Joker 2: Folie À Deux

Originaltitel
Joker: Folie À Deux
Land
Jahr
2024
Laufzeit
138 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Volker Robrahn / 2. Oktober 2024

Dass diese ursprünglich nicht geplante Fortsetzung angesichts des gigantischen Erfolges des „Joker“ von 2018 kommen musste, war klar. Und natürlich kann man da nach der Ergreifung des mehrfachen Mörders Arthur Fleck auch noch weitererzählen. Schließlich sprach der mit seinem Amoklauf gegen die Verlogenheit und Gleichgültigkeit der Gesellschaft vielen aus der Seele, wurde quasi zu einem Helden des Volks. Was wird er nun also tun, sich aus dem Gefängnis heraus weiter als Clownprinz inszenieren, seine „Fans“ anstacheln, die Stadt Gotham ins Chaos stürzen? Das ist schließlich das, was frühere Inkarnationen der „Joker“-Figur getan haben und dafür stand er ja auch stets in dem Medium, aus dem er eigentlich stammt, nämlich den Batman-Geschichten von DC-Comics. Aber wer sich von "Folie À Deux" tatsächlich irgendeine Art von Spektakel mit Actionszenen oder ausgeklügelten Raubzügen erwartet hat, bekommt es bei diesem Film mit aller Deutlichkeit demonstriert: Dieser Joker hat wirklich überhaupt nichts mit einem Superhelden-Film zu tun, denn Regie & Drehbuch verweigern sich noch mehr als beim Vorgänger praktisch allem, was normalerweise zum Blockbuster-Kino gehört – und kreieren damit gerade deshalb ein höchst spannendes Ereignis.

 

Denn der abgemagerte und lethargische Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) versprüht hier zu Beginn keinerlei Energie, lässt die Sprüche der Mitgefangenen im Gefängnis von Arkham genauso über sich ergehen wie die Schikanen der Wärter, angeführt vom bulligen Jackie (Brendan Gleeson). Wenn der ihm mal einen Gefallen in Form einer Extra-Zigarette oder etwas mehr Ausgang zukommen lässt, bezeichnet er ihn sogar als „Kumpel“ - und bekommt dafür von Jackie sofort eine gescheuert. Der Prozess gegen ihn wegen fünffachen Mordes an u.a. dem Talkshowmoderator Murray Franklin, den er vor laufender Kamera erschoss, steht kurz bevor und darin soll der Frage nachgegangen werden, ob Fleck denn überhaupt für seine Taten verantwortlich gemacht werden kann oder aufgrund seiner traumatischen Kindheit und einer psychischen Störung unzurechnungsfähig ist. Auf Letzteres zielt die Strategie seiner Verteidigung, gegen die sich Arthur aber aufzulehnen beginnt als er die Bekanntschaft der Mitgefangenen Lee Quinzel (Lady GaGa) macht, die ihm bescheinigt, wie großartig das doch war was er getan hat, sich als eine Verwandte im Geiste sieht und mit ihm gemeinsam die Welt aus den Angeln heben will. Aus dieser Zuneigung entwickelt Arthur schließlich neue Motivation und auch wieder Gefallen an der Rolle des „Joker“.

„Folie À Deux“ bezeichnet eine Zwangsstörung, die zwei Leute miteinander teilen bzw. sich von Einem auf den Anderen überträgt, und schon dieser erklärungsbedürftige Titel deutet in gewisser Hinsicht die angesprochene „Verweigerungshaltung“ von Todd Philips an, seine Fortführung der „Joker“-Story dem Publikum leicht zugänglich zu machen. Es gibt nach gängigen Maßstäben wirklich nichts Aufregendes zu sehen hier, und wer aus langjähriger Erfahrung vielleicht glaubt, das gemächliche Tempo der ersten Filmhälfte sei nur Vorbereitung und wird sich dann im Verlauf schon steigern, der irrt gewaltig. Denn was wir hier präsentiert bekommen ist nicht nur die Dekonstruktion des Superheldenfilms, sondern auch die eines vermeintlich coolen Schurken, der nur das auslebt, was wir alle selbst zu gerne täten und wären. Denn dieser Arthur Fleck ist tatsächlich nicht von Grund auf Böse, sondern einfach nur ein frustriertes, armes Würstchen aus dem irgendwann die Gewalt herausbricht, der sich nach Anerkennung sehnt und das Scheinwerferlicht genießt. Absolut überzeugend und glaubwürdig gespielt von Joaquin Phoenix, daran gibt es erneut nichts zu deuteln.

 

Bei der Besetzung von Lady Gaga als Fan-Favorite Harley Quinn, eine Figur, die es immerhin aus dem missratenen „Suicide Squad“-heraus zu einem eigenen Solofilm brachte, scheint es zunächst so als sei deren Verpflichtung in erster Linie ihren Sangeskünsten zu verdanken. Denn gesungen wird in diesem Film recht viel, ohne dass man ihn deshalb als echtes Musical verkaufen kann (wie es aber gerade recht häufig versucht wird). Denn die Gesangsduette von Phoenix und Gaga bestehen vorwiegend aus den altmodischen Swingnummern, mit denen Arthur Fleck unter der „Herrschaft“ seiner Mutter aufwuchs oder aus adaptierten Popnummern von Bands wie den Carpenters, die zu der Zeit irgendwo in den späten siebziger Jahren angesagt waren, in der diese Gotham City-Version ja angesiedelt ist. Sie entbehren zudem jeder Form von Dynamik und Choreographie, wie sie in echten Musicals üblich sind, werden ruhig und getragen aufgeführt und mit genau der gleichen Traurigkeit, welche die ganze Geschichte ausfüllt. Daher werden sie auch immer wieder gebrochen, erweisen sich als Traumwelt, als Wunschvorstellung – und sind zudem auch so eine Art Alibi-Anlass, um hier überhaupt mal den „Joker“ in seiner bunten Bemalung zu sehen. Aber die Lady bekommt dann doch noch etwas mehr zu tun und entwickelt ihre Lee Quinzel zu einer ebenfalls sehr traurigen Figur, die aber ebenfalls komplett das unterlaufen dürfte, was sich ein Großteil der Zuschauer wohl von ihr erwartet hat.

Wenn dieser Film dennoch spannend ist, dann weniger aufgrund der eigentlichen Handlung die schon rewcht träge voranschreitet. Sondern weil er uns lange im Ungewissen lässt, wie er selbst eigentlich zu Arthur oder dem Joker steht. Weil es Momente gibt, in denen es so scheint als würden wir nun doch wieder verführt und manipuliert, diesen Arthur Fleck clever und toll zu finden, sobald er das Make-Up auflegt und die Anwälte vorführt. Nur um uns kurz darauf dazu zu bringen ihn förmlich zu hassen, wenn er die Auswirkungen, die seine Taten auf andere, Unbeteiligte haben, komplett ignoriert und mit Gleichgültigkeit straft. Weil dieser Film seinem Publikum, das sich in der Mehrzahl voraussichtlich auf ein paar coole, durchgeknallte Figuren freut, die es so richtig krachen lassen, erbarmungslos den Spiegel vorhält, indem er ihm demonstriert wie armselig diese tatsächlich sind.

Die Konsequenz, mit der diese „Blockbuster-Fortsetzung“ das macht, dürfte dabei ziemlich beispiellos sein und die Carte Blanche, die sich Regisseur und Autor Todd Philips durch den Erfolg des ersten Films verdiente, weiß er beeindruckend zu nutzen. Denn im Gegensatz zum Vorgänger, der an dieser Stelle eher kritisch gesehen und als eine wenig originelle Mischung aus „Taxi Driver“ und „King of Comedy“ betrachtet wurde, ist dies jetzt ein absolut eigenständiger Film, der auch zur Figur „Joker“ einiges zu sagen hat. Es ist halt nur nichts Nettes.

Bilder: Copyright

Das klingt ja recht euphorisch und spannend; der Film erscheint angenehm kompromisslos. - Warum dann trotzdem "nur" eine Bewertung im oberen Mittelfeld?

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