Alex Proyas hat bisher noch keinen schlechten Film gemacht. Von der kleinen Independent-Produktion "Garage Days" einmal abgesehen, bewegt sich der Regisseur dabei ausschließlich im phantastischen Genre, und dass er es bisher noch nicht zu einem Markennamen gebracht hat bei dem die Leute schon angespannt auf den "neuen Proyas" warten, liegt wohl in erster Linie daran, dass er sich für seine Werke immer bemerkenswert viel Zeit nimmt. So sind in den letzten 15 Jahren gerade mal drei Filme entstanden, die aber allesamt überzeugen konnten, beginnend mit "The Crow" über die SF-Perle "Dark City" bis zum ebenfalls gelungenen Mainstream-Debut "I, Robot".
Nicolas Cage hat in letzter Zeit ziemlich viele schwache Filme gemacht und wenn er nicht zwischendurch einen unverhofften Glückstreffer mit seinen beiden "Vermächtnis"-Abenteuerfilmen hätte landen können, so würde man den Namen des Oscarpreisträgers wohl mittlerweile nur noch mit Flops wie "Next", "The Wicker Man" oder "Bangkok Dangerous" in Verbindung bringen. Letzterer erhielt nicht einmal mehr einen deutschen Kinostart und in den anderen genannten chargierte Cage nach Meinung vieler phasenweise am Rande der Lächerlichkeit. Nun gibt es also die Kombination Cage/Proyas und die Frage lautet dementsprechend, ob dieser Filmemacher seinen Hauptdarsteller aus dem Karrieretief holt oder etwa selbst mit hineinstürzt.
Vor 50 Jahren haben Schüler einer Schule in Lexington, Massachusetts ihre Visionen der Zukunft zu Papier gebracht und in einer "Zeitkapsel" vergraben. Zum Jubiläum werden diese Aufzeichnungen geöffnet und an die heutigen Schüler verteilt. Auch Caleb (Chandler Canterbury) erhält ein Blatt Papier, auf dem sich jedoch keine Zeichnung, sondern eine Ansammlung anscheinend willkürlich notierter Zahlen befindet. Sein Vater John (Nicolas Cage) ist jedoch selbst Lehrer für Astrophysik an der Schule und stößt schon bald auf ein System hinter der Anordnung der Ziffern. Sie beschreiben mit unheimlicher Präzision die schlimmsten Katastrophen der letzten 50 Jahre und nennen auch die exakte Anzahl der jeweiligen Todesopfer. Woher konnte das Mädchen, welches vor einem halben Jahrhundert diese Aufzeichnungen machte, das alles wissen? Wo werden sich die noch nicht eingetretenen, aber bereits beschriebenen Unglücke ereignen? Und vor allem: Wieso steht beim letzten prophezeiten Unglück bei der Zahl der Opfer "alle Anderen"?
Dass wir es hier durchaus mit einer Bedrohung von apokalyptischen Ausmaßen zu tun haben, wird sehr schnell deutlich, worin diese wohl bestehen mag allerdings erst wesentlich später. Wer sich aber die Gestaltung des Titelschriftzugs auf dem Filmplakat mal etwas genauer anschaut, dürfte sich dazu bereits etwas denken können. Worauf es aber am Ende wirklich hinausläuft, dass wird hier weder verraten, noch bereitet einen die vorhergehende Filmhandlung ernsthaft darauf vor.
Nein, zunächst verläuft alles in eher bekannten Bahnen und mit mittelprächtig aufregend inszenierter Routine werden die Gefilde des gepflegten Mystery-Thrillers abgegrast. Natürlich glaubt erst mal niemand ernsthaft an das, was der Kleinstadtlehrer da entdeckt zu haben meint, und hält es wechselweise für einen schlechten Scherz oder dummen Zufall. Wenig originell auch eigentlich die Familienkonstruktion des alleinerziehenden Vaters, mit schwierigem und distanziertem Verhältnis zum eigenen Sohn. Etwas reizvoller dagegen schon dessen mit dem Unfalltod seiner Frau gewachsene Überzeugung , dass das Leben aus einer Ansammlung ungerechter und unkontrollierbarer Zufälle besteht.
Eine Einstellung, die dann natürlich im krassen Gegensatz zu den langsam wachsenden Erkenntnissen über ein anscheinend schon lange vorbestimmtes Schicksal jedes einzelnen Menschen und sogar des gesamten Planeten Erde steht. Schon früh wird dabei deutlich, dass Johns Sohn und auch der Enkelin des Mädchens, welches einst die geheimnisvollen Aufzeichnungen verfasste, offenbar eine besondere Rolle zugedacht und diese beiden Kinder "ausgewählt" wurden - für was auch immer.
Die Geschichte braucht ein wenig um in die Gänge zu kommen und so dauert es auch ein Weilchen, bis einem hier erstmals handfeste Action geboten wird. Dabei handelt es sich natürlich um die vorhergesagten und nun unmittelbar bevorstehenden Unglücke, und die beiden betreffenden Sequenzen wissen dann auch zu überzeugen. Zwar ist klar erkennbar, dass hier bei Flugzeugen und Zügen mit dem Computer gearbeitet wurde, aber die Rasanz der Szenen und die gewählten Kamerafahrten können dennoch begeistern. Und in Sachen Atmosphäre macht Alex Proyas ja sowieso kaum einer was vor, wenn es hier düster und bedrohlich wirken soll, dann tut es das auch, ob nun inmitten eines Katastrophengebietes oder lediglich in einem Wald, in dem die Blätter rauschen und unheimlich durch die Luft wirbeln.
Es ist auch keinesfalls so, dass es abseits der Knalleffekte langatmig zugehen würde. Wobei der Film erst im Nachhinein eine noch stärkere Wirkung entfaltet, da sich einem einige bereits früh eingeführte Elemente - wie die merkwürdigen bleichen Männer, die Kontakt zu den Kindern aufnehmen und anscheinend übernatürliche Kräfte besitzen - erst sehr spät erklären und dem zuvor Gesehenen somit Sinn verpassen.
Und damit kommen wir zur großen Leistung des Films und seiner Drehbuchautoren (zu denen auch der Regisseur selbst gehört), die kaum ausreichend genug gewürdigt werden kann: Hier wird eine Geschichte, die sich eigentlich in mehreren, kaum noch befriedigend erklär- und auflösbar erscheinenden Fallstricken verfangen hat, zu einem derart überzeugenden und runden Ende geführt, wie man es nur sehr selten zu sehen bekommt.
So manch erfahrener und durch die harte "Akte X"-Schule gegangener Filmfreund dürfte sich nämlich hier irgendwann an einem Punkt wieder finden, an dem er sicher ist, dass das Alles nur noch in einem unbefriedigenden Mystery-Quark enden kann, bei dem einem am Schluss entweder gar nichts erklärt oder nur eine halbgare Pseudo-Auflösung geliefert wird. Doch weit gefehlt, denn selten wurde in letzter Zeit mal ein Stück Genrekino nicht nur auf einer hübschen Idee aufgebaut, sondern auch derart konsequent zu Ende erzählt. Hier gibt es einen Plan und der wird durchgezogen.
Zweifellos wird es zwar auch den einen oder anderen geben, der das finale Szenario als genauso albernen wie kitschigen Unfug abtun wird, aber wer keine grundsätzlichen Probleme mit dem Phantastischen hat, dürfte doch insgesamt sehr angetan sein. Wer zudem "Dark City" kennt, weiß ja außerdem sowieso, dass Meister Proyas keine Angst vor alles auf den Kopf stellenden Storywendungen hat.
Und was ist nun mit Nicolas Cage, dem Taumelnden? Der macht seinen Job solide und setzt mit diesem Werk somit auch ein eher positives Ausrufezeichen. Aber darauf kommt es im Grunde gar nicht an, denn auch seine Filmfigur muss am Ende erkennen: In "Knowing" geht es nicht um ihn, sondern um etwas ganz anderes.
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