Veranstaltung somit abblasen kann, will sie sich gerade wieder ihrem zunehmenden Alkoholismus und ihrer zerrütteten Ehe hingeben, als Larry in die Tür kommt und mit seinem Lerneifer und seiner Herzensgüte dem Kurs neues Leben einhaucht. Das könnte leicht in Kitsch abgleiten, dank Roberts' fiesem Lebenszynismus bleibt die Darstellung der sich anbahnenden Beziehung zwischen den beiden aber abwechslungsreich und schlagfertig genug, um nicht in diese Falle zu tappen.
Letztlich vermeidet der Film, der seine Protagonisten über ein Semester begleitet, die totale Moralkeule. Die Lektion dabei bleibt aber: Man kann alles schaffen, wenn man nur will und selbst die härtesten Rückschläge hauen einen wackeren Amerikaner nicht aus den Puschen. Freundlicher ausgedrückt ist "Larry Crowne" einfach ein Feel-Good-Movie voller witziger Ideen und feine Popcorn-Unterhaltung, woran nichts auszusetzen ist, solange es halbwegs gut gemacht ist. Und zumindest halbwegs gut ist es, auch dank der diversen in Nebenrollen auftauchenden Darsteller aus bekannten amerikanischen Serien, wie Wilmer Valderama ("Die wilden Siebziger") als Talias eifersüchtiger Freund, oder auch Bryan Cranston, der Vater aus "Malcolm Mittendrin" und Star von "Breaking Bad" in einer Paraderolle als Mercedes' versagender Ehemann Dean.
Man hätte aus dem Thema einen sehr anderen Film machen können. Es hätte ernsthaft, deprimierend und aufrichtig behandelt werden können. Aber das wäre dann wohl kein Tom Hanks-Film geworden. Und der geht nun mal mit einer gehörigen Portion Optimismus ans Leben, ob als Forrest Gump, Chuck Nolan ("Verschollen - Cast away") oder eben Larry Crowne. Dafür dass er seine Figuren nie verrät und nie dumm aussehen lässt, liebt ihn das Publikum, und das gelingt ihm auch in "Larry Crowne" wieder.
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