Traditionell wird im Kino ja in den Herbst- und Wintermonaten die Bühne für potenzielle Oscar-Kandidaten bereitet. In diesem Jahr scheint die Auswahl aber schon sehr dürftig auszufallen – was wohl erklärt, warum ein Film wie "Konklave" plötzlich in die engere Auswahl für die begehrteste Trophäe der Filmbranche rückt. Das Intrigenspiel rund um eine Papstwahl erweist sich zwar über weite Strecken als ganz unterhaltsames Kammerspiel, das vor allem durch ein gut aufspielendes Ensemble überzeugt. Am Ende hinterlässt "Konklave" aber jetzt keinen wirklich bleibenden Eindruck – vor allem wegen eines allzu melodramatischen Hollywood-Finales, das dem Film deutlich an Substanz und Ernsthaftigkeit raubt.
Im Zentrum des im Film dargestellten Machtkampfes um das höchste Amt in der katholischen Kirche steht Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes, "Der ewige Gärtner", "Spectre"). Nach dem Tod des Papstes obliegt es ihm als Dekan des Vatikans, die Konklave und damit die Wahl des neuen Papstes zu organisieren. Während Lawrence auf den Erfolg des liberalen Kardinals Bellini (Stanley Tucci, "Terminal", "Der Teufel trägt Prada") hofft, haben auch einige deutlich konservativere Kandidaten Ambitionen auf das Amt – darunter der Nigerianer Adeyemi (Lucian Msamati), der Amerikaner Trembley (John Lithgow, "Planet der Affen: Prevolution", "Kinsey") und der Italiener Tedesco (Sergio Castellitto). Für eine kleine Überraschung sorgt das unerwartete Auftauchen von Kardinal Benitez (Carlos Diehz) aus Kabul, der unter mysteriösen Umständen jüngst vom verstorbenen Papst zum Kardinal ernannt wurde. Dessen Ankunft wird aber bei weitem nicht die einzige unvorhergesehene Entwicklung sein, mit der sich Lawrence in den folgenden aufwühlenden Tagen auseinandersetzen darf.
Aufwühlende Tage, die unsere Protagonisten dazu noch auf engstem Raum verbringen dürfen. Zwangsweise ist man hier für die Dauer der Wahl nämlich von der Außenwelt isoliert und so treffen wir die Kardinäle meist im Gästehaus des Vatikans oder in der sixtinische Kapelle für einen der zahlreichen Wahlgänge an. So ein Setting ist natürlich die perfekte Voraussetzung für ein intensives Kammerspiel à la "Die zwölf Geschworenen", bei dem Charaktere im Fokus stehen und die Dialoge wie Bälle nur so hin- und herfliegen dürfen. Zumindest für zwei Drittel des Filmes ist das dann auch der Fall, denn wie hier taktische Überlegungen getätigt, Schlachtpläne entworfen und Allianzen geschmiedet werden ist schon ziemlich unterhaltsam anzuschauen.
Das liegt vor allem an einem starken Ensemble, denn gerade Ralph Fiennes, Stanley Tucci und John Lithgow sind derart ausdrucksstarke Darsteller, dass oft nur ein paar Blicke von ihnen reichen, um die Spannung im Raum deutlich ansteigen zu lassen. Zugegeben, der ein oder andere unserer Kardinäle bedient auch so manches nationale Klischee – der Italiener gibt sich natürlich emotional lautstark und der Pole greift gerne zur Flasche. Dennoch macht das Ränkespiel Spaß, da vor allem Fiennes als zentraler Anker des Films hervorragend funktioniert. Sein Lawrence nimmt die Rolle des Vermittlers und Moderators sehr ernst, versucht selbst gegenüber engen Vertrauten eine professionelle Distanz zu halten und möchte aufrichtig faire Wahlen garantieren (da könnte sich manch einer in der echten Welt eine Scheibe von abschneiden). Das macht Lawrence schnell zu einer sehr sympathischen Figur, deren wachsende Verzweiflung angesichts mancher Enthüllungen und Manipulationsversuche einen so umso mehr emotional mitnimmt.
Schön anzuschauen und atmosphärisch dicht ist das alles auch noch. Auch wenn man, jetzt nicht ganz überraschend, "Konklave" nicht an Originalschauplätzen drehen durfte. Italien hat aber ja das ein oder andere beeindruckende historische Gemäuer zu bieten und so wirken die gewählten Locations hier ziemlich authentisch und überzeugend. Und zur Not baut man sich sein Set einfach selbst, was im Fall der Sixtinischen Kapelle besonders beeindruckend gelungen ist. Geschickt nutzt der Film auch das genauso prachtvolle wie einheitliche Outfit der Kardinäle für ein paar schöne Massenaufnahmen – etwa wenn die große Gruppe von Kardinälen stilvoll mit ihren Regenschirmen über einen Platz flaniert.
Ganz so stilsicher geht es in Sachen Filmmusik leider nicht zu – auch wenn Regisseur Edward Berger auf seinen alten Bekannten Volker Bertelmann zurückgreift. Der hatte für seine Filmmusik in Bergers "Im Westen nichts Neues" ja einst den Oscar erhalten, liefert nun auch wieder eine sehr markante musikalische Begleitung ab, die allerdings oft zu aufdringlich und überdramatisierend daherkommt. Das lässt sich im letzten Drittel des Filmes leider auch über die Handlung sagen, die nun vor allem dank ein paar eher unplausibler Wendungen vorangetrieben wird. Wie sich hier manche Figuren verhalten und Konflikte entfalten oder lösen wirkt eher erzwungen als natürlich. Die Lust auf großes Hollywooddrama war wohl einfach zu groß, was gerade angesichts der vorher sorgsam aufgebauten Glaubwürdigkeit des Szenarios doch ziemlich ärgerlich ist. Insbesondere was hier im letzten Wahlgang passiert ist einfach zu simpel und steht komplett im Widerspruch zu dem eher vielschichtigen Bild, das zuvor von den hier beteiligten Entscheidungsträgern gezeichnet wurde.
Und dann ist da noch dieser letzte kleine Überraschung. Auf den ersten Blick wirkt die letzte Wendung des Films mutig und dürfte wohl auch der Grund gewesen sein, warum die Buchvorlage von Autor Robert Harris die Aufmerksamkeit der Macher erregte. Zeitgeist und so. Doch bei näherer Betrachtung ist dieses Ende einfach nur billig. Statt sich ernsthaft mit dem dort aufgemachten thematischen Fass und den dadurch entstehenden komplexen Folgen auseinanderzusetzen, endet man einfach abrupt. Was dann doch den Eindruck hinterlässt, dass es am Ende weniger um dessen Inhalt als um den puren Überraschungseffekt ging. Und das ist dann eben mal so gar nicht mutig. So bleibt am Ende eines lange Zeit ziemlich unterhaltsamen Kammerspiels dann doch ein deutlicher fader Beigeschmack. "Konklave" ist eben nicht so clever, wie es zunächst scheint. Und damit eigentlich auch kein verdienter Oscar-Anwärter – auch wenn es die Academy angesichts der eher spärlichen Konkurrenz vermutlich anders sehen wird.
Neuen Kommentar hinzufügen