Immer Ärger mit 40

Originaltitel
This is 40
Land
Jahr
2012
Laufzeit
134 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Frank-Michael Helmke / 18. Februar 2013

Judd Apatow kann sich rühmen, einer der bedeutendsten Filmemacher der 2000er Jahre zu sein, und dass nur aufgrund von zwei Filmen: mit der 40-jährigen Jungfrau und "Knocked up - Beim ersten Mal" hob Apatow fast im Alleingang das Genre der "R-Rated Comedy" aus der Taufe und machte eine neue Sorte von Komödien-"Helden" salonfähig - eine herrlich normaler, nicht sonderlich attraktiver, beizeiten etwas verplanter und gern mal zugedröhnter Typus Mann, der bei Frauen nicht unbedingt sofort ankommt, dafür viel Identifikationspotential fürs männliche Publikum bietet. Immer Ärger mit 40Kurz gesagt: Typen, die ein bisschen sind wie Apatow selbst. Der Erfolg jedenfalls war durchschlagend und seitdem füttert Apatows Produktionsfirma den Komödien-Markt regelmäßig mit ähnlich gelagertem Produkt, von "Superbad" über den "Ananas Express" bis hin zu "Männertrip", "Brautalarm" und "Fast verheiratet".

Während Apatows breit aufgestellte Gang an Spießgesellen dieses inzwischen zur eigenen Erfolgsformel verfestigte Programm herstellt, fühlt der Meister selbst sich indes anscheinend zu Höherem berufen und versucht sich bei seinen eigenen Regiearbeiten inzwischen an einer Art "Komödie mit Tiefgang". So ungefähr muss man jedenfalls einordnen, was Apatow in seinem letzten Film "Wie das Leben so spielt" versuchte, als er der Welt zeigen wollte, wie zynisch, einsam und verbittert einen das Leben als millionenschwerer Comedy-Superstar machen kann. So hehr die Absicht war und so wohl genährt die Geschichte aus den autobiografischen Erfahrungen von Apatow und seinem Hauptdarsteller Adam Sandler - richtig funktionieren wollte es trotzdem nicht. Nicht zuletzt, weil der fast zweieinhalbstündige Film mit seinem endlos mäandernden Plot völlig aus dem Ruder lief.

Leider beweist Apatows nun vierte eigene Regie-Arbeit, dass er es in der Zwischenzeit immer noch nicht gelernt hat, seinen Filmen mehr Stringenz und Fokus zu verpassen, während er sich inhaltlich noch mehr (oder eigentlich nur noch) um sich selbst dreht. In "Immer Ärger mit 40" will Apatow einen ehrlichen, mal komischen, mal schmerzhaft wahrhaftigen Blick auf das Leben als Familienmensch mit 40 werfen, und womit Mann und Frau in dieser Lebensphase so zu kämpfen haben. Auch hier kann man wieder eine durchaus hehre Absicht unterstellen, da es sicher viele Zuschauer im passenden Alter gibt, die sich sehr mit dem identifizieren können, was Apatow hier zeigt. Es stellt sich indes die Frage, wen das jenseits der direkten Ziel- und Altersgruppe interessieren sollte. Und warum man eine derart banale Handlung über geschlagene 130 Minuten auswalzen muss.

Immer Ärger mit 40Man ist sich bei der Werbung zu diesem Film nicht zu schade, ihn als Quasi-Fortsetzung von "Beim ersten Mal" zu bezeichnen, was einzig darauf fußt, dass das dort von Paul Rudd und Leslie Mann gespielte Ehepaar (einst "nur" die Nebenrollen für den Subplot) hier nun - ein paar Jahre älter - in den Fokus rückt. Inhaltlich haben die beiden Filme nichts miteinander zu tun, und es hätte keinen Unterschied gemacht, wenn Apatow den Figuren einfach neue Namen gegeben hätte. Aber sei's drum. Pete (Rudd) und Debbie (Mann) haben jedenfalls in derselben Woche Geburtstag, und die große 40 steht ins Haus. Während Debbie in einem lahmen Running Gag darauf besteht, dass sie erst 38 ist, schlagen sich die beiden ansonsten rum mit den mehr oder weniger üblichen Problemen, die man mit 40 so am Hals hat: Die Kinder brauchen ständige Aufmerksamkeit und tendieren dazu, zu nerven (vor allem wenn sie grad ernsthaft in die Pubertät kommen); mit den eigenen Eltern hat man seine eigenen, ewigen Themen zu beackern; und man muss sich ständig Sorgen um die finanzielle Sicherheit seiner Familie machen.


Dieser letzte Punkt ist das einzige in "Immer Ärger mit 40", was halbwegs als ernsthaft Konflikt- oder Problem-erzeugendes Handlungselement durchgeht - und ist zugleich das Element, das am wenigsten überzeugend umgesetzt wird. Angesichts der banalen Trivialität von allem anderen, was hier passiert und verhandelt wird, ist Apatows Absicht verständlich, mit den Geldproblemen von Pete und Debbie ein Thema einzuführen, das sich wenigstens halbwegs existenziell anfühlt. Er behandelt diesen Aspekt jedoch so lax und inkonsequent, dass man ihn beim Zuschauen immer wieder aus dem Fokus verliert und das Gefühl hat, dass der Multimillionär Apatow nicht mehr wirklich ein Verständnis dafür hat was es heißt, in Geldnot zu geraten. Die angebliche Existenzbedrohung, die hier ständig behauptet wird, mag man jedenfalls nicht so richtig ernst nehmen ansgesichts des extrem großzügigen Hauses (mit Pool), in dem die Familie wohnt, und den zwei dicken BMWs, mit denen sie durch die Gegend fährt. Man hätte die Sache auch einfach ganz weglassen können - allerdings wäre dann noch weniger übrig, was man hier ernsthaft als Geschichte bezeichnen kann.

Immer Ärger mit 40Apatow war noch nie ein Meister sauber und diszipliniert strukturierter Filmplots - das widerspricht auch seiner Arbeitsweise, bei der er es liebt, seine komödiantisch hochbegabten Darsteller drauflos improvisieren zu lassen (zumindest die DVD-Outtakes sind bei ihm darum immer eine Wucht). Doch so wie hier hat er die Zügel noch nie schleifen lassen. Debbie und Pete kreisen den gesamten Film über um dieselben Probleme, streiten sich, versöhnen sich, streiten sich, versöhnen sich, ohne dass irgendein klarer roter Faden erkennbar wäre (stattdessen werden etliche lose Fäden, die der Film angesponnen hat, unterwegs einfach wieder fallen gelassen und nie zu Ende geführt). Ja, das hat alles sehr viel Wahrhaftigkeit an sich und ist zu großen Teilen sehr glaubwürdig direkt aus dem Leben gegriffen. Aber das ist es halt: Man kennt haargenau dieselben Szenen von zuhause - nur vielleicht mit weniger schlagkräftigem und Schimpfwort-affinem Dialog - warum also soll man sich das im Kino anschauen wollen? Der ganze Film hat die Tiefe und die Relevanz einer (gut geschriebenen) Sitcom-Episode, und wie eine jede Sitcom löst er nichts auf und entwickelt sich exakt nirgendwo hin. Und das eben über 130 Minuten.

Anstatt sich auf eine klare Handlungslinie zu fokussieren, greift Apatows schlechte Angewohnheit, sich auf irrelevanten Tangenten zu verlieren, weil er sie einfach komisch findet, immer mehr um sich. So trifft man zu Beginn des Films zum Beispiel eine Fitness-Trainingspartnerin von Debbie, die im weiteren Verlauf nie wieder auftaucht, aber eine gefühlte Minute lang mit unterschiedlichsten, bildhaften Beispielen veranschaulichen darf, was sie mit ihren durch eine Operation abgestumpften Nerven im Unterleib alles nicht mehr fühlt. Beim Dreh sicherlich ein großer Improvisationsspaß. Für den Film komplett unnötig.

Immer Ärger mit 40Geredet wird in diesem Film sehr sehr sehr viel, aber in über zwei Stunden findet Apatow nur ein wirklich starkes, aussagekräftiges Bild für den kritischen Zustand von Petes und Debbies Ehe: Da kommen die beiden aus dem Büro der Schuldirektorin, wo sie routiniert als eingespieltes Team agiert haben, doch dann haben sie nicht ein einziges Abschiedswort für einander übrig, als sich auf dem Parkplatz ihre Wege wieder trennen, zurück in ihren jeweiligen Arbeitsalltag. Hätte "Immer Ärger mit 40" mehr von solchen stillen, bedeutungsschwangeren Momenten, er wäre vielleicht nicht mehr so komisch, aber als ernsthafte Reflexion über Szenen einer Ehe weitaus effektiver und überzeugender. Stattdessen zerfaselt Apatow sein Thema sehr unfilmisch und steht der Ehrlichkeit seines Films mit dem Bemühen, alle naselang wieder was Komisches einzubauen, selbst im Weg. 

So wird in diesem viel zu langen Film sehr viel geredet und dabei sehr wenig (aus)gesagt, und irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass Judd Apatow ein wenig die Verbindung zur Lebenswelt seiner ganz normalen Zuschauer verloren hat. Wer jedenfalls die Szenen seines eigenen Familienlebens in ein Drehbuch umschreibt und das Ganze dann mit seiner eigenen Ehefrau und den eigenen Kindern in den Rollen der Ehefrau und der zwei Kinder verfilmt, der ist entweder so selbstverliebt, dass er sich für den reflektierenden Nabel der Welt hält, oder so faul, dass er sich nicht mehr über den eigenen Tellerrand hinaus strecken mag.

Bilder: Copyright

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