
Zugegeben, der Titel ist super. Ein Endzeit-Film, in dem die heißgelaufene Sonne mit ihrem gleißenden Licht die Erde in eine wahre Hölle voller Tod und Verderben verwandelt hat, ist mit der zweisprachigen Doppeldeutigkeit von „Hell“ wirklich sehr treffend auf den Punkt gebracht. Ziemlich brillant. Nur schade, dass dahinter ein nicht ansatzweise ähnlich brillanter Film steckt.
Dabei ist das Szenario gerade für Science-Fiction- und Endzeit-Fans wirklich vielversprechend, auch wenn sich Kino-Debütant Tim Fehlbaum auf eine minimale Exposition beschränkt: Fünf Jahre in der Zukunft hat die Sonne die Durchschnittstemperatur auf der Erde um zehn Grad erhöht, nirgendwo wächst mehr etwas. Wasser und Nahrungsmittel sind ausgegangen, die gesellschaftliche Ordnung ist zusammengebrochen. Soviel verrät eine Texttafel zu Beginn des Films. Eine kurz eingeblendete Zeitungsseite lässt noch erahnen, dass plötzliche Sonneneruptionen für diese schlagartige Apokalypse verantwortlich sind.
In dieser ausgestorbenen Welt sind nun Marie (Hannah Herzsprung, „Vier Minuten“), ihre Schwester Leonie (Lisa Vicari) und Philip (Lars Eidinger) in einem Kombi mit zugeklebten Scheiben gegen das gefährliche Sonnenlicht auf dem Weg in die Berge, weil es dort angeblich noch Wasser geben soll. Auf dem Weg ist Vorsicht geboten: In einer Welt, die deutlich an „Mad Max“ erinnert, ist jeder Fremder eine potenzielle Gefahr weil auf die eigenen Vorräte an Wasser, Essen und Benzin scharf. Nur misstrauisch nimmt das Trio daher Tom (Stipe Erceg, „Die fetten Jahre sind vorbei“) mit, der ihnen unterwegs begegnet und sich als hilfreicher Mechaniker erweist. Die insgesamt schon lebensbedrohliche Gesamtsituation verschärft sich für das Quartett ganz enorm, als sie auf dem Weg in die Berge in einen Hinterhalt geraten und der Überlebenskampf Mensch-gegen-Mensch seine widerwärtigsten Seiten offenbart….
Der Inhalt lässt es bereits erahnen: Dass, was sich manch ein SciFi-Fan vielleicht angesichts des Szenarios von „Hell“ versprochen hat, gibt es hier leider fast gar nicht zu sehen: Wie die Welt des Films kollabiert ist, wie die Gesellschaft in sich zusammenbrach, wie das Leben in dieser Apokalypse jetzt noch aussieht – darüber verliert „Hell“ so gut wie kein Wort und nutzt sein beängstigendes Setup lediglich als ein sehr ungewöhnliches Konstrukt, an dem dann ein sehr konventioneller Hinterwäldler-Horrorfilm errichtet wird.
Mit falscher Erwartungshaltung sollte man also nicht in diesen Film gehen, denn dann ist er eine enorme Enttäuschung, zumal man es von einem guten Science-Fiction-Film erwarten würde, dass er seine Welt halbwegs logisch durchdenkt. Davon ist bei „Hell“ aber kaum eine Spur. Da reicht es halt, wenn man einen alten Kombi verdunkelt, um damit weiter durch die helle heiße Welt fahren zu können. Dass sich dieses Auto blitzschnell in eine unerträgliche Sauna verwandeln und das Kühlerwasser auch nicht lang mitspielen würde – besser nicht drüber nachdenken. Und dass es hier niemals wirklich dunkel wird, sondern die Nacht eine nicht enden wollende Dämmerung ist, obwohl dafür keine hellere Sonne, sondern eine Verschiebung der Erdachse nötig wäre – lieber ignorieren.
„Hell“ tut sich mit seinem Szenario letztlich keinen Gefallen, da es permanent Fragen aufwirft, welche der Film nicht beantworten kann oder will, die beim Zuschauen aber permanent „Moment mal…“-Gedanken auslösen, wegen denen man dann mental deutlich weniger mit der sich entspinnenden Horrorstory mitgehen mag. Was auch daran liegt, dass diese einfach nicht effektiv inszeniert ist.
Wobei man Tim Fehlbaum nicht vorwerfen kann, handwerklich unbegabt zu sein. Ganz im Gegenteil. Was die Erzeugung von Atmosphäre betrifft, liefert er (auch als Co-Kameramann) beachtliche Ergebnisse, versteht er es doch, aus der Not eines schmalen Produktionsbudgets von gerade mal drei Millionen Euro eine Tugend zu machen: Grobkörnige, bei Tageslicht in blendendes Weiß getauchte Bilder und die klaustrophobisch eng bei den Figuren bleibende Kamera lassen das Publikum letztlich nur sehr wenig der Welt von „Hell“ sehen, erzeugen aber treffend und wirksam eine bedrückende und bedrohliche Atmosphäre.
So weit, so gut. Doch Fehlbaum inszeniert seinen Film mit einem Minimalismus ohne jede Effekthascherei, der mit seiner (etwas prätentiösen) Ernsthaftigkeit und der sehr subtilen Figurenentwicklung an typisch deutsches Autorenkino erinnert – ein Erzählgestus, der hier leider fehl am Platze ist. In der dürren Exposition lernt man viel zu wenig über die Charaktere, als dass man im Folgenden wirklich um sie bangen kann, zugleich stellt sich auch kein mitreißendes Gefühl der Bedrohung ein, weil sich der Film seinem Schrecken viel zu langsam und nüchtern nähert.
Effekthascherei – genau das ist es, was „Hell“ gerade in seinem letzten Drittel gebraucht hätte, wenn er sich formal endgültig in einen Hinterwäldler-Horrorfilm klassischer Genreprägung verwandelt. Aber wirklich Erschrecken oder Fürchten tut man sich hier eigentlich nie. Und Ekeln (trotz einigem Potential dafür) auch nicht so richtig. Ein Horrorfilm hat damit sein wichtigstes Klassenziel klar verfehlt.
So kann man „Hell“ wohlwollend ausgedrückt allenfalls als „interessant“ bezeichnen, denn in seinem Genre- und Stilmix zwischen Science-Fiction, Hinterwäldler-Horror und deutschem Autorenkino ist er zumindest formell unbestreitbar außergewöhnlich. Aber so wie „nett“ die kleine Schwester von „scheiße“ ist, ist „interessant“ die kleine Schwester von „kann man sich getrost sparen“.
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