
Nach "Sonnenallee" und "Herr Lehmann" geht
es jetzt zackig in die "NVA", den neuen Film von Leander
Haußmann, der mit den davor genannten Filmen nun eine
Ost-Trilogie
bilden soll (auch wenn "Herr Lehmann" streng genommen
in West-Berlin das Bier über die Theke schob).
Haußmanns Ostalgie ist gekommen, um zu bleiben - wirft uns
doch der Regisseur derzeit auch noch seinen gleichnamigen
Roman
zum Film um die Stahlhelme.
Aber während "Sonnenallee" direkt ins Herz schien
und "Herr Lehmann" einen zwischen Beck's und Elektrolyten
gleichzeitig zum Lachen und Weinen bringen konnte, ist
"NVA"
nur eine Militärklamotte, die eher zufällig in der
Nationalen
Volksarmee der DDR, der "unattraktivsten Armee aller
Zeiten",
zu spielen scheint. Dieser Film ist leider nur bedingt
diensttauglich,
wie unsere Musterung ergeben hat.
Der zart besaitete Henrik Heidler (Kim Frank, Ex-Sänger der Teenie-Band Echt) findet sich mit einem Haufen mehr oder weniger cooler Rekruten in der Fidel-Castro-Kaserne zum 18-monatigen Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) ein. Hier werden sie lernen, warum "Ein Bett im Kornfeld" eine Verklärung der Obdachlosigkeit im imperialistischen Ausland ist, wie man mit Gasmaske bekleidet den heimischen Nadelwald verteidigt, lebendig durch die Armeezeit kommt und dabei auch noch Weiber aufreißt.
Dies
hätte einen ordentlichen Film ergeben können, tut es aber
leider nicht. Haußmann, der seinen eigenen Wehrdienst bei
der Volksmarine und somit nicht in einer Kaserne
verrichtete, hat
sich anscheinend nicht so wirklich entscheiden können, was
er da eigentlich schaffen wollte. Eine Militärklamotte
(eine
Einordnung, die sich aufgrund des fertigen Produktes
aufdrängt)
sollte es angeblich nicht sein. Eher schon eine Satire,
was aufgrund
der Aneinanderreihung harmlos-lustiger Episödchen doch
eher
als eine gewagte These erscheint. Manche nennen es eine
Abrechnung
mit der NVA, aber dafür ist dieser Film nicht böse genug.
Und so darf nun jeder selbst auf Erkundungstour durchs
filmische
Gebiet gehen.
"NVA" ist eher eine DDR-Version von "Police Academy"
oder "Schütze Benjamin" (mit Goldie Hawn), als sich
mit Klassikern wie "M.A.S.H." oder dem Ausbildungs-Camp
von "Full Metal Jacket" messen zu können. Dafür
ist der Film voll von Anspielungen auf Kubricks
Kriegsfilm-Meisterwerk,
die mal mehr, mal weniger gut passen.
Ganz ausmustern muss man "NVA" allerdings nicht, denn
es gibt auch gute Gründe, sich für den Film ins
Kinodickicht
zu begeben.
Da sind zum einen die Schauspieler. Kim Frank kehrte für
den
Film aus seiner Heimat bei Flensburg ins Rampenlicht
zurück,
was dem 23-jährigen Ex-Echt-Sänger ("Du trägst
keine Liebe in dir"), der seinen Ruhm schon mit 15 erleben
durfte oder musste, anscheinend gut getan hat. Frank
schaut liebevoll-treu-verklärt
aus seinen großen Augen und entspricht somit perfekt
seiner
Rolle. Wäre diese nicht, wie alle anderen leider auch, so
einseitig-oberflächlich
angelegt gewesen, dann hätte er vielleicht noch mehr
zeigen
können.
Detlev
Buck ist Buck wie immer und hat somit die Lacher schnell
auf seiner
Seite. Am meisten erfreut die Leistung von Oliver Bröcker,
der den Rebell-Rekruten Krüger spielt, dem zwischendurch
auch
mal eine Gehirnwäsche widerfährt. Bröcker wurde bisher
zwei Mal für den Deutschen Fernsehpreis nominiert und
sollte
seinen Bekanntheitsgrad nach "NVA" steigern können.
Der Soundtrack ist brillant: Von "Going up the Country"
von Canned Heat bis Cat Stevens' "Oh very young", mit
ein bisschen Aimee Mann und Element of Crime, deren Sänger
Sven Regener die Romanvorlage zu Haußmanns Film "Herr
Lehmann" schrieb, reicht hier das Spektrum und macht in
Verbindung
mit dem NVA-Alltag einfach großen Spaß. Die
Soundtrack-Rechte
waren wahrscheinlich nicht billig, haben sich aber
gelohnt: Nicht
nur macht der Film durchaus Lust auf einen
Soundtrack-Kauf, die
exzellente Musik hilft auch noch, ihn aus der Masse
schlechter Komödien
herauszuhieven.
Dann ist da noch die Kamera von Frank Griebe ("Lola
rennt"),
die mal wieder grandios ist. Haußmann hatte schon bei
"Herr
Lehmann" mit Griebe gearbeitet, die Früchte dieser guten
gemeinsamen Erfahrung zeigen sich hier: Die einfallsreiche
visuelle
Arbeit lockert die Handlung auf und hält den Film in
Schwung.
Trotzdem
gibt es in Bezug auf die Handlung einige Schwächen, die
nicht
getarnt werden konnten - denn die Handlung selbst wird
leider vermisst.
Wo ist die Geschichte hinter diesen Gags? Die Rekruten
kommen in
die NVA, dann passiert mal dies, mal das, und dann ist da
irgendwo
das Ende. Einen Spannungsbogen sucht man ebenso vergebens
wie eine
echte Charakterentwicklung. Der einzige, dem ein gewisser
(und plötzlicher)
Entwicklungsprozess zugestanden wird, ist der Protagonist
Henrik,
doch gerade hier reagiert der Zuschauer eher verblüfft auf
dieses Manöver, welches sich nicht wirklich angekündigt
hat.
Was soll's, "NVA" macht trotzdem Spaß. Ach, hätte Leander Haußmann doch stattdessen Sven Regeners zweiten Roman "Neue Vahr Süd" verfilmt, der zeitlich vor "Herr Lehmann" während der Bundeswehrzeit des uns ans Herz gewachsenen Lehmann spielt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden: Haußmann hat angekündigt, dass er die DDR hinter sich lassen will. Die Bundeswehr wartet vielleicht schon auf ihre filmische Aufarbeitung….
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