
Es war eines der Großereignisse auf der diesjährigen Berlinale: Die Weltpremiere der Hildegard Knef-Biographie mit Heike Makatsch in der Hauptrolle. Schon bei der Pressevorführung herrschte so ein Andrang, dass schnell eine zeitversetzte Vorführung in einem zweiten Saal organisiert wurde, damit alle einen Platz bekommen konnten. In der Tat schwingt sich "Hilde" - genau wie die ebenfalls während der Berlinale erstaufgeführten "John Rabe" und "Effi Briest" - auf ein internationales Produktionsniveau hoch und versucht, in einem Hollywood-typischen Genre zu überzeugen. Der Glamour war also angebracht. Anders als die anderen deutschen Berlinale-Glanzlichter kann "Hilde" in der endgültigen Ausführung aber nicht ganz überzeugen.
Die dramatische Struktur ist Biopic-typisch und Hollywood-erprobt: Den Rahmen bildet ein einschneidendes Ereignis in der Karriere der Künstlerin (hier: Knefs Rückkehr nach Deutschland 1966 für ihren ersten Auftritt als Chanson-Sängerin), in ausführlichen Flashbacks wird dann die eigentliche Geschichte erzählt (wie die Künstlerin dort hingekommen ist). Chronologisch beginnt "Hilde" so im Jahr 1943, als Hildegard Knef dank einer ambitionierten Bewerbung bei den UFA Filmstudios ihre Karriere als Filmschauspielerin beginnt. Dabei lernt man sie als sehr zielstrebige, durchaus opportunistische Frau kennen: Obschon ihre Mentorin Else Bongers (Monica Bleibtreu) sie warnt, dass es für sie noch zu früh ist "entdeckt" zu werden, lässt sich Hilde ohne zu zögern auf eine Affäre mit dem Reichsfilmdramaturg Demandowsky ein und startet als Nachwuchsstar der Nazi-Filmproduktion durch. Invasionstruppen und Kriegsende setzen dem ein jähes Ende, und Hilde muss einen harten Überlebenskampf überstehen, bevor ihr in der jungen Bundesrepublik die Wiederauferstehung als gefeierter Leinwandstar gelingt. Bis zu jener denkwürdigen Spielfilmszene im Jahr 1953, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen wird….
Das Erste, woran man sich bei "Hilde" gewöhnen muss, ist die Stimme von Heike Makatsch. In bewundernswerter Akribie hat die Schauspielerin so hart an der Imitation des besonderen Sprachduktus der Knef gearbeitet, dass sie in manchen Momenten tatsächlich erfolgreich dahinter verschwindet. Am Anfang jedoch wirkt es zunächst noch aufgesetzt, in Kombination mit den schlagfertigen Dialogen manchmal etwas künstlich. Wenn der Film und Makatsch aber erstmal in Schwung kommen, verschwindet dieser holprige erste Eindruck, und Makatschs Vorstellung wird zu dem außergewöhnlichen Ereignis, das man sich für den Film erhofft hat.Die selbst gespannten Fallstricke lauern woanders, nämlich in der Zeichnung der Hauptfigur jenseits dessen, was die Schauspielerin leisten kann. Denn das Portrait und die Entwicklung von Knefs Charakter, die hier letztlich den ganzen Film formen sollen, bleiben leider etwas schwammig.
Das ist eigentlich schön effektvoll aufgezogen, indem der Film durch Einblendungen der einzelnen Strophen von Knefs defining hit "Für mich soll's rote Rosen regnen" in episodische Kapitel eingeteilt wird und so schrittweise zum finalen Bravour-Auftritt mit eben diesem Song hinführt. Das Lied als Spiegel von Knefs Leben - was es ja auch tatsächlich war.
Dass sich das in dem unsterblichen Lied viel wendungs- und erkenntnisreicher anfühlt als in diesem Film, liegt zu einem Gutteil daran, dass man nicht so richtig zur Hauptfigur durchdringt. Dabei ist der Anfang vielversprechend, die Kaltblütigkeit, mit der sich Hilde in ihre opportunistische Affäre mit Demandowsky stürzt, fast schon etwas erschreckend, und der Film fängt den Opportunismus, der Hildes junge Karriere ermöglichte, bildstark ein: In einer beeindruckenden Cross-Montage lässt sich Hilde auf der Premiere ihres ersten Nachkriegs-Filmhits feiern, während ihr einstiger Liebhaber hingerichtet wird.
So richtig traut sich "Hilde" aber doch nicht, wenn es für seine Titelheldin ungemütlich wird. Als Hilde sich, um als schutzlose Frau vor den russischen Truppen aus Berlin entkommen zu können, als Soldat verkleidet und ein Gewehr in die Hand nimmt, feuert sie im Film keinen einzigen Schuss ab. Dabei hat die Knef selbst zu Lebzeiten zugegeben, durchaus geschossen und auch getroffen und getötet zu haben. War das den Filmemachern zu drastisch, oder fürchteten sie eine zu starke Schädigung ihrer strahlenden Hauptfigur?Schade ist es so oder so, denn es sind Facetten wie diese, die Hildegard Knef in ihrem unbändigen Überlebens- und Erfolgswillen erst wirklich interessant machen, ohne der Faszination ihres Charakters zu schaden. Der Film jedoch zeigt Hilde fast durchgehend einseitig als selbstsichere, schlagfertige und weitgehend makellose Heldin ihr Leben meistern - oft sehenden Auges in die Katastrophe laufend, wenn das der Preis dafür ist, sich selbst treu zu bleiben. Sicher, eine bewundernswerte Frau, aber was hier ein bisschen fehlt, ist die Entwicklung. Als in einer Schlüsselszene Hilde quasi mit der großen "Weißt du wirklich, wer du bist?"-Frage konfrontiert wird und plötzlich aufgelöst in Tränen ausbricht, kommt das beim Zuschauen ziemlich unvermittelt - denn von diesen tief sitzenden, nagenden Selbstzweifeln hat man bis dahin nichts gesehen.
Diese "Suche nach sich selbst" soll eigentlich der treibende Motor des Films und in Hildes Leben sein (ergo die dramatische Klammer mit ihrem ersten Chanson-Auftritt in Deutschland: Hier begann sozusagen das zweite, "wahre" Leben der Hildegard Knef), viel merkt man allerdings nicht davon. Da rächt es sich dann vielleicht doch, dass man sich in Makatschs Spiel so sehr auf die korrekten Knef-Manierismen konzentrierte.
Nicht viel, um genau zu sein: gar nichts - sieht man übrigens von jener denkwürdigen Filmszene in "Die Sünderin", in der die Knef sich erstmals vor der Kamera auszog und so im prüden Nachkriegs-Deutschland für einen beispiellosen Skandal sorgte, der fast ihre Karriere beendet hätte. Der Film lässt den so folgenschweren Drehmoment komplett im Off, obwohl ein bisschen nackte Makatsch-Haut für ihn an sich keine Tabuzone ist. Angesichts der Tragweite dieses Moments für Hildegard Knefs ganzes Leben wirkt diese Auslassung etwas befremdlich.
Wenn sich der Film bis hierhin etwas holprig anhörte, so muss man zur Verteidigung von "Hilde" ganz klar sagen: Das ist er nicht. Im Gegenteil: Trotz seiner Spielzeit von über zwei Stunden bleibt der Film durchweg kurzweilig, dank eines stramm durchgezogenen Erzähltempos, eines sehr gelungenen Kostüm- und Produktionsdesigns und den flotten Dialogen, die sich freudig durch den reichen Fundus an denkwürdigen Knef-Zitaten wühlen. Das alles sowie die gut aufspielenden Darsteller (wenn sie auch stellenweise unterfordert sind: Monica Bleibtreu ist verschenkt) sorgen dafür, dass "Hilde" trotz aller Schwächen im Detail packende und gut konsumierbare Kino-Unterhaltung bleibt. Mit einer kleinen Prise Pathos, wie es das Star-Biopic nun mal braucht, und mit einem großen Soundtrack - den Heike Makatsch übrigens nach intensivem Gesangstraining selbst eingesungen hat. Die Album-Veröffentlichung folgt natürlich.
Und so lebt der Mythos Knef auch im CD-Player weiter, dank dieses zwar nicht ganz gelungenen, aber dennoch ansehnlichen filmischen Denkmals. Und wenn Heike Makatsch am Ende als formvollendete Hilde "Für mich soll's rote Rosen regnen" singt, dann ist die Gänsehaut sicher.
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