Die Rollentausch/Verwechslungs-Komödie vor dem todernsten Hintergrund von Nazi-Deutschland ist ein Thema mit großer filmischer Tradition, begründet von solch unsterblichen Klassikern wie Charlie Chaplins „Der große Diktator“, wo ein jüdischer Friseur für den Führer persönlich gehalten wird, oder Ernst Lubitschs „Sein oder Nichtsein“, in dem sich eine Theatergruppe als Gestapo-Mitglieder ausgibt, um bei der Entlarvung eines Spions zu helfen. Es sind also große Fußstapfen, in die der neue Film von Leander Haußmann („Sonnenallee“, „NVA“) tritt. Das Erfreuliche ist, dass er diese diffizile Aufgabe erstaunlich gut zu meistern weiß, und das Bemerkenswerte ist, dass der Film dies vor allem seinem Hauptdarsteller zu verdanken hat, Michael Bully Herbig, der hiermit vorsichtig aber eindeutig eine neue, anspruchsvolle Etappe in seiner Karriere beginnt.
Herbig spielt den Schauspieler und Kabarettisten Hans Zeisig, ein selbstverliebter und ziemlich unpolitischer Schlawiner, der Anfang der 1930er Jahre in einem Berliner Varieté große Lacherfolge erntet mit einer Doppel-Parodienummer gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Siggi Meyer (Jürgen Vogel). Siggi imitiert Hitler, Hans spielt Stalin, und ihre Nummer ist ein echter Brüller – es dauert indes nicht lange, bis sich die politischen Verhältnisse soweit zuspitzen, dass die Jungs in den Uniformen das nicht mehr sehr witzig finden, was da auf der Bühne veranstaltet wird. Nachdem Siggi, ein überzeugter Kommunist, in den Untergrund verschwunden ist, wird es auch für Hans bald Zeit, den Kopf einzuziehen, und dank eines gefälschten Passes (der eigentlich für jemand anders bestimmt war) kann er nach Moskau fliehen und landet im Hotel Lux, historisch authentische Sammelstelle für deutsche Exil-Kommunisten auf der Flucht vor den Nazis. Doch der vermeintlich sichere Zufluchtsort entpuppt sich alsbald als politisches, paranoides Gefängnis, in dem genau wie daheim jeder falsche Satz sofort zu Inhaftierung und/oder Erschießung führen kann. Nicht der beste Ort, um aufgrund der falschen Papiere von Stalins Schergen für jemand äußerst Wichtiges gehalten zu werden, der man aber gar nicht ist….
„Hitler nachmachen ist einfach“ stellt Hans Zeisig gleich zu Beginn des Films in einer Schauspieler-Diskussion mit seinem Freund Siggi fest, als sie darüber debattieren, wer von ihnen die schwierigere Rolle zu spielen hat. Damit hat Hans natürlich recht, zugleich ist diese Bemerkung aber auch symptomatisch für Bully Herbigs eigenen Part in diesem Film, in dem er zur Unterhaltung seines Publikums eben gerade nicht den einfachen Weg der klamaukigen Parodie geht, der ihn berühmt und zum erfolgreichsten Film-Komiker Deutschlands gemacht hat.
Auch wenn das Nachstellen berühmter Persönlichkeiten entscheidender Plotfaktor von „Hotel Lux“ ist: Herbig verkommt hier niemals zum Clown oder Kasper, sondern bleibt immer komplett überzeugend in seiner Rolle des zwar schelmischen, aber in seiner charmanten Arroganz glaubwürdig realistischen Schauspielers und Schürzenjägers, der sich lange Zeit dagegen wehrt, in dem brisant-politischen Todesspiel, in das er hinein gezogen wird, irgendeine Position zu beziehen. Es ist ein darstellerischer Reifeprozess, die Annäherung weg von der reinen Komödie hin zum anspruchsvolleren Fach, die Herbig hier beginnt, und er tut es mit Bravour. Da darf man jetzt schon umso gespannter sein auf seine nächste Rolle in der Kino-Neuauflage der legendären 80er-Jahre-Serie „Kir Royal“ von Helmut Dietl persönlich. Dass „Hotel Lux“ in seinen besten Momenten tatsächlich ans überlebensgroße Vorbild Lubitsch heranreicht, ist ganz zentral das Verdienst von Herbig und seiner perfekten Mischung aus Nonchalance und präzisem Timing inmitten eines an sich hochgefährlichen und todernsten Dramas.
Es ist in der Tat eine schwere Gratwanderung, die „Hotel Lux“ unternimmt. Auf der einen Seite der bittere Ernst der permanenten Lebensbedrohung in den ganz ähnlichen faschistischen Systemen von Nazi-Deutschland und Stalin-Sowjetunion, wo allein schon der Verdacht eines einzigen von der herrschenden politischen Linie abweichenden Gedankens zur Exekution führen kann. Auf der anderen Seite die satirische Überhöhung der Absurdität dieser Welten, mit einem Stalin, der so paranoid ist, dass er vertrauliche Unterredungen nur noch in seinem eigenen Badezimmer führt, und ahnungslosen Kindern, die einen als erstes fragen, ob man Trotzkist ist.
Gerade darum ist es dem Film hoch anzurechnen, dass er diese schwierige Balance genau auszutarieren versteht, zum einen immer wieder freudig im Absurden badet und grandiose Lacher produziert (wenn zum Beispiel der spätere SED-Chef Walter Ulbricht in seinem Hotelzimmer eine Mauer aus Zuckerwürfeln baut), zum anderen schlagartig wieder die allgegenwärtige Todesbedrohung hervorkehrt (zum Beispiel als Stalin nach einer geheimen Unterredung mit Hans kurzerhand den Dolmetscher erschießt, weil der gerade zu viel mitbekommen hat).
Man kann „Hotel Lux“ vorwerfen, dass er nach einem grandios-flotten Beginn etwas an Fahrt verliert und nach der Ankunft in Moskau für eine Weile sein Tempo nicht wiederfindet, und die reihenweise Einführung historischer Persönlichkeiten, die damals wirklich vor Ort waren (von Walter Ulbricht bis Herbert Wehner) verpufft ein wenig ohne allzu viel Wirkung. Doch diese leichten Hänger sind schon wieder vergessen, wenn Hans Zeisig auf aberwitzige Weise die Entstehung des Hitler-Stalin-Paktes anstößt und sich „Hotel Lux“ zu famosen letzten 30 Minuten aufschwingt, die einfach nur großes Kino sind. Es ist sicher nicht Chaplin und es ist auch noch nicht ganz Lubitsch, aber es ist nicht mehr weit davon weg. Und das muss man auch erstmal schaffen.
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